Versuch einer
Linneser Ortschronik.
Gewidmet meinem Enkel Kevin Alexander zu seinem 6. Geburtstag am
24. Februar 2004;
verbunden mit dem Wunsch, daß er und alle meine Enkel eine friedlichere Zeit
erleben werden, als die meisten ihrer Vorfahren.
Seltsam
Von guten Menschen ward
aus der Vergangenheit
nur selten uns berichtet.
Doch solchen,
die der Menschen Zahl
durch Kriege ausgelichtet,
wurden Heldenepen
nachgedichtet!
Der Dichter dieser Zeilen ist mir leider nicht
bekannt. Das Gedicht wurde mir von Herrn Manfred Schmidt übermittelt, der es bei
einer vom Rodheimer Heimatverein zusammengestellten Ausstellung, gezeigt in
Gleiberg im Rahmen des Gleibergfestes am ersten Septemberwochenende 2009, sah.
Das Gedicht erschien mir sofort sehr geeignet als Motto dieses Versuchs einer
Ortsgeschichte, denn hier werden Sie keine geschichtsverfälschende
Glorifizierung militärischer "Heldentaten" finden.
Hier wird versucht, alles zusammen zu tragen, was uns aus alten Urkunden und
Aufzeichnungen über das Leben in Linnes überliefert ist.
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[Neues aus HADIS im Dezember 2014:]
Bei einer Suche nach Urkunden zu unserem Ort im
inzwischen ziemlich erweiterten HADIS ergab sich folgendes Ergebnis:
Ortsname: |
Treffer: |
Lindes |
0053 |
Lindehe |
0003 |
Kleinlinden |
0053 |
Klein-Linden |
1141 |
Linnes |
0004 |
Lyndis |
0003 |
Lindis |
0003 |
Lindisz |
0001 |
Lyndehe |
0001 |
Lyndee |
0001 |
Kleinlindes |
0053 |
Für die Zahl der Treffer wird von mir keine Garantie übernommen, denn die
berechnet nicht der Computer; sie muß "per Hand" ausgezählt
werden.
Einige Urkunden erscheinen unter mehreren Ortsnamen.
Bei den 1141 Treffern zu
Klein-Linden ist eine Art
Volkszählungsdatei von 1946 mit über 600 einzeln aufgelisteten Namen
enthalten.
Zu Lindes wurde eine Urkunde von 1254 im HStA Wiesbaden
genannt. Dazu teilte mir Frau Dr. Stößer mit:
"In den oben genannten vier Aktenbänden
zum Nassauischen Lehen der Familie Thom ist keine Abschrift einer Urkunde aus
dem Jahr 1254 enthalten. Die Nennung dieser Jahreszahl stellte einen
Schreibfehler dar, den ich mittlerweile korrigiert habe. Korrekt lautet die Zahl
1754."
Unter Kleinlindes fand sich im HStA Marburg:
Datierung
1264 Juni
Originaldatierung
1264 mense junio
Vermerke
(Voll) Regest
Bernhard von Derinbach, Ritter verkauft dem
Richolph genannt de Brath, Schöffen zu Wetzlar seinen Hof zu Kleinlinden.
Formalbeschreibung
Original, Pergament, 2 Siegel 1 zerbrochen
Druckangaben
Hessisches Urkundenbuch, I, 201
Die Urkunde kann im Internet angesehen und auch heruntergeladen werden. Auf der
2. Seite ist deutlich zu sehen, daß die Urkunde zu Lützellinden
gehört:
Im HStA Darmstadt findet sich bei
Lindes und fast jedem anderen
Ortsnamen:
HStAD
Identifikation
Titel
Kleinlinden
Vermerke
Enthält
·
Name:
·
790 Sigelingeslinden, 802 Sichiligeslinden,
817 Sichilinger marca sei Sigelindeslinden zum Andenken an Siegfrieds Mutter:
Dilthey, Archiv für Hess. Geschichte 6 (1850), 205
·
Sigeslindeslinden, Sichelindes im cod.
Lauresham. wohl Kleinlinden, Lindes 1280 bis heute Kürzung von S., 1276
Lindehe, 1291 Lyndee, 1293 Lyndehe, 1301 villa Lindees, 1320 Lyndehe, 1353 von
dem Lindehes und zu dem Lindehis, 1280 minor villa dicta Lyndes, 1280 Lindes,
1287 Lyndes, 1291 Lindes, 1320 Lyndez, 1408 Lindis, 1422 ff. Lindis, Lindisz,
1615 Lindes:
·
von Schenk Archiv für Hess. Geschichte 14
(1876), 430
·
zuerst Lindehe (Arnsburger Urk. 344), dann
Lindee (Arnsburger Urk. 164), später Lindes: Weigand, Archiv für Hess.
Geschichte 7 (1853), 256
·
1333 in minori Linden: Nagel, Jahresber.
Gießen 3 (1883), 15
·
1412 zu dem Lindes;
·
Gleiberger Zubehörbeschreibung: v. Ritgen,
Jahresber. Gießen 2 (1881), 67
·
Lindis; Register 1476: Landau, Zeitschrift
für Hess. Geschichte 1 (1837), 348
·
Kleine Lindes
·
Messbuch über das Hoch Frey Adeliche
Fabricische Gut zu
·
Kleine Lindes 1744: Stadtarchiv Gießen
·
1759 Klein Linnes;
·
Bericht des braunschweigischen Leutnants
Cleve: Wilbrand, Jahresber. Gießen 4 (1885), 15
·
Zehnte:
·
der zende zu dem Lindes solde zu malle gehören
uff das slos Glyperg, wandt he was Merenbergs lehen, und ist an die Herrschaft
(Nassau) gefallen, aftr Herrn Gernandt von Buchsecks Dode dem he pfandes stondt,
und ist aftr der zyt alle Jare glich halb genommen von eins Lantgreben wegen und
kommen in die Burg zu den Giessen, domit unsern Greben Philips unrecht geschiet.
·
Gleiberger Zubehör 1412: v. Ritgen,
Jahresber. Gießen 2 (1881), 67
Erstaunlich ist die (neue) Zuordnung der frühen Urkunden von 790, 802 und
817 zu "wohl Kleinlinden".
Auf meine Frage zum Hintergrund dieser Zuordnung schrieb Archivoberrat Dr.
Adler:
"1. Bei dem von Ihnen vorgelegten Auszug aus HADIS handelt es sich um
einen Teil der „Ortshistorischen Datensammlung Oberhessens“. Die
Informationen stammen von Wilhelm Müller, der mit diesen Daten einen zweiten
Band des „Ortsnamenbuches“ für Oberhessen publizieren wollte. Dabei sind
die Angaben nur als Materialsammlung zu verstehen (Entwurf, ohne abschließende
Redaktion).
2. Gerade für die frühen Nennungen von Linden (Großen-, Lützel,
Klein-Linden) bestehen nicht unerhebliche Schwierigkeiten bei der richtigen
Zuordnung. Da Müller jedoch ein Kenner der Materie war, besteht zunächst kein
Anlass, an den vorgenommenen Identifikationen zu zweifeln.
3. Zur Problematik der Zuordnung verschiedener Erwähnungen der genannten
Ortschaften ist einschlägig: Lutz Reichardt, Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen,
Alsfeld und Lauterbach in Hessen (Göppinger
Arbeiten zur Germanistik; Bd. 86), Göppingen 1973, S. 236-238."
In einem Telefonat am nächsten Tag betonte Dr. Adler, daß die Zuordnung der frühen Urkunden von 790, 802 & 817 doch eher fraglich sei.
Eine sehr klare und eindeutige Stellungnahme erhielt ich auf Anfrage von
Herrn Prof. Ramge:
"Es bleibt bei
1269 als Ersterwähnung KlLindens. Wilhelm Müller, ......, hat 1937 als ersten
Band eines geplanten ‚Hessischen Ortsnamensbuchs‘ den (ausgezeichneten) Band
1 Starkenburg herausgebracht. Weiteres ist wegen seines Todes nicht erschienen.
...... Erkennbar ist: Er hat oberhess. Material gesammelt und versuchsweise
‚Sichelingslinden‘ KlLinden zugeordnet. Das war falsch.
Es besteht in der Forschung seit Kofler Übereinstimmung, dass sich
‚Sichelingslinden‘ auf die gut belegte Wüstung Langen-Linden nw. Kirchgöns
bezieht (Glöckner in Cod.Laur. III, 202 Anm. u.ö.; Reichardt 237 f.). Nur
Schenk zu Schweinsberg vermutet wegen des –a in CL 3712a für 790 (Glöckner
a.a.O.) Lindehe als Bezugsort. Da alle anderen Sichelingslinden-Belege aber
–en als Endung haben, ist das nicht stichhaltig. Denn eines ist sicher :
Lindehe ist sprachlich die Ausgangsform für Klein-Linden, wobei das –ehe
einen Sammelbegriff herstellt (wie heute in Röhricht, Dickicht u.ä.).
Klein-Linden ist also die ‚Siedlung am Lindengehölz‘; der Name hat mit den
anderen –linden zunächst nichts zu tun, sondern wurde erst später in der
Schriftlichkeit angepasst. Das –es in der heutigen Mundart ist eine andere
Endung, mit der ebenfalls ein Sammelbegriff hergestellt wird: Erl-es, Buch-es
‚Erlen-, Buchen-Gehölz‘ und kommt in Flurnamen sehr häufig vor."
Herr
Dr. Bingsohn schickte mir Kopien der o.g. 3 Seiten aus dem Buch von Lutz
Reichardt.
Dieser nennt Sichelingslinden ebenfalls als älteren Namen von
Langen-Linden.
Fazit nach kurzzeitiger Verwirrung: Es bleibt weiter bei der
Ersterwähnung von LINNES im Jahr 1269.
Besonders danken für die Hilfe zur schnellen Klärung möchte ich Herrn
Professor Dr. Hans Ramge, Herrn Dr. Lars Adler und Herrn Dr. Wilhelm Bingsohn.
Herr
Dr. Prage, "Chef" des Stadtarchivs Gießen übersandte mir vor einiger
Zeit Scans von Urkundenkopien aus dem Stadtarchiv, darunter auch:
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[So begann die Chronik bis Dezmebr 2014
- und so bleibt sie nach der kurzzeitigen Verwirrung wegen angeblich älterer
Urkunden weiter gültig:]
Über die vermutliche Entstehungszeit unseres Ortes schreibt
Rudolf Weigel auf Seite 3 in seiner umfangreichen Arbeit "Zu der Geschichte
Klein-Lindens" als Ergebnis seiner Auswertung der ältesten bisher bekannten
Urkunden:
Da sich das Zehntgut außerdem in den Händen von Laien befindet, könnte man
versucht sein - die Schenkung an die Kirche vorausgesetzt - die Entstehungszeit
der Zehnt oder Vogtei vor das Jahr 1122 zu legen. In diesem Jahr wurde durch das
Wormser Konkordat (Investiturstreit) die Überlassung von kirchlichen Zehnten an
Laien verboten.
Forscher, die in dem Ort "Sichelingeslinden", der 801 in einer Urkunde des
Kloster Lorsch genannt wird, unser Lindes sehen, gehen wahrscheinlich fehl.
Friedrich Wilhelm Weitershaus schreibt zur
Entstehungszeit von Linnes in
seinem Buch "Klein-Linden - Geschichte und Gemarkung" auf Seite 21:
Aufgrund des sprachgeschichtlichen Vergleichs mit anderen Orten gleicher
Namenform läßt sich zusammenfassend sagen, daß Lindehe/Lindes als "Waldsiedlung
in einem Lindenstück" zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert entstanden sein kann -
im lichten Mischwald aus vorwiegend Eichen und Hainbuchen zwischen dem Rand der
Lahnaue und dem Lückebach bzw. Kleebach.
Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts können wir über
unseren Heimatort nur aus den noch erhaltenen Urkunden etwas erfahren;
meistens ist hier aber nur durch direkte und indirekte Nennung dokumentiert, daß
unser Ort existiert hat.
Mit Beginn des 17. Jahrhunderts erfahren wir aus verschiedenen Quellen (siehe
unten) etwas mehr. Für Linnes kommen ab ca. 1650 die Kirchenbücher und das
"Protocollum Vigelii" als weitere Quellen hinzu.
Die älteste
bisher bekannte Urkunde, in der Linnes erwähnt wird, trägt das Datum
1269
Dez. 13.
Die
Abschrift findet sich im Wetzlarer Urkundenbuch, Nr.
90, unter der (falschen) Überschrift:
Verpachtung von Stiftsgut zu Selters an Konrad von
Linden.
Der Text
lautet in der Abschrift des Wetzlarer Urkundenbuches:
Gysilberhtus
decanus totumpue capitulum ecclesie Wetflariensis.
Tenore presentium recognoscimus et constare cupimus
universis, quod pari consensu et unanimi voluntate predium nostrum apud
Seltersse situatum cum curia eidem pertinente, quod hucusque Conradus filius Lye
de Seltersse iure colonario possedit et nobis de ipso quatuor solidos
Colonienses et duos leves denarios in Epyphania domini singulis annis solvit,
duos pullos, solidum levem pro ove et IIII denarios leves pro piscibus, ad
liberam resignationem euisdem Conradi Lye videlicet Conrado civi in Gyzen dicto de Lindehe eodem iure colonario
locavimus pro memorato censu nobis annis singulis persolvendo. Postquam autem
idem Conradus de Lindehe viam
universe carnis ingressus fuerit, recipiemus in bonis eisdem prout est
consuetudinarium optimale et heredes sui nichil causabuntur super predio
antedicto, sed ad nostram ecclesiam libere et sine contradictione quorumlibet
revertetur. Astringit etiam se idem Conradus, quod bona eadem nimini locabit,
sed propriis equis colet, alioquin sibi facta locatio irritatur. Ut autem hec
robur obtineant firmitatis, presentibus nostre ecclesie sigillum una cum sigillo
universitatis in Gyzen duximus appenendum.
Actum Wetflarie in die beate Lucie virginis anno domini
MCCLXIX.
Wi. Abt. 90 Nr. 263. Ausf. Perg. Von
den 2 abh. Siegeln das der Stadt Gießen erh. (besch.) Rückvermerk (14./15.
JH.) dominorum tantum.
a) So Original.
1269, 13. Dezember:
Conradus filius Lye de Seltersse ... Conradi Lye videlicet Conrado civi in Gyzen
dicto de Lindehe eodem ... Conradus de Lindehe ...
(Wetzlarer UB II, Nr. 90; die Überschrift der Urkunde "Verpachtung von Stiftsgut
zu Selters an Konrad von Linden" ist falsch wiedergegeben, die Registerangabe
richtig).
[Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S.
26.]
Bedeutung der Urkunde nach Rudolf Weigel,
Seite 4:
Damals verpachtet "Gyselberthus decanus totumque capitulum ecclesie Wetflariensis (=
der Vorgesetzte des ganzen Wetzlarer Kapitels) Stiftsgut, das bei
Selters gelegen ist, mit dem Kuriengebäude an Conrado civi (Bürger) in Gyzen
dicto [genannt] de "Lindehe". Das Gut hat vorher Konrad, der Sohn des "Lye"
(Frau?), von Selters besessen. "Conrado de Lindehe" übernimmt es mit denselben
Verpflichtungen und muß nach kölnischem Recht 4 solidos kölnisches Geld und 2
leichte Denare in der Epiphaniaszeit jährlich abgeben. Dazu kommen noch 2
Hühner, 1 leichter solidos für ein Ei und 4 leichte Golddenare für Fische (zum
freien Verzicht des Konrad von Selters). Konrad von Lindehe darf die Güter
keinem anderen überlassen, sondern muß sie durch eigene Pferde bebauen. Er
wird sich im übrigen durch eine gemachte Verpflichtung oder Verpachtung nicht
irren lassen (??). Nach seinem Tod fällt das genannte Stiftsgut frei und ohne
Bindung an die Kirche in Wetzlar zurück.
Siegler: Die Stadt Gießen und die Kirche zu Wetzlar.
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Es folgen
einige Zitate aus weiteren Urkunden, in denen Linnes
oder Personen aus Linnes
genannt. werden. Personen, die den Zusatz de
Lindehe (oder ähnlich) im Namen
führten, müssen aber nicht mehr unbedingt in Linnes gelebt haben.
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1276 (11. April)
[Urkundenbuch Arnsburg, Nr. 152.]
Nos: Hermannus et Wintherus, filii
Hermanni militis de Vroidesbrath -- nouerint -- quod nos iam dicti fratres,
deliberacione prehabita, communicatis manibus paripue consensu, omni iuri, omni
actioni et impetitioni, quam habuimus uel habere poteramus aduersus abbatem et
conuentum in Arnspurg, tam super bonis in villa Rockenberg sitis, que apud
dominum Fridericum de Marpurg beate memorie hactenus comparauerunt, quam super
bonis aliis in quocunque loco sitis, seu eciam rebus quibuscunque, mobilibus uel
immobilibus, renunciauimus pure et simpliciter propter deum.
Testes:
Adolfus de Huchelnhem. Hedenricus de Elkerhusen. Gernandus de Sualebach.
Waltherus Slune. Eckehardus et Synandus fratres. Gernandus filius Ger. de
Sualebach. Gilebertus Boppo. Cvnradus de Kincenbach, milites. Herbordus de
Garwartheich. Gerlacus pistor. Herbordus
de Lindehe. Gerlacus Dragevleisch, scabini. Meingotus caupo. Conradus
de Lindehe et a. q. pl.
Act.
a. d. M.CC.LXXVI. iii idus aprilis, iuxta capellam in Gizen.
Vt autem huius rei ueritas rata et inconuulsa permaneat, presentem litteram
ciuitatis in Gizen, Adolfi de Huchelnheim, Walteri
dicti Slune et Synandi de Buchesecke, militum predictorum, sigillis eidem abbati
in Arnspurg et conuenti suo dedimus roboratum.
(Die Siegel hängen an blau, weiß
und rothen Schnüren und sind wohl erhalten. Das dreieckige Siegel Adolf´s zeigt
oben einen sogenannten Rechen und unten ein der Spitze des Schildes eine Lilie,
mit der Umschrift: SIGILLVM. ADOLFI. DE. HVCHELHEIM. Das dreieckige Siegel
Walters zeigt drei Lindenblätter und führt die Umschrift: S. ..LTHERI. SLVNE.
Das zirkelrunde Siegel Sinands hat das Buseck´sche Wappen, mit der Umschrift:
S.´ SINANDI. DE. BVCKESECO.)
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1280
Der Erzbischof von Mainz belagert Gießen, wobei Heuchelheim stark zu leiden hat.
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims - Zusammengestellt von Otto Henkelmann
II. in "Heuchelheim in Wort und Bild", 1961, S. 142-144.]
Es ist nicht bekannt, ob auch unser Linnes hier betroffen war.
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1280, 25 Juli
Landgraf Heinrich der I. zu Hessen schenkt dem Kloster Arnsburg 1 mansus in
minori villa dicta Lindes .....
(StA Da, Urk. Oberhessen; Baur, Arnsburger UB, Anhang Nr. 100; Scriba, Reg. Nr.
720).
[Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S.
26.]
1280, 25.
Juli
Der Landgraf Heinrich der I. schenkt dem Kloster Arnsburg "einen mansos in
minori villa dicta Lindes". Dieser Schenkung geht eine Verzichtleistung des
Ritters Gottfried von Linden, Burgmann in Gießen, voraus. Als Entschädigung
erhält er Wiesen zu Steinberg oder Zahlbach zu Lehen. Zugleich bekommt Gernand
von Schwalbach einen Hof zu Croppach.
[Rudolf Weigel; Seite 9. Quellenangabe: Scriba, H. E. - Regesten der bis jetzt
gedruckten Urkunden zur Landes- und Ortsgeschichte des Großherzogtums Hessen,
Darmstadt 1847-1854, Nr. 720.]
Bei der
Schenkung des Landgrafen Heinrich I. an das Kloster Arnsburg (siehe dort) werden
als Zeugen genannt: Johannes Dominus Merlowe, Eckehardus de Buchesecke (Burgmann
in Gießen), Richolfus de Kinzenbach und Johannes de Buchesecke, milites.
Wilhelm, filius adolfi de Huchelnheim und Konrad Heinrich domino de Saasen,
scabinis Grunebergensis.
Die Frage, wer zu dieser Zeit den Zehnten in Lindes besessen hat, kann nur
gestellt werden.
Gottfried von Linden verzichtet auf Rechte in Lindes. Er ist
der Bruder Macharius III. von Linden, der 1275 die Hälfte des Gerichts
"Inmehabe"
verkauft hat.
Dem Merlauer gehören damals die Zehnten in Selters,
Megersheim und Allendorf.
Hat es eine Bedeutung, wenn Johannes von Buseck als letzter
von den "milites"-Zeugen genannt wird?
[Rudolf Weigel; Seite 11.]
Bei Scriba, siehe obige Quelle,
lautet der Text:
1280, Juli, 25.
Landgr. Heinrich I. zu Hessen schenkt dem Kl. Arnsburg 1 Mans. in Minori
villa, dicta Lindes, (Kleinlinden, Schmidt, Gesch. d. Grossh. Hess. I, 239.
§. 23. Lützellinden. Abicht, Wetzlar II, 54.) nach erfolgter Resignation des
Rit. Gottfried v. Linden darauf, welcher zur Entschädigung dafür Wiesen zu
Steynberg als Lehen empfängt, wobei er zugleich auch weiter dem R. Gernand v.
Schwalbach einen Hof zu Croppach verleiht.
D. in die bti. Jacobi ap.
Guden. C. D. III, 1159. N. C. Dipl. 697.
_______________________________________________________________________________________________________________________________
1285 märz 7.
[Wyss 3, Nr. 1370.]
Die
kanoniker zu Schiffenberg verpachten den brüdern Wilher und Ludwig von Kroppach
eine hube daselbst.
1285 märz 7.
Noverint universi presentium inspectores, quod nos ..
prepositus et conventus canonicorum regularium in Schiffenburg, sana
deliberatione prehabita, de communi consilio et consensu nostro concessimus et
concedimus per presentes Wilhero et Ludewico fratribus de Cruppach nostrum et
ecclesie nostre mansum apud Cruppach situm cum omnibus pertinentiis et iuribus
suis iure colonario quamdiu vixerint possdendum. De quo nobis ......
.............. Testes huius rei deputati sunt:
dominus Walterus canonicus ecclesie Wetflariensis, Gernandus iunior et
Eckehardus frater suus milites de Gyzen; item Gotsalcus de Wilrispach, Gerlacus
dictus Dragefleis et Conradus de Lindehe,
scabini ibidem; item Heinricus dictus Grennich et Heinricus dictus
Schurweder, cives Wetflarienses.
Datum
anno domini m°.cc°.lxxxiiii°, nonas martii.
[Warum ist im Titel dann "1285" angegeben?]
Aus orig.-perg. in Marburg (deutscho.). Von den
beiden Siegeln hängt nur noch ein stück des ersten an.
______________________________________________________________________________________________________________________________
1285 (7. März.)
[Urkundenbuch Arnsburg, Nr. 1225.]
Notum sit -
quod ego Arnoldus cognomento Kalp omnia bona sita in Langengunse,
videlicit quator mansos et vnam curiam, cum omnibus eorum pertinenciis et
juribus, quo hactenus possedi nomine et concessione ecclesie in Arnesburg,
.............
Testes:
Eckehardus de Bugesecke et Ruzere, fratres. Burchardus et Giselbertus, fratres
cognomento Vituli. Ludewicus dictus Schurensloz villicus in Gyzen. Gerlacus
dictus Tragefleisch. Cunradus de Lindehe et
Godescalcus, scabini ibidem et a. q. pl.
Facta
est autem hec resignatio in Gyzen, in cimiterio penes capellam.
Dat.
a. d. M.CC.LXXXV, nonas martii.
(Gesiegelt hat die Stadt Giessen. Das Siegel hängt unverseht an.)
_______________________________________________________________________________________________________________________________
1287
(26. Febr.)
[Urkundenbuch Arnsburg, Nr. 210.]
Quum omnes actus hominum
- hinc est, quod nos
Philippus et Godefridus fratres dicti de Lynden, milites, et Godefridus, filius
meus, notum esse cupimus - nos mansum nostrum situm in Selterse, talem, quem
habebat a nobis siue possederat Wickardus quondam dictus de Selterse bone
memorie, quem Adelheidis, sua relicta, a nobis pro xii marcis vsualis monete
comparuit, predictum mansum prefate Adelheidi et Henrico filio suo temporibus
vite sue vnanimi consensu dimmittimus possidendum. De ..............
Testes:
Emberko miles dictus de Wolfskele. Cunradus de Kunzenbach. Richolfus de
Kunzenbach, fratres castrenses. Conradus
dictus de Lyndes. Lodewicus pistor. Gerlacus pistor. Heckardus sutor.
Gerlacus Dragefleith et a. q. pl.
Dat.
in Gyzen, a. d. M.CC.LXXXVII. iiii kal. marcii, fer. sec. prox. a. fest.
cathedre s. Petri apost.
(Die Siegel der Stadt Gießen und Philipps von Linden
hängen an Pergamentstreifen unverseht an. Das dreieckige verzierte Siegel
des Letzteren führt die Umschrift: S.´ PHILIPPI. DE.
LINDEN.)
_______________________________________________________________________________________________________________________________
1291
(19. Mai.)
[Urkundenbuch Arnsburg, Nr. 236.]
Ego Wernerus miles de Lutzelenlinden et Isengardis, vxor
mea - notum facimus - quod pari uoto et consensu mutuo uendidimus uero
proprietatis tytulo bona nostra omnino propria in terminis ville Langengunsen
sita, in omni iure ac libertate, qua ea hactenus possedimus, venerabilibus in
Christo nobis dilectis domino abbati et conuentui monestarii de Arnesburg, cist.
ord., mogunt diocesis, ................
Testes:
Gernandus de Sualebach et Gernandus filius ejus. Eckehardus et Synandus fratres
de Bugesecken. Henricus Amung. Cuno Halbir. Eberhardus de Huchelnheim et
Hermannus Lesche, testes et fideiussores premissorum. Cunradus de Lindes. Gerlacus cognomento Tragefleis. Gerlacus dictus
Suerzel et a. q. pl.
Act.
et dat. M.CC.XCI. in die Potentiane.
(Gesiegelt hat die Stadt Gießen, deren Siegel wenig
beschädigt an Pergamentstreifen anhängt.)
Orig.
_______________________________________________________________________________________________________________________________
1291 (8. Aug.)
[Urkundenbuch Arnsburg, Nr. 237.]
Nos Heinricus et Cunradus fratres cognomento Glumpe
- recognosciumus
- quod dabimus venerabilibus
et religiosis viris domino abbati et conuentui monasterii de Arnesburg, ratione
bonorum in Lyndee nobis ab eisdem
concessorum, duo maldra siliginis et sex mestas mensure wetflariensis, in eodem
opido circa festum beati Mychaelis annis singulis presentanda. Item septem
solidos leuium et sex denarios currentis et legalis monete in Epyphania domini
in ipso claustro assignandos. Quod si facere neglexerimus utrumque, sicut est
premissum, ex tunc liberam facultatem habebunt, ipsa bona a nobis requirendi, et
suis usibus usurpandi, sicut mos est curie, in quam attitent bona memorata, et
nos promisimus et tractatum fuit uor den husgenozen.
Testes:
Eckehardus et Synandus fratres de Bugesecken. Gyselbertus Poppo. Wernerus de
Linden, milites. Cunradus de Lyndee. Siffridus
Gramuz. Heinricus Opperkuche et a. q. pl.
Act.
et dat. a. d. M.CC.XCI. in die b. Cyriaci.
(Gesiegelt hat die Stadt Gießen. Das Siegel
hängt beschädigt an einem Pergamentstreifen an.)
Orig.
_______________________________________________________________________________________________________________________________
1293 (9. Juni.)
[Urkundenbuch Arnsburg, Nr. 252.]
Notum sit -
quod ego Sifridus, filius quondam Wernheri milites de Hattenrod, et
Alheydis, vxor mea, pari consensu, vnanimi voluntate, nec non et communicatis
manibus, vendidimus honorabilibus viris domino abbati et conuentui monasterii de
Arnesburg, nec non et eorum successoribus, nomine sui monestarii duas curias,
sitas in predicta villa Hattenrode, cum ...........
Testes:
Dominus Didericus plebanus in Gyzen. Eberhardus de Huchelinheym. Richolphus de
Kincenbach. Giselbertus Boppo, milites. Gerlacus dictus Drefleys. Lvdewicus
pistor. Cvnradus de Lyndehe. Gerlacus
Swerce, scabini in predicta ciuitate Gyzen.
Act
et dat. in Gyzen, a. d. M.CC.XCIII. in die Primi et Feliciani mart. beator.
(Gesiegelt hat die Stadt Gießen. Das sehr beschädigte
Siegel hängt an blau leinener Schnur.)
Orig.
______________________________________________________________________________________________________________________________
1295, 23.
Juli
Diese Urkunde spricht von
"Cuno miles de Gyzen bona in Lindehe". Sie ist gesiegelt von der
Stadt Wetzlar und trägt die Aufschrift: ... Conradi de Lindehe.
[Rudolf Weigel; Seite 8. Quellenangabe: Baur, Ludwig - Urkunden d. Kl. Arnsburg,
Nr. 1225.] [Nr. 1225 ist datiert "1285 (7. März)" siehe oben; nach Weitershaus
muß es Nr. 1227 sein.] [Nr 1227 lautet.]
1295 (23. Juli)
Ego Hartradus dominus de Merinberg notum facio - quod Cuno miles de Gyzen bona
in Lyndehe et alibi, de quibus Albertus de Lundorf ipsum impetit, a me
tenet in feodo, et quod eadem bona a me et a meis praedecessoribus juste
proveniunt et descendunt.*)
Dat. Wetflariae, a. d. M.CC.XCV, in crast. b. Mariae Magdalenae.
(Vid. der Burgmänner in Calsmunt v. J. 1321.)
*) Aufschrift: per hanc literam removetur impetito Gele Volzin de Gruninberg,
filie Alberti de Lundorf, nurus Conradi de Lyndehe.
1295, 23. Juli
In der Wetzlarer Urkunde macht "Hartradus dominus de Merinberg" bekannt, daß
"Cuno miles (Ritter) de Gyzen" begütert in Lyndehe und anderswo, von
"Albertus de Lundorf" zuweilen bedrängt wird. Dies geschieht jedoch zu Unrecht,
da Cuno die Güter von Hartrad und dessen direkten Vorgängern erhalten hat.
Die Urkunde trägt die Aufschrift: Zurückweisung der Forderung der "Gele Volzin
de Gruninberg, filis (Tochter) Alberti de Lundorf, nurus (Schwiegertochter)
Conradi de Lyndehe.
[Rudolf Weigel; Seite 12. Quellenangabe: 38: Wiese, E. - Urk. d. St. Wetzlar,
Bd. I., Nr. 822.][Unter der Quellenangabe nicht gefunden.]
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1298,
Conrad Munzer, Bürger zu Wetzlar, überweist seinen drei Töchtern, Nonnen auf
dem Schiffenberg, und nach ihrem Tode dem Kloster einen Zins. Dabei wird von dem
"Lindes Velde" gesprochen: "in molendino quod dicitor zume Lo pretum quod
dicitor de prede Wiese, duo prata, que dicuntur in dem Vorste, cum prato, quod
dicitur in deme Lindes Velde".
[Rudolf Weigel, Seite 4; Quellenangabe: Hepding, G. - Zur
Ortsgeschichte von Großen-Linden - MOV, Jgg. 1903, Band 12.]
[Dort findet sich auf Seite 71:]
1298 Juli 12 überweist Conrad Munzer, Bürger zu Wetzlar, seinen
Töchtern Christine, Hedwig und Gertrud, Nonnen zu Sch.[Schiffenberg], und
nach ihrem Tode ihrem Kloster alle Güter zu Linden und in Lützellinden, sowie
einen Zins (pensionem) in molendino, quod dicitur zûme Lo, pratum quod dicitur
die preede wiese, duo prata, que dicuntur in deme Vorste, cum prato, quod
dicitur in deme Lindes velde 68).
68) W. III Nr. 1387 und B. I 224 Nr. 308.
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1300, 18.
Februar
Das Kloster Altenberg überweist der Stadt Wetzlar einige Zinsen, wogegen die
aufgezählten Güter des Klosters steuerfrei bleiben sollen. Unter den Zinsen
befindet sich der "domo (Haus) Hildegardi de Linde(s), site in der Loingassen
(zu Wetzlar), 18 solidos coloniensium".
[Rudolf Weigel, Seite 4; Quellenangabe: Wiese Ernst - Urkundenbuch der
Stadt Wetzlar, Bd. I - Veröffentlichungen d. Hist. Kommission für Hessen und
Waldeck, 1911, Nr. 464.]
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1300 märz 28. [Urkundenbuch der Stadt Wetzlar, Bd. 1; ed. Ernst Wiese, Marburg, 1911; Nr. 466.]
Die Wetzlarer bürger Werner und Sanne, eheleute, dotieren einen von ihnen gegründeten altar in der Wetzlarer stiftskirche. Besiegelt von stift und stadt Wetzlar.
Noverint universi, ad quorum noticiam, quod
nos Wernherus et Sanna conjuges, civis Wetflarienses, ....
....... de quadam domo sita in Gizen, quam nunc
Lodewicus, opidanus in Gizen, dictus der Murere et Gerdrudis, uxor ejus,
inhabitant, nomine annui census, pro quo titulo subpignoris seu ypothece, quod
vulgariter underpant dicitur, duo agri, unus situs in der Auwe, alter apud
villam, que Lindee dicitur, sunt
firmiter obligati; item de omnibus nostris bonis apud Lindee sitis octo maldra siliginis, duo anseres et duo pulli annis
singulis persolventur; ........
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1301 mai 23. [Wetzlarer Urkundenbuch, Nr. 495.]
Die Wetzlarer bürger
Bertholdus de Lindees
dictus Nopelere
und seine ehefrau
Elizabet
verkaufen den kanonikern und nonnen zu Schiffenberg die erbleiherechte an deren
gütern zu Kleinlinden.
Presentibus ..... domino Theoderico, scolastico Wetflariensis ecclesie,
Heinemanno, filio quondam Gerberti, Rulone Reyge, scabinis, Conrado dicto
Munzere, Gerlaco dicto Cimmerman, civibus Wetflariensibus, et aliis quampluribus
fidedignis, ad hoc specaliter pro testibus requisitis et rogatis.
Siegler: die stadt Wetzlar, - 1301 mai 23.
Darmstadt, Kleinlinden, ausgef. perg. Rest des
siegels hängt an (1).
Marburg, abschrift des Marburger kopialbuchs in Wien nr. 601 (2).
Marburg, fragment eines Schiffenberg kopiars p. 37 (unvollständig) (3).
Wyß III, 366 nr. 1391 nach 2.
Die Urkunde
ist bei Wyss 3 unter der Nr. 1391 in einer Originalabschrift zu finden. Die
zusammenfassende Überschrift des Verfassers lautet:
Berthold Nopeler von Lindes bürger zu Wetzlar verkauft den kanonikern
und nonnen zu Schiffenberg seine erbleiherechte an deren gütern zu Lindes
(jetzt Kleinlinden).
Auszüge aus der Urkunde:
Omnibus ac singulis presentium litterarum perceptoribus innotescat, quod ego Bertholdus de Lindees dictus Nopeler civis Wetflariensis communicata manu Elisabeth uxoris mee legitime vendidi, dedi, ....
... omnia bona mea sita in villa Lindees tam in villa quam extra in pratis, campis, pascuis, nemoribus, cultis et incultis vel quocunque nomine censeantur, ..........
Actum
et datum anno domini m.ccc.i., feria tertia post festum pentecostes.
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1302 märz 26. [Wetzlarer Urkundenbuch, Nr. 519.]
Amilius,
armiger de Gizen,
und seine ehefrau
Jutta
verkaufen ihre güter zu Ebersgöns, die ihnen bisher quatuor
solidos coloniensium, maldrum caseorum de valore trium solidorum et sex
denariorum coloniensium, duas metretas olei, quatuor anseres, totidem pullos et
duos cappones carnisprivialis
zu Bartholomäi (August 24.) zinsten, gegen elf mark kölnische pfennige an die Wetzlarer bürger
Wernhero
und dessen ehefrau Sanne,
welche
diese einkünfte ad luminaria altaris in
honorem sancti Johannis baptiste per nos in ecclesia Wetflariensi de novo
constructi schenken neben allen ihren gütern zu Giessen und bei Kleinlinden
(Lindee).
Vor den
Wetzlarer schöffen Hartrado Blidone, Heinrico[!] filio advocati, Hermanno
Felice et Conrado de Kazzinvort, u. a.
Siegler:
das stift und die bürger von Wetzlar. - 1302 märz 26
(7. kal. april.).
Wetzlar, staatsarchiv, Allmenrödersche sammlung,
ausfert. perg. Das erste siegel hängt beschädigt an, das zweite fehlt.
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1304 wird eine
Kapelle in Lindes erwähnt:
Otto I. räumte 1304 dem Prämonstratenserinnenkloster Altenberg bei Wetzlar
das Vorschlagsrecht [für die Besetzung der Pfarrei Heuchelheim] ein. Die
damaligen Pfarrer mußten auch in den Kapellen zu Kinzenbach, Lindes,
Allendorf, Atzbach und Launspach Messe lesen.
[Die Pfarrgemeinde Heuchelheim von Pfarrer Dr. W. E. Zwingel,
Heuchelheim, in Heimatbuch für das evangelische Dekanat Giessen 1954.
Leider fehlt eine Quellenangabe; vmtl. nach Urkunden des Klosters Altenberg.]
[In dem 2000 von Dr. Albert Hardt
veröffentlichten Urkundenbuch der Klöster Altenberg (Lahn-Dill-Kreis)
Dorlar (Lahn-Dill-Kreis) Retters (Main-Taunus Kreis) erscheint diese
Urkunde nicht. Bei einem längeren Telefonat konnte sich der Autor nicht
vorstellen, wo die Urkunde sein könnte.]
Eine wesentlich
stärkere Anbindung von Linnes an Heuchelheim als an Großen-Linden, wo unser Ort
später durch einen "Privatvertrag" kirchlich angebunden war, läßt sich
familiengeschichtlich noch sehr lange belegen. Nach 1652, Beginn der
Kirchenbucheinträge, kommen noch lange viele alte Linneser Familien aus
Heuchelheim. Die Familien Weller, Neidel, Germer, Volkmann u. a. kommen alle von
Heuchelheim nach Linnes. Die Eckhardt, Harger u. a. leben schon länger in
beiden Orten.
Aus Großen-Linden stammt im 17. Jahrhundert nachweislich nur der Kirchensenior
Velten Wagner, dessen einziger bekannter männlicher Nachkomme aber aus Linnes
wegzog oder früh verstarb. Daß der Hofmann Cloß Weigel aus Großen-Linden stammt,
wie vielfach vermutet wurde, kann bisher nicht belegt werden; ist sogar nach den
bisher bekannten Akten eher unwahrscheinlich.
Erst im 19. Jahrhundert kamen z. B. die Bernhardt und Faber von Großen-Linden
nach Linnes.
Von Linnes aus nach Heuchelheim gingen Lenz und und viele Töchter der Familie
Jung u. a. .
Von Linnes nach Großen-Linden gingen z. B. die Maurerfamilie Größer.
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1317 oktober. [Wetzlarer Urkundenbuch, Nr. 913.]
Happlo dictus Spiesheymer und Alheydis, eheleute, bürger zu Giessen, verkaufen Mechthildi, witwe Conradi dicti Schuffegerne de Gießen, ein malter korn wetzlarer mass jahreszins, lieferbar nach Wetzlar zwischen Mariä himmelfahrt (August 15.) und geburt (September 8.); nach deren tode fällt der zins an dechant, kanoniker und vikare der Wetzlarer kirche zu der käuferin und ihres † ehegatten anniversar. Der zins ist fällig aus einer halben hufe, genannt zu dem Keczilringe zu Kleinlinden (Lindes) und allen dazu gehörigen gütern. Die Güter zinsen Gude, relicte quondam Richolffi, filii Heynemanni Gerberti, scabini Wetflariensis, sechs metretas korn, 21 kölnische pfennige und ein fastnachtshuhn. Die aussteller bescheinigen den empfang der kaufsumme von sechs mark weniger einen ferto pfennige.1320, 10. August
1329, 29. Juni: Hartmann gen. Stukir von minori Linden (Lützellinden) verkauft ... Gefälle von Gütern zu Bulgesheim apud villam minus Linden (Klein-Linden) (Baur, Hess. UB II. Nr. 606, S. 394). [Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S. 26.]
Bei "Scriba, H. E. - Regesten der bis jetzt gedruckten
Urkunden zur Landes- und Ortsgeschichte des Großherzogtums Hessen, Darmstadt
1847-1854, Nr. 4021" findet sich zu dieser Urkunde:
1329, Juni, 29.
*Hartmann gen. Stukir v. minori Linden, verkauft mit Zustimmung seiner Frau
Hadewig der Gertrud, Tochter weil. Hartmuds in maj. Linden, benannte Gefälle von
Gütern zu Bulgesheim apud villam minus Linden.
D. in die b. Petri et Pauli apost.
-- Ibid. II, 394. Nr. 606.
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Scriba, H. E. - Regesten der bis jetzt gedruckten Urkunden zur Landes- und Ortsgeschichte des Großherzogtums Hessen, Darmstadt 1847-1854, Nr. 4061. [Im Ortsregister wird auch diese Urkunde unter "Kleinlinden" angegeben:]
1333, Aug., 9.
*Eckhard miles de Lynden u. Osterlindis conjuges bekennen mit Erlaubniss des
Abtes u. Conventes zu Arnsburg ihre Güter zu minori Lynden, welche Gerwin Snabil
baut, verkauft, die von solchen aber an das Kloster zu leistende Rente auf einen
halben Mansus daselbst übertragen zu haben.
D. in vig. b. Laurentii mart.
-- Ibid. II, 415. Nr. 647.
[Nach der Zuordnung im
Ortsregister scheint Scriba unter "minori Lynden" Klein-Linden zu verstehen,
während Weitershaus "minus Linden" mit Klein-Linden und "minori Linden" mit
Lützellinden gleichsetzt; siehe 29.06.1329.]
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1333 Aug. 24. [Wetzlarer Urkundenbuch, Nr. 408.]
Castrenses, scabini totaque universitas opidi Gyszen beurkunden, daß Happelo dictus Spyezheimere, Syfridus, Iohannes et Isendrudis sui liberi vor ihnen die Güter auf den Gemarkungen Gießen und Lyndehe cum duabus curiis in villa Seltyrse, die sie bisher vom Stift Wetzlar iure colonario für eine Rente besaßen, cum omnibus et singulis melioracionibus ac structuris, si que sunt vel essent, dem Stift zurückgegeben haben.
Zeugen: die
Gießener Schöffen Crafto de Rudenhusen und
Eckardus Dreflez u. a.
Mitte 14. Jahrhundert.
[Wetzlarer Urkundenbuch, Nr. 533. 3 einseitig beschriebene Pergamentstreifen mit untereinander geschriebenen Angaben von Örtlichkeiten in und um Wetzlar, auch einige Urkundentitel, vielleicht die Urkundenanordnung in einem Kopialbuch. - Blatt 3:]
... Garbinheym. Bybelingeshusin. decima Steinboel. Rethinbach. Mittelnrethinbach. Swalbach. Nydernwetfe. Volkenkirchin. Wydenhusen. Dorlar. Nydern Cleen. Obern Clen. Quenenbach. Rycholfeskirchen. Lunen. Buren. Lundorff. Steyndorff. Aslor. Oberndorff. Lyndes. Gießen. Kynczinbach. Erde. Lempe. Dyffenbach. Langengunsse. Hulczhusen. Dorrenhulczhusen. Kyrchgunsse. Eberhartisguns. Morle. Grydelbach. Bysschofkirchen. Dudenhoben. Aldendorff. Mulenheym. Luczelynden. Adesbach. Hirlsheym. ....
1353, 1.
Mai
Ein Konrad Crebeyz und
seine Ehefrau Hedwig bestätigen, daß sie für von den Jungfrauen zu Schiffenberg
geliehene 6 Morgen Wiesen und Land zu dem Lindehis jährlich 10 Mesten =
250 Pfund, 22 Pfennige und ein Fastnachtshuhn zu zahlen haben.
Die Zeugen sind: Gerhard von Kinzenbach (er ist 1311 Burgmann zu Gießen und Sohn
des 1335 verst. Johannes v. Kinzenbach), Heinrich Ingus, Bürger und Schöffe zu
Gießen, Gerten und Henrich Burgennere und Hermann von Lindehes.
[Rudolf Weigel; Seite 10. Quellenangabe: 31: Lindenstruth, W. - Der Streit
um das Busecker Tal, II. Teil, S. 152; MOV, Jgg. 1911, Bd. 19.] [Die
Quellenzuordnung ist hier durcheinander geraten.]
Die Urkunde findet sich bei
"Baur, Hess. Urkunden, I. Band, Seite 597; Nr. 881":
1353 (7. Mai). Ich Conrat Crebeyz von dem Lyndehes vnd Hedwig
min eliche husfraw irkennen vns, daz wir han vi. morgen wyssin vnd landis zu
dem Lindehis von den Juncfrawin zu Schiffinburg, da wir en alle iar abe gebin
sullin zu pache x. mestin kornis vnd xxii. pennige vnd i. fasnachun. ----
Zeugen: Gerharte von Kinzinbach, Henriche Inqus Burgman vnd scheffin zu Gyzin,
Herten vnd Henrich Bungennere vnd Herman von Lindehes.
Dat. a. d. M.CCC.LIII, in vig. ascens. dom.
(Das Siegel der Stadt Gießen hängt zerbrochen an.)
Orig.
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1353, 7. Mai: Die Nonnen des Klosters Cella zu Schiffenberg verpachten 6 Morgen wyssin und landis zu dem Lindehis ... an Conrat Crebeyz von dem Lyndehes und Hedwig, seine Frau. Unter den Zeugen: Gerhart von Kinzenbach, Herman von Lindehes (Baur, Hess. UB I, Nr. 881, S. 597). [Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S. 26.]
1356 aug. 22. [Wyss 3, Nr. 934.]
Kunt sy, daz ich Henrich genant Lyntgart von Aldendorf und Hette myn eheliche husfraue, vor wylen Henriches genant Fylien dochter, burgere zun Gyßen, han gegebin deme conmenthure, den brudern und deme convente gemeynlichen des Dutschen ordenes des huses zu Schiffenburg dry pennynge geldis lychtir pennynge jerlicher gulde und zynses, dy yn alle jar gevylen von eyme stucke landes gelegen by den guden luden by deme dorfe zu Lyndez, und han wir dy dry pennynge geldis von deme vorgenanten stucke landes geschlagen und gewyset of unse hus und hobestad, dy wir itzut besitzen und bewonen, gelegin innewendig der ryngmure der stad zun Gyßen by schaffen Erwynes hobe. Und sollen wir dy egenanten gulde alle jar of sancte Martines dag des heylgen bischobes gebin und andelaugen von deme huse und hobestat in allir der maße, als wir sy vor von dem lande gabin, und in allir wyse, als man pennynge gulde schuldig ist zu gebene. Zu orkunde han wir gebedin dy ersamen lude dy burgmanne und dy scheffen gemeynlichen der stad zun Gyßen, dz sy ir gemeyn ingesegele obir uns an dissen bryb hant gehangen. Hy by synt gewest disse ersamen lude: her Craft, her Senand von Rodinhusen, rittere; Dythart, Kunkele, scheffene zun Gyßen.
Datum
anno domini m°.ccc°.l°.vi°., feria secunda proxima ante festum beati
Bartholomei apostoli.
Hermann von Buseck gen. Stammheim erhält noch am
25. Februar 1360 von dem Vikar des Johannesaltars der Stiftskirche zu
Wetzlar zu Landsiedelrecht "allez daz gut zu deme Lyndes by den Gyßen
gelegen, es sy in dorfe, in holze, in felde, in waßer, an weyde, wy man daz
genene mag oder wo iz gelegen ist mit alle deyle nutze und mit alle rechte als
der vorgenannte Sancte Johannes altar alda hat und yme zugehoret binne Ses (6)
malder korngelds und eyn malder habirn geldes guder frucht wetzflar maßes ...."
(49) [Klein-Linden - Geschichte und Germerkung von Friedrich Wilhelm
Weitershaus; S. 24; Quellenangabe: 49: HStA Wiesbaden, Abtl. 90 Nr. 377;
abgedruckt Wetzlarer UB. III, Nr. 119, mit falscher Lesung "zu deme Lynden",
im Original richtig zu deme Lyndez!]
1360, 25. Februar: Hermann von Buseck gen. von Stammheim erhält das Gut zu deme Lyndez by den Gyzzen zu Landsiedelrecht verliehen; neben dem Aussteller, die Stadt Gießen, ist auch Gerhard von Kinzenbach genannt, dessen Familie das Gut später übernimmt (HStA Wi 90, Nr. 377; Wetzlarer UB III, Nr. 119, dort verlesen (Großen-)Linden statt Lindez; richtig bei Müller, Althess. Ämter Kr. Gi, S. 73, N.8)
1370, 6. März: Der Zehnte in Lyndes an Burkhard von Buseck als landgräfliches Lehen (StA Mbg Kl, Nr. 157/2)
1414, 15. Juni: Gerhard von Kinzenbach erhält als Mannlehen von Lg. Ludwig den Sas und das Gadem zu Lindes mit allen zugehörigen Gütern und den 20 Morgen in der Linder Mark, wie es bereits seine Eltern inne hatten (StA Mbg K4, Nr. 101)
1414, 15. Juli: Als Mannlehen 10 Hufen Land zum Lyndes mit Zubehör an Kunz von Kinzenbach und seinen Vetter Gerhard von Kinzenbach (StA Mbg K4, Nr. 103).
1436, 14. Mai:
10 Hufen zu Lyndes als Mannlehen an die Brüder Kurt (= Konrad) und
Richard von Kinzenbach, für sich und für ihren Vetter Philipp von Kinzenbach,
Gerhards Sohn, wie sie dasselbe (von Ihren Eltern) hergebracht haben (StA Mbg
K4, Nr. 477).
[Alle Angaben zum Burggut zitiert: Klein-Linden - Geschichte und Gemarkung -
von Friedrich Wilhelm Weitershaus, Seite Seite 81/82.]
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1373 Im Kampf der Rittergesellschaften unter
Gottfried von Ziegenhain gegen den Landgrafen wird unsere Gegend stark
verwüstet.
1402 Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen brennt Heuchelheim zum
Teil nieder.
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims -
Zusammengestellt von Otto Henkelmann II. in "Heuchelheim in Wort und Bild",
1961, S. 142-144.]
Auch hier ist nicht bekannt, wie stark unser Linnes betroffen war.
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1376, um
Nach einem Art
Lehensverzeichnis besitzt damals Ritter Burkhard von Buseck von dem Landgrafen
von Hessen neben Wiesen im Wiesecker Wald, in Selters und 3 Mansin vor Gießen
auch den Zehnten zu Lindes zum Lehen: "Item decimam in
Lindes".
Es fällt auf, daß das Lehensbuch in die Zeit des Sterner Krieges 1371 weist. In
ihm haben sich eine Menge Grafen, Herren und Ritter gegen den Landgrafen
Heinrich II. und seinen Mitregenten Hermann verbündet. Die reichsunmittelbare
Ganerbschaft der Busecker hält jedoch zu den Landgrafen und bekommt dafür Lehen
und andere Vorteile. Allerdings wird in diesem Krieg, der seit 1375 von der
"alten Minne" weitergeführt wird, das gesamte Wiesecktal - die von Wieseck und
Trohe halten ebenfalls zum Landgrafen - von Johann zu Nassau-Dillenburg stark
ausgeplündert und mitgenommen.
[Rudolf Weigel; Seite 11. Hier wird die Quelle 35: "Glypergs alt buchlin"
angegeben, was aber unmöglich stimmen kann. Vmtl. Quelle 32: Lindenstruth, W. -
Der Streit um das Busecker Tal, (siehe oben), Urkunde 14 a.]
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1389: ... de bonis in Lyndis, Spiesheymer, sito in lyndes. (Präsenzenbuch/Necrologium Wetzlar 1389, S. 82, 261). [Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S. 27.]
1396
In dieser Niederschrift beansprucht die Herrschaft auf dem Gleiberg den Zehnten
"zu dem Lindes" für sich:
"Item der Zente zu dem Lindes solde, zu malle gehören uf
das slos Glyperg, he was Merenbergs Lehen und ist an die Herrschafft gefallen
afto hern Gernandt von Buseheks dode, den he pfandes stondt. und
ist afdo der Zyt alle jare glich halb genommen von eins landgreben wegen und
kommen in die burg zu den Gießen, damit unsern greben Philips
unrecht geschieht."
Gernandt von Buseck war der Bruder des vom Landgrafen belehnten Burkhard von
Buseck, der außerdem noch in der alten Burg zu Gießen eine Wohnung mit Gärten
als landgräfliches Lehen besaß.
[Bei Adolf Hepding "Zur Ortsgeschichte von
Großen-Linden" lautete die Abschrift, aus anderer Quelle:]
"Item der zende zu dem Lindes solde zu malle gehören uff
das slos Glyperg wandt he was Merenbergs lehen und ist an die herrschafft
gefallen afto hern Gernandt von Busehecks dode den he pfandes stondt und ist
afto der zyt alle jare glich halb genommen von eins lantgreben wegen und kommen
in die burg zu den Gießen, domit unsern greben Philips unrecht geschiet.
Großenlinden.
Item das dorff Großenlinden mit luden und
gerichten und gerichten mit welden und wiltfange mit kirchsatze mit allen eren
und wirden und mit allen rechten und renthen und mit allen notzen mit gebodden
und gepietten gehörit glich halb uff das slos Glyperg.
Item was forst haben zu Großenlinden jaris gefellit die gehörit
halb gein Glyperg und nun gepörren myn jonchern drittteile und dem landgrebe ein
forteil".
Nassauer Kopialbuch Nr. 45, auch II.
Jahresbericht des Ob. B. p. 67 ff.
Diese Klage erscheint in einem anderen Licht, wenn man weiß, daß der
Landgraf von Hessen wenige Jahre vor 1400 den Grafen Philipp von Nassau als
seinen "lieben Schwager" anredet. Für Schwäger ist nämlich anzunehmen, daß sie
sich so geeinigt haben, indem sie das alte Recht wiederherstellten und sich den
Zehnten in Lindes teilten. In dem Punkt 15 der Zehntgerichtsordnung [richtig
ist: "Centgerichtsordnung"] ist dies dann auch verbrieft:
"das denn die Von Küntzebach, auch von Graffen Philipsen von Naßau
zu Lehen han".
Das Salbuch des Amtes Gießen aus dem Jahr 1587 berichtet daher auch, daß das
Dorf Lindes den Wein- und Fruchzehnten je zur Hälfte an Hessen und Nassau zu
leisten hat. [Rudolf Weigel; Seite 16.]
Ausdruck HADIS im Internet:
1412: ... Item der zende zu deme Lindes solde zu malle gehoren uff das slos Glyperg (Nass. Kopialbuch, Nr. 45). [Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S. 27.]
Unter den umfangreichen Lehensverleihungen im Jahre
1414, die sich durch den Regierungsantritt des Landgrafen Ludwig im Jahre
1413 ergaben, sind einige Beurkundungen von Lindes:
Am 15. Juni 1414 verleiht Landgraf Ludwig dem Gerhard von Kinzenbach als
Mannlehen den Saß und das Gadem zu Lindes mit allen zugehörigen Gütern und den
20 Morgen in der Linder Mark, "wie es bereits seine Eltern innehatten". (StA
Marburg K 4, Nr. 101.) Das besagt, daß die Burg mit Sicherheit schon eine
weitere Generation vorher bestanden hat. Die von Kinzenbach waren seit 1287
Burgmannen in Gießen und hatten vor 1341 merenbergisches Lehen "for den Gyezen
in der auwe".
Zugleich wurden am 15. Juni[! s. o.: Juli!] 1414 10 Hufen
Land zum Lyndes (300 Morgen) als Mannlehen an Kunz von Kinzenbach und seinen
vorgenannten Vetter Gerhard verliehen. (StA Marburg K 4, Nr. 103.)
Am gleichen Tag erhielt Eckart Schlaun von Linden Geld- und Fruchteinkünfte
in Lindes. (StA Marburg K 4, Nr. 99.)
Tags darauf, am 16. Juni 1414, wurde Kurt von Bicken mit dem zweiten
"Gut zum Lyndes" an der Lahn beliehen. (StA Marburg K 4, Nr. 106.)
Am 14. Mai 1436 erhielten die Brüder Kurt und Richard von Kinzenbach
für sich und ihren Vetter Philipp von Kinzenbach, Gerhards Sohn, als Mannlehen
des hessischen Landgrafen 10 Hufen (= 300 Morgen) zu Lyndes, wie sie dasselbe
hergebracht hatten (von ihren Eltern!).
[Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S.
24.]
Streitigkeiten [von Nassau] mit Hessen um den Zehnten führten dazu, daß 1459 nur der halbe Zehnte (von Lindes) dem Johann von Breidenbach zu Lehen gegeben wurden. Gegen den Verkauf seitens der Grafen von Nassau an Johann Hermann Schenk zu Schweinsberg (46) erhob Landgraf Georg von Hessen-Darmsatdt Einspruch und behauptete, das Recht des Näherkaufs zu haben (47) [Klein-Linden - Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S. 23; Quellenangabe: 46: HStA Wiesbaden, Abtl. 150 (24. Dez. 1627) & 47: Wolfgang Müller, Die althess. Ämter im Kreise Gießen, S. 95.]
Eine Notiz vom 22. Mai 1473 veranschaulicht das
Größenverhältnis zu einigen Nachbargemeinden:
"Im Dorfe Lindes 1 Kuh und 1 Hammel, zu Wieseck (Wiske) 2 Kühe und 2
Hämmel, zu Großen-Linden 8 Kühe und 8 Hämmel, im Gericht Steinbach 4 Kühe und 4
Hämmel, die zum Essen tauglich sind, eintreiben für Heerzug und Feldlager
Landgraf Heinrichs. Sonntag nach Pfingsten (13. Juni 1473) nach Marburg
schicken. Zettel: Im Gericht Steinbach ein Wagen dafür."
[Klein-Linden
- Geschichte und Germarkung von Friedrich Wilhelm Weitershaus; S. 25.
Quellenangabe: StA Marburg Rechnungen I 51/10 1088, Schriftgut vor 1517, Teil 2
Rechnungen, Band 2.]
1489 März 19 [Wetzlarer Urkundenbuch, Nr. 1231.]
Aufzeichnung über den Grenzbegang des Propsteizehnten zu W{etzlar}:
Des probsts zehnen belangen anno 1489.Zu wissen, daß uff donnerstag nach Gerdrudis yn den jaren noch Christi geburt 1489 dy ersamen und wirdigen mit namen her Eberhart von Bicken, dechant, .....,
..... und hat Henchen von Naunheym gesagt, es sy ein acker gewest und er hab korn darin lassen liegen vor den zehnen. Item han sy auch gesagt, yn der Brulspach Heintzgen von Lyndes erbe gebe auch zehnen, und disser beleydung ist gewest Jost Wagner ein richter und Heintz Sommer der stubenknecht.
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Am 25. August 1494
erhielt Johann von Weitershausen, nach Aussterben der Kinzenbacher
im Mannesstamm den Saß und das Gadem zu Lyndis, die 20
morgen Landes gelegen gein der Linder Margke und 10 Hufen zu Lyndis
als Mannlehen; erneuert 1510 ff. [Klein-Linden - Geschichte und Gemarkung -
von Friedrich Wilhelm Weitershaus, Seite 82.] __________________________________________________________________________________________________________________________
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Ortsgeschichtliches in den Kirchenbüchern und anderen Quellen.
Hier sind Anmerkungen zum Zeitgeschehen, kirchengeschichtliche
und ortsgeschichtliches Notizen, die in den einzelnen Kirchenbucheinträgen
„versteckt“ sind, zusammengestellt. Manche dieser Einträge nehmen auch eine
extra Seite ein.
Notizen aus dem Protocollum Vigelii sind mit [Prot. Vig.] gekennzeichnet. Es
sind aus dem Protocollum auch Alltagsbegebenheiten hier aufgenommen, die einen
Einblick in das Zusammenleben der Menschen in Linnes in der Zeit von 1652 bis
ca. 1680 geben.
Auch Einträge aus dem Vogteigerichtsbuch von
Allendorf/Lahn [VGA] und anderen Quellen sind hier mit eingearbeitet. Naturereignisse,
Kriegswirren usw., die in Quellen der näheren Umgebung dokumentiert sind, und
vmtl. auch in Linnes zu spüren waren, sind ebenfalls berücksichtigt. Auch Notizen aus der "Schäferschen Chronik", die in Steinberg und
später Leihgestern geführt wurde, sind eingearbeitet worden. Die mit [Sch.-Chr.]
gekennzeichneten Zitate enstammen dem Artikel "Die Schäfersche Chronik" von Otto
Stumpf in MOHG, Band 63 (1978), Seite 79ff; Absatz "Kriegsereignisse und
allgemeine Nachrichten", Seite 91ff.
Angaben aus "Otto Schulte: M. Philipp Vigelius, Pfarrer zu Wetter und
Großen-Linden, Sein Leben, seine Arbeit und seine Gemeinde; Hessische
Volksbücher 76-78; Darmstadt 1930, Selbstverlag des Herausgebers Wilhelm Diehl"
sind mit [Schulte, Seite ..] zitiert.
Die mit [Weitershaus, Seite ...] zitierten Teile entstammen dem Buch
"Klein-Linden, Geschichte und Gemarkung" von Friedrich Wilhelm Weitershaus;
Gießen 1981. Dieses Buch enthält einen Anhang: "Der 300jährige Grenzstreit mit
Klein-Linden 1531-1845" von Dr. Erwin Knauß; Angaben daraus sind mit [Knauß,
Grenzstreit, Seite ...] gekennzeichnet.
Die mit [Rudolf Weigel, Seite ...] gekennzeichneten Teile sind zitiert nach:
Rudolf Weigel: "Zu der Geschichte Klein-Lindens". Diese umfangreiche Arbeit ist
mehrfach in Vereinschroniken usw. auszugsweise gedruckt, aber m. W. noch nie
komplett veröffentlicht worden.
Auch neuere, für Linnes wichtige Ereignisse, sind in diesem Versuch
einer Ortschronik aufgenommen.
Auch hier, bei den zwangsläufig nur kurzen Darstellungen von Linneser Vereinen
usw., habe ich mich bemüht, die jeweiligen Chronisten im "Originalton" zu
zitieren.
Nicht kursiv gedruckte Teile im neueren Ortsgeschehen und Anmerkungen zur
Zeitgeschichte stellen meine persönliche Meinung dar, die ich mir bewußt
gestatte.
Die Erbauung der Burg
ist um die Zeit 1350/60 oder wenig später anzusetzen. Es ist die Zeit
des Burgenbaues und der festen Häuser in unserer Gegend, ... [Klein-Linden - Geschichte und Gemarkung -
von Friedrich Wilhelm Weitershaus, Seite 82.]
Obwohl noch in den Kirchenbüchern mehrfach von der "freijadlichen Burgk zu
Lindes" die Rede ist, besaß die Linneser Burg nie Festungsmauern.
1502 hat Lynndes
sieben steuerpflichtige Haushaltungen; als Haushaltvorstände werden genannt:
Hanns zum Lynndes; Opferhenn; Pfiferhenn; Pfiferhenns Sone; Rewberhenn;
Christian Wiegeln Sone; Ludwig Wiegeln Sone.
[Otto Stumpf: Einwohnerlisten des Amtes Giessen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert
(1470-1669); Seite 30.]
Dies ist die erste aus Linnes erhaltene Einwohner-/Steuerliste. Die nächste
stammt aus dem Jahr 1617. Leider sind viele Listen von Linnes, im Gegensatz zu
umliegenden Orten, nicht mehr erhalten.
Die schriftliche Überlieferung berichtet zuerst 1531
von Streitigkeiten zwischen Gießen und Klein-Linden um Hutegerechtigkeit in dem
Gebiet "jenseits und diesseits der Landwehr oder Hege" (4).
In diesem Jahr erscheinen die Vertreter der Gemeinde Klein-Linden vor den
landgräflichen Beamten des Oberamtes und behaupten, "die uberfart oder viehdrip
der vom Lyndes mit ihren Schafen, Kuhen und Pferden eins vermeintlichen
erblichen geprauches in der von Gießen Landwehre und Burgkfrieden zu hüten und
zu haben...". [Knauß, Grenzstreit, Seite 111; Quelle 4: Allmendakten
1531.]
Dr. Knauß beschreibt in seinem merkwürdig einseitigen Aufsatz, daß die
Grenzstreitigkeiten entstanden, nachdem um 1530 auch die letzten
Wohnstätten des Dorfes Selters aufgegeben worden waren. Die Landwehr wird
als die vermutliche frühere Grenze des Dorfes Selters gegen Südwesten gesehen. Er weist auch
darauf hin, daß es offensichtlich zwischen Selters und Lindes althergebrachte
gegenseitige Weiderechte gegeben haben muß. Dies spricht m. E. aber dafür, daß
es zwischen Selters und Lindes noch einen untergegangenen Ort gegeben haben
könnte, denn solche gemeinsamen Nutzungsrechte am Boden enstanden üblicherweise
nach der Wüstwerdung eines Ortes. Dieser vermutete Ort hätte dann ganz im
Centbann des Centgerichts Lindes gelegen. Dadurch wäre auch erklärt, daß die
Centbannsgrenze noch wesentlich weiter nördlich, etwa bei den heutigen
Veterinärkliniken, lag. Ursprünglich gehörten sicher keine Teile dieser alten, dem
Landgrafen direkt unterstehenden, Verwaltungseinheit zur Gemarkung Gießen. Das
wird im späteren Verlauf der Grenzauseinandersetzung noch einmal wichtig.
Allerdings ist aber auch kaum vorstellbar, daß zwischen Lindes und Selters Platz
genug für noch einen Ort gewesen sein könnte. Vorstellbar ist noch, daß auch ein
Teil der Linneser in die Stadt Gießen gezogen waren, und dadurch gemeinsame
Huterechte etc. entstanden waren.
Bei der Aufgabe des Ortes Selters, wobei sicher die meisten Bewohner nach Gießen
gezogen waren, verleibte sich Gießen allerdings offensichtlich die gesamte
Gemarkung von Selters ein. Es entstanden nicht, wie sonst üblich, gemeinsame
Rechte aller umliegenden Gemeinden. Darüber hinaus nutzten die Gießener die
vmtl. von
Selters "ererbten" Rechte südlich der Landwehr ganz selbstverständlich,
versuchten aber die Rechte der Linneser nördlich der Landwehr einzuschränken.
[Meine Angaben wie "südlich" und "nördlich" sind natürlich von Linnes aus
gesehen. Außerdem erkläre ich mich für ebenso parteiisch, natürlich im Sinne von
Linnes.]
Dies gelang ihnen auch, denn in dem auf Vermittlung des Landgrafen geschlossenen
Vergleich wurden die Rechte der Linneser deutlich beschnitten.
Dr. Knauß schreibt in seiner Anmerkung 10: Das Urteil von 1531 und seine
Anordnungen mußten hier in dieser Breite dargestellt werden, weil nur durch die
Kenntnis des ursprünglichen Rechtsverhältnisses die späteren Veränderungen in
ihrer Tragweite für die Stadt Gießen deutlich werden. Ebenso schreibt
er auf Seite 113 vom "Ausdehnungsbestreben der Lindeser". Auch sieht er
seltsamerweise in dem Urteil von 1531 wesentlich erweiterte Hüterechte
für die Linneser, mit denen sich diese bis zum Ende des 16. Jh. abgefunden zu haben
scheinen.
M. E. ist aber davon auszugehen, daß die Linneser in den späteren Prozessen
eine Rücknahme der Einschränkungen des Urteils von 1531 und eine
Wiedereinsetzung in alte Rechte erreichten. Das Urteil von 1531 kann m. E. nicht
einfach mit den "ursprünglichen Rechtsverhältnissen" gleichgesetzt
werden!
1526 Philipp der Großmütige führt die
Reformation in Hessen ein.
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims - Zusammengestellt von Otto Henkelmann
II. in "Heuchelheim in Wort und Bild", 1961, S. 142-144.]
Im Jahre 1568 werden die Kapellen von Dornholzhausen, Hochelheim, Hörnsheim, Leihgestern, Allendorf und Lindes als zur Pastorei Großen-Linden gehörig geführt. [125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 7; ohne Quellenangabe; vmtl. nach Salbuch der Kirchengemeinde Großen-Linden von Pfarrer Johannes Stockhausen, 1568; heute Kirchenarchiv Darmstadt.]
1583 Pest im Dorf.
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims - Zusammengestellt von Otto Henkelmann
II. in "Heuchelheim in Wort und Bild", 1961, S. 142-144.]
Es ist nicht bekannt, ob auch Linnes betroffen war.
Im Jahre 1593 kam es zu einem zweiten Vertrag über die Hutegerechtigket [zwischen Linnes und Gießen], der im großen und ganzen die gleichen Koppelhutberechtigungen wie 1531 zwischen Landwehr und und den Bachwegen enthielt, in einem Fall aber bereits ein merkliches Zurückdrängen der Gießener Rechte brachte: Die Gießener sollten das Hüten über der Landwehr nach Klein-Linden zu einstellen. Diese Abmachungen über die Hutegerechtigkeit wurden 1626 noch einmal erneuert und bestätigt (11). [Knauß, Grenzstreit; Seite 113; Quelle 11: St A M, Samthofgericht, Fragmenta Actorum G 91/92.]
Leuner Chronik von Pfarrer L.
H. Himmelreich; 6. "Das 17. Jahrhundert":
Am 17. März 1606 (Q.: Manuscript im Archiv zu Braunfels "Das verkehrte
Jahr") erhob sich des Nachmittags 3 Uhr ein unerhörter Sturmwind und warf
innerhalb einer Stunde eine solche Menge Bäume um, "daß dergleichen wohl in
keinen historiis befunden wird". Die Kirchtürme zu Butzbach und Wölfersheim
wurden umgeworfen. Im Amte Braunfels fielen dem Sturmwinde über 20.000 Stämme
allein in den Wäldern zum Opfer. Am 19. März besichtigte Graf Johann Albrecht I.
von Solms-Braunfels den Schaden. Das Dahlheimer Kirchendach war zur Hälfte
weggerissen. In Tiefenbach waren 1900, in Niederbiel 1090, in Leun über 1000, in
Oberndorf und Niederquembach je 1000, in Laufdorf 400, in Steindorf 340, in
Albshausen 300, in Oberbiel 209, in Oberquembach 200, in Schwalbach 180, in
Burgsolms 130 und in dem solmsischen Teil von Nauborn ungefähr 100 Waldstämme
umgerissen worden.
In den anderen Dörfern und in den herrschaftlichen Wäldern haben sie nicht
gezählt werden können.
.......
Das Jahr 1606 brachte unserer Gegend auch die Pest, ....
[Ob in 1606 auch in Linnes ein
Ausbruch der Pest erfolgte, ist bisher nicht bekannt; sicher wird sich aber
der im KB Lützellinden dokumentierte Pestausbruch von 1611 auch in Linnes
ausgewirkt haben.]
1610 werden (..) 13
Lindeser als Besitzer von Grund und Boden in der Gießener Gemarkung genannt.
[Rudolf Weigel, Seite 31.]
Vom 22. Septembris bis zum 6. Novembris 1611 sterben
nach KB 2 in Lützellinden 30 Menschen, bei denen ausdrücklich "peste"
von Pfarrer Johannes Mercator als Todesursache vermerkt ist.
In einem Schreiben aus dem Jahr 1612 ersucht der Hauptmann von Gießen den Landgrafen Ludwig von Hessen, „seinen Untertanen in Lindes mit einer Steuer an Frucht oder Geld zu Hilfe zu kommen, da sie ihr geringes Kirchlein mit Hilfe gutherziger frommer Christen und zu Ehre Gottes künftigen Frühling erweitern möchten“. Im Oktober desselben Jahres schreibt der Hauptmann an den Landgrafen, „daß der neue Kirchenbau nunmehr ins Werk gesetzt sei und mit Stein-brechen und Fuhren angefangen worden sei“. Er bittet den Landgrafen, die Lindeser für die Zeit eines Jahres von dem Frondienst zu befreien, „da die Ackerleut zum Lindes nicht mehr als 14 geringer Pferde haben und die Einläufigen (d. s. Leute, die bereits im Ort wohnen, aber das Ortsbürgerrecht noch nicht besitzen) nicht mehr als vier“. [Rudolf Weigel]
ANNO
DOMINI 1613 DEN 13 ABRILIS
ZWAR
DER ERSTE STEIN ZV DEM KIRCHEN BAVWE
GELEGET WAR DVRCH PHILIBS SCHMIT ABEL BINTZ
BEIDE BAVW HERN SINT TVRCH DIE OBER KEIT AVS ER KORN
1956 wieder aufgefundener Sandsteinsturz des Portals der zweiten Linneser
Kirche; seit 1961 an der Südmauer der neuen Friedhofkapelle eingemauert.
Am 9. September 1613 wird die neue Kirche eingeweiht. [125 Jahre
Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 8.]
2000 brachte Hugo Weigel eine erklärende Tafel unter dem Portalstein an.
Am 9. Sept. 1613 weiht die Gemeinde ihr neues Gotteshaus ein. Es steht in
der damaligen Untergasse unterhalb der früheren Burgschule. Das Kirchlein hat
eine Kanzel, einen Altar und Sitzplätze für Männer und Frauen. In seinem
Türmchen, das noch im vorigen Jahr auf der alten Schule zu sehen war, hängen 2
Glocken. Die Orgel wird erst später aufgestellt.
1653 läßt ein Studiosus
Faust aus Frankfurt eine Sonnenuhr an dem Gebäude anbringen und 1669 stiftet der
Hofmeister des Junkers zu Lindes ein neues Altartuch. – Wenn der Friedhof nicht
schon früher bestanden hat, so ist er sicher auch 1613 angelegt worden.
[Rudolf Weigel]
Leuner Chronik, s. o.:
Im November 1614 richtete die Lahn durch große Überschwemmungen
viel Unheil an. Alle Brücken wurden beschädigt, Häuser wurden weggerissen, viel
Vieh ertrank. Hunderte von Obstbäumen schwemmte der Fluß fort. Dazu kam noch
eine Himmelserscheinung, die die Gemüter ängstigte:
"Ao 1618 mense 7 bri ist ein erschröcklicher Comet viel nacht nach einand
gesehen worden, in gestalt eines großen sterns, mitt einer langen Ruthen oder
straal, in die 10 oder mehr schuh lang anzusehen." [Keine Quellenangabe für
das Zitat.] Dieses Zeichen und die elementaren Ereignisse, welche die
Lahngegend heimsuchten, waren nach dem Volksglauben Vorboten für schreckliche
Kriegsereignisse.
1617 wird für den
Gießener Festungsbau eine "Wallsteuer" erhoben. In Lindes sind
18 Haushaltungsvorstände steuerpflichtig. Das Gesamtsteuervermögen dieser 18
Linneser beträgt 4882 Gulden. Einzelne der hier genannten Familien lassen sich
sehr lange, einige bis heute in Linnes nachweisen. Genannt werden: Bier
Melchiors Ww. - 50; Abell Bintz - 240; Donges Anna - 376; Peter Ebel[Ebert] -
414; Christ Eckhart - 415; Christ Eckarts Kinder - 70; Johann Eckart - 153;
Melchior Eckart - 349; Johanneß Goebel - 216; Philips Heb - 145; Jorgen Peter -
250; Joisten Hans - 344; Jorg Kauß - 190; Joist Kauß - 200; Philips Schmitt -
980; Jacob Schneider - 155; Cloß Weygell - 50; Georg Zueß - 285.
[Otto Stumpf: Einwohnerlisten des Amtes Giessen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert
(1470-1669); Seite 30.]
Anhand der Akten des Centgerichts Lindes konnte nachgewiesen werden, daß
Joisten Hans identisch ist mit Hans Jung, dem Stammvater fast aller
Linneser "Jung". Cloß Weygell, der Hofmann/Hofrichter auf der Burg war,
kann als Stammvater der Linneser "Weigel" angesehen werden. Warum
Johannes Lentz, der nachweisliche Stammvater der Linneser "Lenz" und
Schwiegersohn des oben genannten reichen Wirtes Philips Schmitt war, in dieser
Liste nicht erscheint, konnte bisher nicht geklärt werden. Donges Anna
war nach den Centgerichtsakten sehr früh verwitwet und hat nicht mehr
geheiratet. Sie hatte nur einen Sohn, der wechselnd als Johannes Donges,
Johannes Andermann und Donges/Anthonius Andermann in den
Akten erscheint. Er ist der Stammvater der Familien "Andermann". Auch die in der
obigen Steuerliste schon mehrfach genannten Eckhart sind heute
noch in Dorfnamen nachweisbar.
Anno 1621 haben 8 Wochen lang Kriegsvölker zu Grüningen gelegen bis auf Ostern. [Sch.-Chr., S. 6]
Anno 1622 den 22. Mai
sind durch Steinberg gezogen:
9 Cornet Reiter
\
8 Fähnlein Fußvolk / bayrisch
Volk
[Sch.-Chr., S. 13]
Den 31. Mai (ist) Christianus, Herzog
von Braunschweig erstlich zu Als-
feld ankommen mit 30.000 Mann und (hat) dem
Fürsten von Darmstadt
sehr übel in seinem Land gehaust.
(S. 13)
Den 26. Mai ist Landgraf Ludwig
Darmstadt durch den Pfalzgrafen und
durch den Grafen von Mansfeld eingenommen
worden und den Fürsten mit
hinweg "nahe Manna ? geführt."
(S. 13)
Anno 1624 uf Mittwoch den
16. Juny ist von einem schnellen Regen so
fast ein Stunt
lang hat gewat, zu Gambach in der Wetterauw über vil 1000 fl Wertschaft ahm Lant
ge-
schehen, den es hat das Waßer 4 Wohnhauß und 11 Scheuwern und vil Stallung in
gront
umb geworfen und hinweg geflust, auch vil Baum mit den Wurtzeln auch hinweg
geflust. [Sch.-Chr., S. 29]
Anno 1624 uf dn Dag Maria
Heimsuchung (2. VII.) ist daß Kriegsvolck
auß Marpurgk
ufgezogen und hat das Nachtlager zu Leitgestern, Watzenborn und Steinbergk
gehalten. [Sch.-Chr.. S. 29]
Nota Diß 1626 Jar
sein von dem ersten Dag January biß uf den erste Decembriß 8
unterschittliche Nachtlager von Krigs Volck bey uns geweßen, ab Den 28. Octobris
ist Watzenborn durch Sassen Lauenbergisch Volck (Sachsen-Lauenburgisch Volk)
gantz spullirt (geplündert) worden. Über 600 Reiß Daler (Reichstaler), was
gestolln und
an Rantzioagelt (Lösegeld) dar von bracht.
[Sch.-Chr., S. 44]
Nota diesen Herbst Anno
1626 hat die Pest in allen Dorfer ahn gefangen.
Nota in dißem iar 15 Juli sein die Artellery und die Heer Wagen auß Gißen
nach Rhein-
fels geführt worden.
Nota In dißem 1626 iar den 22 Aprilis ist das Krigs Volck zu Großen
Linden eingefallen
und 9 Man und Weibs Persohn erschossen uff den Gaßen. Sein alß balt dot
plieben und
irer noch viell verwundet so balt hernach auch gestorben sein.
.......
Anno 1626 - Nota. In diesem iar ist gegen Herbst vor Weihnachten so gros
Mangel ge-
wesen Salz halber. U. g. F. und Herr hat auß dem Vor Rat in der Kellerei
der
Bürgerschaft verkauft als ein maaß Saltz vor 4 Kopstick. Sonst in der Stat
bey den
Kromer hat ein maß Saltz gern gegalten auch 7 1/2 Kopstick.
Nota. In diesem 1626 iar hat das Volck von Watzenborn gar nit in die Stat
dorfen gehn
wegen dero Pest. ........
[Sch.-Chr., S. 45]
Vogteigerichtsakten, Seite 121:
Vögtgericht wegen Kriegsgefehrlichkeit in Ao
1626 Vnd 1627 ingestaltt Worden p.
Anno 1627 den 30 Mey
sein 100 Jar, daß die Universitet erstlich zu Marpurgk Brif
Legirt (privilegiert) worden.
Ao 1627 den 27. Juni ist Fridirch Dil von Reuttern erschlagen.
[Sch.-Chr., S. 49]
Anno 1628
- Nota In diesem iar gleich nach Ostern hat es ahngefangen ahn der
Pest zu sterben biß ahn Martiny. (11. XI.)
Zu Langgunß sein ahn 300 gestorben
Zu Leihgestern auch 164. Ist in allen Haußer durch den gantzen Flecken biß
uf sein
164 persohn gestorben.
Zu Groningen (Grüningen) auch in allen Haußer biß uf
[Steht so da.]
Des Mall zu Steinberg in Peter Schneiderß Hauß auch ahn gefangen.
Zu Gißen auch ahn gefangen der Pest umb Bardolomey. (24. VIII.)
Nota Teuer Wein dis ao 1628 - ein Maß Wein hat 20 Alb. gegolten zu Gißen und ist
uf
keinem Dorf kein Wein geschenckt in dem gantzen Ampt Gißen, Ursach des
Krigs
wessens halber. [Sch.-Chr., S. 51]
Anno 1628 von Michaeliß biß uf Christag
in dißem gantzen Lant kein Wein uf keinem
Dorf nicht - Dan auch zu Gissen, Butzbach, Lich - als ein
Maß 1/2 Reis Thaller,
Ist kein Appel kein bier
(Apfel, Birne)
Ist kein Rübenn kein Hoppen
In diser gantzen
(Rüben, Hopfen)
Die Erbes, Wicken, Bone erfroren Lantschaft
(Erbesn, Wicken, Bohnen)
der Weitzen ein Meste - 20 Alb.
die Erbeß ein Meste - 20 Alb.
Item in disem Jar uf Sondag nach dem Christag habe ich alle mein Schof (Schafe)
der sein
23 gewesen - must verkaufen ....
[Sch.-Chr., S. 57]
1629 werden in der
Lindeß-Leibeigen-Bede 27 steuerpflichtige Familienväter, meistens
mit den Vornamen ihrer Frauen, genannt; bei einem, Seyfried Schefer,
heißt es: ist nach Dudenhofen gezogen. Bei Magny Weißgerbers Ww.
Elisabeth steht der Zusatz kompt von Heuchelheim.
[Otto Stumpf: Einwohnerlisten des Amtes Giessen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert
(1470-1669); Seite 30.]
Im Jahr 1629 steht "das Dörflein Lindes mit aller hoher und nieder
Obrigkeit, Geboten, Verboten, Diensten und Steuern" dem Landgrafen von Hessen
zu. [Rudolf Weigel, Seite 31. Quellenangbae 59: Matthes, R. - Aus d. Verg.
Kl.-L., Nr. 15 und Salbuch des Amtes Gießen v. 1629, fol. 97 ff.]
In Lindes gibt es damals die Untergasse (jetzige Wetzlarer Str.), die
Obergasse und die Lützellindener Straße. Alle Gassen sind bessere Feldwege, auf
denen sich Jauche und Regenwasser ihren Weg suchen. Gossen werden erst viel
später angelegt. ....
Der Ort ist nicht befestigt. Die Häuser sind nur von Gärten umgeben, die durch
Dornenhecken geschützt sind. [Rudolf Weigel; Seite 31.]
1634 Als Großen-Linden wieder einmal an 4 Ecken angezündet wird, kommen auch durch unseren Ort Italiener und Spanier von der Hauptmacht des Kardinalinfanten von Spanien, der nach der Schlacht bei Nördlingen in die Niederlande zieht. [Rudolf Weigel; Seite 40, nach Otto Schulte.]
Im Jahre 1634 muß aber Gießen wieder klagen, weil die Nachbarn aus
Klein-Linden nunmehr ständig auch mit Schweinen und Schafen über die Gießener
Landwehr hüteten und grasten. Außerdem wollten die Lindeser nun plötzlich von
ihren in der Gießener Gemarkung gelegenen Gütern keine "Beed" mehr bezahlen,
weil sie behaupteten, der "Centbann" liege nicht in der Gießener Gemarkung.
[Knauß, Grenzstreit, Seite 113.]
Die Linneser nahmen hier m. E. also alte Rechte, die ihnen durch das Urteil von
1531 beschnitten worden waren, nach dem sie "furters mit den Ochsen
und sonst keinem Vieh mehr" dort hüten durften, einfach wieder in
Anspruch. Auch das zweite Argument, daß keine Teile des Centbanns ursprünglich
zur Gießener Gemarkung gehörten, ist sicher zutreffend, da es kaum vorstellbar
ist, daß sich die alte Verwaltungseinheit der Cent und eine Stadtgemarkung
überschnitten.
Bei Dr. Knauß heißt es dann im nächsten Satz:
Der Grund, warum die Klein-Lindener jetzt, auf den Rechten ihres
Vogteigerichts[!!!] fußend, neue Forderungen stellten, liegt in der
Tatsache begründet, daß in der Zeit von 1630 bis 1700 ein großer Teil der Güter
innerhalb des Centbannes bis zur Landwehr von Gießener Bürgern an Klein-Lindener
Bauern verkauft worden war. Allein von 1665 bis 1680 waren es 155 Morgen (13).
[Anm. 13: siehe Anm. 11: St A M, Samtgerichtshof, Fragmenta actorum G 91/92.]
Waren hier die Linneser, die 1634 und vorher ihre Schweine über die Landwehr
trieben, so vorausschauend, daß sie wußten, daß ihre Nachkommen 30 bis 50 Jahre
später im Besitz des Landes sein würden?
Störend finde ich auch die Benennung des Linneser Centgerichts als
"Vogteigericht". Das Linneser Centgericht hatte zwar in dieser Zeit weitesgehend
nur noch ähnliche Funktionen wie ein Vogteigericht, ahndete Feldfrevel usw. Das
rechtfertigt aber nicht die "Umbenennung". Ein Vogteigericht, wie z. B. das von
Allendorf/Lahn ahndete Feldfrevel und regelte vor allem Erbschaften und Verkäufe
von dem, ursprünglich einer Vogtei zugehörigen, Streubesitz in mehreren
Ortsgemarkungen. Ein Centgericht war für einen geschlossenen "Centbann", eine
alte Verwaltungseinheit, zuständig. Die noch erhaltenen Centgerichtsakten
zeigen, daß das Centgericht Lindes ursprünglich in etwa die Funktion eines
heutigen Amtsgerichtes hatte, und daß diesem alten Centgericht mit Aufkommen des
Absolutismus zunehmend von der landgräflichen Verwaltung in Gießen die
Kompetenzen entzogen worden sind.
Leuner Chronik:
Im Januar 1635 froren alle Flüsse zu. Selbst über den Rhein fuhren die
schwersten Lastwagen.
....
Zu allem Unglück war im Februar desselben Jahres [1635] die Pest
ausgebrochen, die keinen Ort unserer Heimat verschonte und kein Ende nehmen
wollte. Damals (Akten vom 30jähr. Krieg im Archiv zu Braunfels, Gefach 104)
heißt es von der Lahngegend: Der Zustand dieser Orte ist sehr schlecht und
könnte wohl schlechter nit sein, weil alles totaliter ruiniert, die Leute häufig
hinweggeflohen und aller Orten fast zur Hälfte ausgestorben sind.
Zu der Pest gesellte sich eine große Hungersnot, die drei Jahre lang
dauerte.
KB Kirchberg, Notiz im Sterberegister, Abschrift Werner
Heibertshausen:
"1635 ist Pest und Krieg in Oberhessen sehr häufig eingerissen,
deßwegen der Catalogus hier nicht eigentlich hat können continuiret werden".
[Herr Heibertshausen merkt noch an, daß nach dem 15. Febr. auch keine Taufen
mehr eingetragen wurden.]
Vogteigerichtsakten, Seite 139:
Vögtgericht Ao 1635 ist nicht gehalten
Worden
noch konnen wegen Krigs Vngelegenheitt p.
Diß Anno 1636 jahr ist so ein
schrecklich deuer Zeit und ein Hunger im Landt, daß viel
Leut hungers sterben müßen .... [Sch.-Chr., S. 86]
1636 u. 1640 durchzieht schwedisches Kriegsvolk unsere Gegend. Überall kommt es zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Ermordungen. [Rudolf Weigel; Seite 40, nach Otto Schultes Vigeliusbuch.]
In den Jahren 1635 - 1642 herrschen Hungersnot und Pest in unserer Heimat. Immer wieder nehmen die durchziehenden Truppen Pferde, Vieh und Frucht weg und zertreten alles Korn und den Hafer auf dem Feld. Sie plündern und morden und treiben auch noch andere Schandtaten. Bei solchen Durchzügen fliehen die Leute von Lindes oft in die Festung Gießen oder verstecken sich in den Wäldern. Die von der Pest befallenen Angehörigen aber müssen sie ihrem Schicksal überlassen. In Großen-Linden stirbt im 1. Pestjahr der zehnte Teil der Bewohner. In Gießen werden von der Seuche etwa 1400 Personen dahingerafft. Da keine Kirchenbücher mehr geführt werden, können wir nur vergleiche[ende] Schlüsse auf unseren Ort ziehen. Die Armen stillen ihren Hunger mit einem Gebäck aus gemahlenen Eicheln, Leinsamen und Rübenschnitzeln. Brot aus Kleie ist sogar bei den Reichen ein Leckerbissen. Im Frühjahr 1637 wird die Hungersnot so schlimm, daß man Hunde, Katzen, Mäuse, Ratten verzehrt. Die Hungernden folgen oft dem Karren des Schinders und bemühen sich, ein Stück Fleich von einem verendeten Tier zu erhaschen, wobei es oft noch zu Raufereien kommt. - Die Bitte, "vor Krieg, teurer Zeit, vor Pestilenz und schwerer Not behüt uns, lieber Herre Gott", wird von den Menschen dieser Zeit aus ganzem Herzen gebetet. [Rudolf Weigel; Seite 40.]
Anno 1638
- Diß iahr ist daß rint Vieh gahr teuwer gewesen eß hat ein Kuh 20 Daler
24-25 Daler golten
Den 4 Dag Appril acht Dag nach Ostern uf Giser Margk(t) ist ein groser
Schne ge-
falen, daß man nit uf den Marck hat kenen gehen.
[Sch.-Chr., S. 97]
Anno 1639
Iahr - Den 29 Mertz angefangen zu brachen und den 9 dag Appril die
letzte brach getahn biß uf ein Virtel bei der Griniger Hege, hab ich nit gekent
von
wegen deß Krigs Volcks.
[Sch.-Chr., S. 101]
Vogteigerichtsakten, Seite 145:
Vögtt Gericht gehalden montag den 6 t maji
Anno 1639 vfgeschüpt gewesen wegen Kriechß
Volckß
In einer Kriegsschadensliste von 1639 werden 17 Geschädigte in Lindes genannt. Der Gesamtschaden beträgt 254 Taler 13 Albus. [Dr. W. Heymann: "Kriegsschädenslisten der Dörfer um Gießen aus den Jahren 1639 und 1640" in HiB, 1937, Nr. 3.]
Anno 1640 Den 1. Dag Januari
ist daß schwedisch Krigs Volck zu u. g. F. u. Herrn
Landtschaft komen und 17 Wochen darin gelegen und alles außgeplündert,
Pfert, Frucht, Viehe aleß hinweck geführet. Sie haben mir genommen undt weg
führet 21 alten Schaf undt 11 Jung Lemer, 1 Mast Schwein, 4 Helt Schwein (unge-
mästete Schweine), 2 Küh, 1 Jerick Rint, 12 Hüner, 4 Enden, 3 Achtel Korn,
3 Achtel Hafern, 30 Reichs Daler an gelt müsen geben an aler hant Sachen
thut in Summa 143 Daler.
[Sch.-Chr., ohne
Seitenangabe.]
Vogteigerichtsakten, Seite 145:
Daß Gericht ist In Anno 1640 nicht
gehalden worden wegen vnfriedenß.
[Im Jahr 1640 sind die Einwohner von Linnes und
anderen Dörfern wohl mehrfach (oder für längere Zeit?) nach Gießen geflohen.
Dies wird auch belegt durch Taufen von Kindern aus Linnes, Allendorf,
Lützellinden usw. in Gießen; siehe FB Giessen, Otto Stumpf, Band 3, Ortsfremde.]
1640 werden in der
Lindeß-Leibeigen-Beede nur noch 20 Familienväter, wiederum die
meisten mit den Vornamen ihrer Frauen, genannt.
[Otto Stumpf: Einwohnerlisten des Amtes Giessen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert
(1470-1669); Seite 30.]
Der Schmied Ludwig Haupt, der die Witwe von Johannes Lentz
geheiratet hat, ist schon dabei. Er gilt als Begründer der Linneser Schule und
erster Lehrer.
In der angegebenen Quelle ist auch dokumentiert, daß 1640 in Linnes ein
Kriegsschaden von 200 Reichstalern angerichtet wurde. Im einzelnen werden
genannt: Salvaguardi (Sicherheitswache, Schutzwache) - 18;
Cunrad Becker - 1; Ludwig Haupt - 6; Jacob Jung - 4; Johannes Meckel - 36; Abel
Peter - 9; Cunrad Peter - 9; Cunrad Peter, Schenkischer Hofmann anstatt seines
Junckers - 98; Velten Wagner - 7; Clas Weyels Witwe - 12.
Conrad Peter erleidet hier also einen Schaden von 9 Reichstaler an eigenem
Vermögen; 98 Reichstaler Schaden enstanden am Burggut, dessen Hofmann
(Pächter/Verwalter) er war.
1642 kann offensichtlich der gewohnte Gerichtstag, Montag
nach Quasimodogeniti, wieder nicht eingehalten werden, wie aus folgendem
Eintrag, Seite 147, ersichtlich ist:
Vogtt Gericht gehalden den 23 tag mayij Anno 1642
Weill der Vnfritten vndt die bayErß Arme im lant
geleg(en) haben
Anno 1643 den 5. 6. 7. Dag Januari
ist so ein über auß groß Wasser gewessen, daß
alß die Jungen Fursten von Darmstat nach Gissen sindt gezogen, haben sie nit in
die
Stat Gissen konnen von wegen des Wassers. Es ist so groß gewessen, daß über die
Brük an alen Pforten hat gangen, daß man bei dem Sichhauß (Siechenhaus) uf ein
Achen hat kennen fahren über die Schar undt übern Wal biß an den Walbergk undt
haben die Junge Fursten 2 Nacht uf dem Schifenberg gelegen.
Die Leut haben alenthalben in der Stat mit Achen undt Backtregen gefahren. Uf
dem
Marck(t) ist es nur drocken gewesen ...
[Sch.-Chr., S. 114]
Aber das schlimmste Jahr von allen ist wohl das Jahr 1646 gewesen.
Die Nachbardörfer Gießens waren nach und nach zu der Erkenntnis gekommen, daß
das sicherste Mittel, sich vor den raubenden und plündernden Soldatenhorden zu
retten, das sei, in die Festung zu Gießen zu flüchten. Leihgestern hat im Jahre
1646 von diesem Mittel öfters Gebrauch gemacht, so daß in der dortigen
Kirchenrechnung von 1645 steht, daß keine Einnahme aus dem Opfersäcklein (=
Klingelbeutel) hätte gemacht werden können, da die Bevölkerung so oft auf der
Flucht gewesen sei.
Von Großen=Linden meldet die Kirchenrechnung 1646, daß die ganze Bevölkerung vor
dem heranrückenden Kriegsvolk die Stadt verlassen und mit allem Hab und Gut in
die Festung Gießen sich geflüchtet habe. Aus dem protocollum Vigelii in
Großen-Linden ist zu entnehmen, daß der Pfarrer mit geflohen war und die Kinder
seiner Gemeinde dort in Gießen getauft und seine Amtshandlungen verrichtet hat.
In dem leer gelassenen Orte hausten die eingerückten Soldaten. Sie brachen in
der Kirche den Fußboden auf, um nach dort vergrabenen Schätzen zu suchen. Sie
erbeuteten einen der zwei silbernen Abendmahlskelche. Sie "zertraten, fraßen und
verheerten alles Korn und allen Hafer im Feld", so daß nichts davon
eingescheuert werden konnte, als sie abgezogen waren. Sie warfen die eisernen
Öfen im Pfarrhaus um und taten dort wie auch wohl in den Privathäusern großen
Schaden.
[Schulte, Seite 42.] [Wahrscheinlich waren auch die Linneser 1646 öfters
nach Gießen geflüchtet. Im Anhang des Gießener Familienbuches ist keine Taufe
eines Linneser Kindes, wie 1640 mehrfach, in 1646 verzeichnet (nur Heuchelheim
und Allendorf sind vertreten). Allerdings könnte das (nicht mehr erhaltene)
Kirchenbuch Großen-Linden auf der Flucht mitgenommen und in Gießen weitergeführt
worden sein. Bisher unklar bleibt auch die obige Angabe des protocollum
Vigelii als Quelle. Pfarrer Weigel wurde auf Trinitatis 1647 als Pfarrer in
Großen-Linden "uffgeführt". Pfarrer Otto Schulte schreibt im Vorwort
seines Buches, daß von den ursprünglich 120 Vierteljahresheften des
protocollum Vigelii von ihm der Großteil der noch erhaltenen 56 Hefte im
Unrat des Taubenschlages des Pfarrhauses gefunden wurden und und nun, also
vor 1930, zu drei Büchern gebunden, Eigentum der Kirche sind. Der erste
erhaltene Eintrag stammt aber vom 08.01.1652! Es kann sich dann nur um einen
späteren, rückblickenden Eintrag handeln.]
1646 Schwedische Truppen unter dem General Wrangel setzen das
durch Gräben, Hecken und Schlagbäume geschützte Dorf in ein Flammenmeer. 86
Häuser und 83 Scheunen brennen nieder; nur die Kirche und 2 Höfe bleiben
verschont. Soldaten nehmen die Frucht weg und plündern. Hungersnot.
- Pest.
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims - Zusammengestellt von Otto
Henkelmann II. in "Heuchelheim in Wort und Bild", 1961, S. 142-144.]
Von Linnes ist ein solcher Brand nicht bekannt; die Plünderungen werden aber
ähnlich gewesen sein.
===================================================================================
In Garbenheim wird 1633 Johannes Macrander Pfarrer. Im Kirchenbuch finden
sich, im Anschluß an Tauf-, Heirats- und Beerdigungseinträge zahlreiche
Anmerkungen zum Zeitgeschehen und zum Leiden der Menschen im 30jährigen Krieg.
Hier folgen diese zeitgeschichtlich wichtigen Angaben von Pfarrer Macrander aus
dem KB Grabenheim:
KB 1 Garbenheim 1626 bis 1664 - Historische Anmerkungen [Es
folgen noch Ergänzungen.]
~: a(nn)o 1634.
Novemb. 23. Caspar Hejderichen ein sohn getaufft, Nicolaus
pat. & mat. Nicolas Joachimj vndt Ann Elß Peters Am ende
tochter. Eben in der stunde Kamen drej Regiment Kaijserische
zu fues, diser Caspar vnd auch Niclas Juchem, wurden von disen Völckern
von der Mansfeldischen Armee, mitgenommen vnd sind jammerlich vmbkommen,
vnd hat die Wetzflarische Guarnison vnser Dorf jämmerlich 2 jar ausgeplündert,
endlich
Kam
auch pestilentz, auch theure Zeit
[Vmtl. sind nur die letzten beiden Zeilen später nachgetragen worden, teilweise
in die erste Zeile des nächsten Taufeintrages geschrieben.]
+: Anno 1635.
Januarij 11. Georg Rüeln töchterlein gestorben, peste, nomine Anna-Judith
[In Höhe dieses Eintrages links am Rand beginnend, querstehend, zweizeilig:]
NB sind bej 30 fewerstedtt[?] gewesen, v. ist keine
gäntzlich ausgestorben, [ohne Georg Hejderichs = gestrichen.]
~: Anno 1635.
17. Jan. Zu abend vmb 8.[6.?] vhr, Johan Friderich Scheffern, ein
sohn getaufft, Johann-Jost, Pat Johan Adam der
Schmidt, sein Schwager, [Nachtrag:] beij tage dorfft sich niemand wegen
streiffend(er)
parthejen sehn laßen
~: Anno 1635.
8. Februarij Johan-Wilhelm Crombachen ein sohn getaufft,
Johann-Georg. Pat. Ich Pfarrer, vndt Elsbeth Johannes
Joachimbs Hausfraw. musten selbig mahl aus der Kirchen vnd dorff
entlauffen.
+/#: Anno 1635.
28. Aprilis Barbara, Rücker Zimmermanns wittib zu wetzflar
gestorben vnd begraben, ohne laüden, singen v. predigen, (: weil die Soldaten
wolbekleidete leüte vff der gaßen ausgezogen:)
#: Anno 1635.
30. Aug. Peter Teschen töchterlein, Maria, begraben
(: wurden von streifender Parthei, selbig mahl aus der
Kirchen gejagt :)
#: Anno 1635.
13. 7bris Johannes Frechen sohn Johann Georg, 15. jar
alt, zu Wetzflar gestorben vndt begraben.
(: waren weg(en) des stetig(en) einfals, raub v. plunderung der Knochen=
webelisch(en) Reüterej, nach wetzflar geflohen, alda die pest sehr
graßirt :)
#: Anno
1635.
19 Septembris Philips Funcken begraben. Textus Joh. 13. ....
muste in der Auwe in einem graben etliche Zeit liggen, wegen des
täglichen einfals der Kaijß.
~: Anno 1636.
10. ejusdem [Martij] Hanß georg Hauperten ein sohn getaufft,
Hanß Jacob, Propater Jacob Reitz, wegen vielfeltiges
streiffens, muste die mutter am dritten tage außm Kindbette nach
wetzflar weichen, sampt allen inwohnern vnd Krancken.
+: Anno 1636.
16. Aprilis Johannes Molich ein alter vndt verstendiger
man, gestorben, Ist ihm Kein leichpredig vndt begengnis
geschehen, haben auch dz heilige Osterfest vber mit trawren zu
wetzflar vnd vmbliggenden Heßischen örtern \vns/ verbergen müßen,
wegen des teglichen streiffens vndt inquartierens.
#: Anno 1636.
2 Maij ...
16 ejusdem Anchen Melchior Strohen wittib [leer] jar alt
zu wetzflar begraben.
NB Seidhero a(nn)o 634 1 tl \D(omin)ica/ Adventus die manßfeldische Armee
das land hiervmb verderbt sindt bis an jetzo \peste/ [sind = gestr.]
Garbenheimer leüte gestorben ---------- 75. leben noch 78
#: Anno 1636.
9 tl Julij Hanß Caspar, Johan Friderich Scheffers sel. hinderlaßen
letztes söhnlein, zu Wetzflar begraben
2. Julij Ist ein Kaijß. Armee, vnder dem Feldt Marschalck G. N. Götzen, bej 30
Regi=
ment, zu Roß, Dragoner v. Fues die Lehn herauf, Landgraff Wilhelm von Heßen v.
ad Herren[?]
anzugreifen, gezogen, zu Wetzflar dz Hauptquartier 7 tag gehabt, die Generaln,
Obristen,
deroselben pagagi[?] etc. lagen in d(er) Stadt, vor d(er) Stadt von d(er) Dill
an biß an NiderGirmes
war des fues volcks feldtlager mit dem geschütz, vf den dörffern die Reuterej.
Die winter=
frucht so eben zeitig, ward aller oben abgeschnitten, zun [?]Hütten ins lager[?]
getragen, vertretten. vom
troß gedroschen[?], v. vertragen, also gar dz in vnser terminej Kaum ein achtel
frucht Kan zu=
sammen gelesen werden, wan man sich dörffte sehen laßen. Die dörffer sind gantz
ruinirt, Gott sei
Danck dz die bloßen bew sind stehen plieben, alles haus gerümpel, disch, banck,
betlachen, [?]thüren,
Kelten, büden etc. sind verbrant, vnd ins lag(er) geführt, Ist auch bej vns,
aus mangel d(er) pferde, Kein
sommerfrucht geseet, dz rohe obst ist von den bewmen geschlagen, die mühren
ausgerupt. Daß
also große hungers noht vorhanden, weil alles viehe v. vorraht hinweg. Gott
wölle vns
buesfertige hertzen verleihen, dz wir von vnserm sündhafften, bösen leben v.
wesen abstehen, vff dz auch ahn
der großen v. langwirigen plagen v. strafen gerewen möge.
a(nn)o 636.
Dominica 9. post Trinitatis
[14.08.1636] Sacram Coenam admini=
strirt sind wie verzeichnet 30.
communicanten gewesen
Haben die vbrige Zeit, wegen vielfeltiges durchzie=
hens, einquartierens, raubens, plünderns vndt
geldt preßuren, vns wenig im dorff finden laßen,
vnd den Gottes dienst verrichten.
+/#: Anno 1637.
9. Martij, Ein man von Ernsthausen
vnder Weilmün=
ster, Henrich genant, Herman Wirths sohn, vndt Mar=
grethen Peter Scheffers tochter man, zu Dudenhofen, sampt
seinem weibe vndt Schweher, in des bürgermeisters haus ein
zeit lang geherbergt, nach Wetzflar gehen wöllen, ist \an/ bej der
Kühemarck an der waldtecken dem spitzenberg zu im hege=
graben todt funden worden, Ist vf begehren seines weibs
vndt Schwehers von den Nachbarn alhier vff einem Karn ge=
holet, vnd vf vnsern Kirchhoff begraben, Ist ohn zweifel
hungers gestorben.
Vmb diese zeit gildt ein mest Korn zu Wetzflar j R(eichs)th(a)l(e)r
vnd ist noch nicht zubekommen. ein mest weitz 5. Kopfst. Das achtel
Korn 10 R(eichs)th(a)l(e)r
#: Anno 1637.
14. Septemb. Ann-Margretha Peter Meßerschmidts
töchterlein 5 jar alt begraben
Umb diese zeit ist ein allgemein fieber im gantzen landt gewesen
vnder den restirenden leüten, alhier \.....?/ sind jetzo noch 3 personen,
so innerhalb jarsfrist nicht kranck gewesen
*/~: Anno 1638
21. Martij Hanß Georg Kahln ein
tochter getaufft,
Ann-Elßbeth promater Ann-Elß, Johannes Frechen
Hausfraw, circa hoc tempus war große Kriegsgefahr, deren
wegen auch dis Kind, 4 tage alt, vmb den abend getaufft
ward, vff die Ostern zog General Götz Feldmarschalck mit
seiner Armee durch wetzflar vnd derer orten, nach dem
Bejerland zu gegen Hertzog Bernhard Frantzösischen Gene=
ral welcher Jan de werd Kaijß. Obrist(en) geschlagen v. gefangen.
[Deutlich zu lesen: "de werd"; nich "de wred(e)"; die Fortsetzung ist mit
anderer, teilw. verblaßter, Tinte geschrieben:]
Alhier zu Garbenheim hatten 1500 pferde logirt, alle restende[?] fütterung[?]
vnd
gemüse vfgeätzet, was sie nicht mitgenommen, v(er)derbet. mir Pfarrern
ist an allerhand bej 50 fl schaden geschehen, vor dis mahl, vnd sind
mir seithero dem manßfeldischen march bej 1000 fl. werth
an viehe, frucht vnd mobilien sonsten etc abgeraubt. v. dancke
doch dem gütigen Gott, das Ich, mein weib v. Kind(er) [?]vnsern gesunden leib,
davon bracht.
~: Anno 1639.
17. Martij Hanß Georg Kahln ein sohn
getaufft
Hanß Jacob, pat. Jacob Reitz
vnd Susanna
Caspar Teschen Hausfraw, Heüt sind wir
abermals in große
forcht vnd schrecken gesetzt weil naher wetzflar 4 compagnj
Küraßirer, auch in Hüttenbergk vnd Ampt Glejperg,
Königsberg ja vberall, Kaijß volck ingetheilt vnd ist Panir[?!]
Schwedischer obrist vnd General albereit mit seinem volck
im Franckenland.
~: Anno 1639.
Den 19 t April. des abends bej licht Johan Georg Kochen
ein sohn getaufft Johann Friderich, pat. Johan Georg
Krombach, vnd Elßgen, Johannes Joachimj Hausfraw,
Weil aber General Hatzfeldts Armee diser orter durchgezogen
welche abermahls die frucht im felde sehr abgeätzet.
+/#: A(nn)o
1640.
13 Januarij, Jacob,
Niclas Crombachen söhnlein
zu wetzflar gestorben vnd begraben. wir
waren
dismahl vor der Saxen weijmarischen Armee, welche ins Fürsten=
thumb gezogen, gen wetzflar gezogen.
~: Anno 1645
den 20 t Feb. Hans Georg Kahln ein
söhnlein getaufft, Johan
Melchior. propatres Johan Melchior Krafft bürger zu wetzflar
Johannes, Jacob Reitzen sohn zu wetzflar, promater Elsbeth Peter
Teschen tochter. wir waren dismahl nach wetzflar gezogen, aus forcht der plün=
derung vor den frantzösischen volckern so zu weilburgk logirt, erlangete bej
Hln. Jacobo Herttio dem eltesten pfarrer, dz ich dis Kind selber in der stat
im[?] losament[?] getaufft.
A(nn)o 1645.
Vff Wejhnachten S coenam
17 personen administrirt.
Vff ostern S. Coenam 23 personen
mitgetheilet.
solte im Herbst gehalten werden, würden aber durch die heßische
völcker gehindert, weil der Hl Graff von with Obristl. mit 5. Compagni
Reüttern
vnd 120. musquetiren 12. dage alhier logirt, wir kamen dismahl vmb vnsern wein,
frucht v. futtung[?]
a(nn)o 1646.
Vffs new jar 22 personen S
Coenam administrirt.
vnd rißen 24 bew nider, Gotterbarms,
logirten 8 tage zu wismar vnd
dahervmb, endlich nahmen sie butzpach ein, sprengten die pforten etc.
beschoßen auch die Stat Marpurgk etliche dage, bekamen sie ein mit
accord, belagerten daß Schlos, beschoßens streng, bekamens mit accord
a(nn)o 1646 den 16 Januarij, Obrist Willich welcher das schlos inne hatte
ward beneben seinen mitofficirern zu Gießen etlich mahl vor stand=
recht geführet, weil er keinen sturm erwartet etc.
~: A(nn)o 1646.
Den 28. t. Junij Jacob Reitz eine
tochter zu wetzflar taüffen laßen
propater Hanß Georg Kahl. promater Hl D.[B.?] Molthers tochter Catharina.
dictäa.[!] filiola, [Elßbeth, oder Elßgen = gestr.] Catharina.
Etliche Dage zuvor war die Schwedische Heüpt Armee vffgebrochen, vnd
hatten zu Garbenheim vff allen hügeln schantzen gegen den feind
vffgeworfen[?],
dadurch vnser dorff ruiniret, die früchte v. gras ab geetzet, [Mit anderer
Tinte später nachgetragen:] Ist auch nicht
nur eine handvol heu[heim?] in Garbenheim dis jar kommen, musten das restirende
viehe
von der heide erhalten, vnd bescherete vns Gott auch einen weichen winter.[?]
#: A(nn)o 1646
Eodem die [8. t. Augusti] Elßbeth, Henrich Lucij tochter 7. jar weniger
5. wochen alt, begraben. Wir wurden dis mahl an der leich=
predig gehindert, mußten ejlend außziehen nach Solms, weil die Kaijß.
vnd Baijrische Armee vor den Schweden wichen bis nach Runckel hinvnder.
Den 4. t 8b(ris) aj 1646,
als den 4ten bus, fast, vnd bettag
daß H. Abendmahl 10 personen administrirt.
Diesen sommer haben die Schweden vnd Kaijserliche Armeen, daß land dieser
orter v(er)derbt, dz wir vnser brodtkorn weit holen müßen,
a(nn)o 1647.
Den 1 tl Januarij. S. Coenam administrirt 28 personen.
war zwar der erste ausgeschribene bues, fast v. bettag, vom
Gießer Sup(er)intendenten, weil aber Ihre Fürstl. Gd. vnserer alten
obrigkeit, Graff Ernst Casimir von Naßaw Sarbrucken etc. Gd.
drej dage vor dato das Ampt Glejberg widervmb eingeraumet,
Ist dieser fast dag abgeschriben, vnd soll in Kurtzem ein ander
bus-fast-bet-vnd dancksagungs dag ausgeschriebn werden.
Es hat aber der Furst von darmstadt dis Ampt 10 jar weniger etlich wochen
innen gehabt.
Die Schantzen vff den bergen vmb vnser dorff weisen auß wie die
Schwedisch Haupt Armee logirt, vnd solches in die vierte wochen lang.
Vff Ostern S
Coenam 18 personen administrirt.
Den 15, 7b(ris). 13 personen S. Coenam
administriret.
weil die Schwedische vnd Kaijßl. Armeen vmb Marpurg vnd darin gelegen
von Advent voriges jahrs, bis 6 wochen nach Christag 648. haben wir müßen
ausziehen, vnd also dz H. Abendmahl nicht halten können.
oo: A(nn)o
1647.
den 5. t. xb(ris). Caspar Wagnern vnd
Ann-Elsen
Johannes Frechen wittib copuliret. weil die Schweden
vor den Kaijserlichen gewichen biß hinder Caßel, vnd die Kaijß.
marpurgk belagert, derentwegen es von[ver?] nomen[?] sehr vnsicher
sind wir den 1. Advents Sondag [= 28.11.1647, jul.] in der nacht mit vnserem
viehe etc.
nach wetzflar gezogen, welche ..[Fleck] ieß[?] Reüterej zu Salvaguarden
hatte(n).
wird also von hieren der gantze Lahnstrom biß oben auß v. daß gantze
Heßenland vollend in grund verderbt, vorm jar hauseten die Schweden
dieser örter auch also, v. haben die Fürsten von Heßen durch ihre vnejnigk.
ihre Schlöß(er) im Ampt Marpurg selbst zersprengt.
[Ab hier ist die Schrift sehr stark verblaßt:]
nach dem newen jar aber haben die Kaijß. marpurg die stadt
geplündert, dz Schloß aber nicht inbekumen[?], Zurück ins Francken=
land gewichen, die Schweden aber sind ihnen nachgezogen, vnd haben
dem Fürsten von darmstadt alle seine Schlöß(er) v. Städte im Vogels
berge geplündert, endlich den 1 t Feb. Vber den maijn in Francken
lang gangen, vnd sind wir armen leüte vff lichtmeß wied(er) heim
gezog(en)
~: a(nn)o 1648.
Den 30 Januarij Hanß Georg Kahln ein
sohn getaufft, Johann-
Philips. Propater Ich Pfarrer, vnd Promater Elßgen
Johannes Joachims Hausfraw. Ist auch zu wetzflar jung[??] worden
vnd vff erlangten consenß durch mich im Hause daselbst getaufft,
weil die Schwedische vnd Kaijß. Armeen dieser orten [?]verstört[?] vnd
wir 12 wochen[?] nunmehr zu wetzflar gewesen.
A(nn)o
1648
Dominica 18. pt. S. Coenam 14 personen
administriret.
In der herbstmeß ist der allgemeine Teütsche friedens
schluß publicirt, vnd ist die Schwedische Armee, dieser
orter ins winterquartier ausgetheilet, vnd ein gros
geld die Soldaten zubezahlen, in allen landen [?]erhoben.
nemlich 5 million.
[Ende der zeitgeschichtlichen Notizen von Pfarrer Johannes
Macrander im KB Garbenheim.]
=====================================================================================
1650 besteht in Linnes eine Schule. [Prot.
Vig.]
Die Einwohnerzahl von Klein-Linden bertug um 1650 etwa 125
Einwohner. [Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges
Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne
Quellenangabe.)]
Durch den folgenden Eintrag im Protocollum Vigelii vom 29.02.1652 ist
dokumentiert, daß Pfarrer Weigel in Linnes Abendmahl hält:
den 29. ich zu Lindes (weil das H. Abendmahl gehalt(en):)
sonder(..) Hir nach mittag fur den Caplan (der zu Hirnßheim ein Kind zutaufen
hatte:) geprediget, letzt theil des Evangel. Vom Blinden am Weg.
Merkwürdigerweise schreibt Pfarrer Weigel an Ostern 1653, daß er nun das
erste Mal das Abendmahl in Linnes gehalten habe, siehe unten.
den 2. Mart. [1652]
haben die Lindeßer einen Zaun umb ihren
Kyrchhof gemacht. Hat seythero nach dem Kriegswesen noch immer offen
gestanden.
den 4. der Opfermann Dörner drauf gemacht.
[Prot. Vig.]
den 8. Mart. [1652] ist Henrich Weigel zu Lindes, von der Burg, darauf er bißhero des Junckern Hofmann gewesen, Herab gezogen, in sein eygen Hauß. [Prot. Vig.]
den II. Januar [1653]
hat Antonius Faust Studios. Francof.
eine Sanduhr in die Lindeßer Kyrch verehret vnd mihr durch eine magd von
giessen hergeschickt. welche ich den 23.hujus mit nach Lindes genommen vnd
gelifert, den Senioren auch 8 dage Zuvor angeZeiget habe. [Prot. Vig.]
[Er hatte vorher für Pfarrer Weigel in Linnes gepredigt.]
den 17. Januar [1653] hat der Opferm. Zu Lindes, Ludwig Haubt, die uhr stehen lassen, weil sie ihm keinen lohn darvon Zustellen geben wöllen. [Prot. Vig.]
den 25. Januar [1653] da ich meine besoldung von des Opfermanns vnd der Kühhirtin Haußgesesse Zu Lindes forderte, welche mihr noch die gantze Zeit außstünde, vnd mihr weder der Opferm. selbst, noch die gemeinde (alß welche ihm auch seinen lohn von der uhr weigerte,) geb(en) wolte. gieng die gemein Zusammen, vnd beschlossen, der Opferm. Sölte mihr selber meinen lohn geben, so wölten sie ihm seinen die 2. Jahr von der uhr Zustellen geb(en). vnd würfe sich ein ander auf, der es ohne besoldung von der uhr, verwalt(en), v. doch dem Pfarrer sein gelt selber geb(en) wölte. Sihe droben 17.hujus. [Prot. Vig.]
den 7. April [1653] Zu Lindes 55. Eyer bekommen auf gründonnerstag. Von Conrad Beckers frawen 0. welche Kranck war. [Prot. Vig.]
den 11. April [1653] auf Ostermontag hielte ich (auf begehren etlicher alter weiber, die die wegsteuer nicht haben nach Linden Zugehen:) das H. Abendmahl (ietzt Zum ersten Mahl) Zu Lindes waren 14. Communicanten; darunder Melchior Hildebrand der Hofrichter, so ietzt Zum ersten mahl bey mihr gehet, da ich nun schier 6. Jahr Pfarrer hir gewesen. [Prot. Vig.]
den 13. Januar
[1654]
Bettag alhie, (den ...(Kyrch?) Convent
underlassen) auch zu Hirnßheim (weil H. Collega unpäßlich war:) und endlich
Zu Lindes gehalten. Text Gen. 8.v. 13.bis zum 20. XVIII. Predigt D. Suarini.
Eod. ist Johannes Rau mit seiner Haußhaltung
von garbenteich gen Lindes geZohen, die Kühe und Säue alda zuhüten.
[Prot. Vig.]
den 3. Mart. [1654] habe ich auf geheiß des H. Superintendenten, desselben Bescheid der Lindeßer gemeinde vorgehalten, welches inhalt war, dz sie den Opfermann bey seiner freiheit solten lassen, wie Vnser gn. Furst und Herr ernstl. befohlen, und im gantzen Land der brauch werr: Oder er wölte sie von I(hro?) Fl. gtn. verklagen, wie auch dz er sich immer wegen der schule mit ihnen habe Zanken müssen, und daß sie mehr auf ihre Säwe, alß auf ihre Kinder, achtung gäben. diß war ein Bescheid auf Ludwig Haubts, Opfermanns (und nun mehr auch Schulmeisters) Klag, dz sie ihn (dem brauch mit seinen vorfahren gehalten Zuwider) von des Pfarrers besoldung (welche mihr nun von des Opfermanns Hauß 6. Jahr hinderstendig:) nit befreyen, ihm über das auch 2. Spethlr(?,wohl: Rthlr.), jährlich die uhr Zustellen, und dieselbe v. glocken Zuschmieren, nit geben wölten. Forderte deswegen den hinderstand (von 3. Jahren). [Prot. Vig.]
den 23. Mart. [1654]
56. Eyer zu Lindes aufgehob(en)
auf grundonnertsag.
NB. Conrad Beckers und Melchior Hildebrands,
Hofrichters, als deren weiber Kindbetterinnen; It(em) Jois Rauhen als
Kühe und Säwhirth, wil er fremd da, verschonet. [Prot. Vig.]
den 25. 9br. [1655] hat mein gevatter H. Christian Soldan Studiosus, fur mich Zu Lindes geprediget, an stat Sonntägl. Evangelii Zum text gehabt Matth. 3.v.8. Taufte ich darbey Johann-Ludwigen, Melchior Hildenbrands des Hofrichters Kind. waren ich und uxor auf dem Kindbett: Truncken roth win von Allendorf, mas 4.alb. NB Ein par maß hatten sie auch von gissen mitbracht, firnen win. [Prot. Vig.]
den 25. maji [1656] (auf H.
Pfingsttag) ...
Eod. 6 Kinder von Lindes (keine hiraus) confirmiret,
5. Knaben und 1. mägdlein. Vnter welchen war Nicolaus Möller von Heydelbach
bey Alßfeld her, der Schäfer Jung. [Prot. Vig.]
den 17. 7bris [1656] haben die Lindesser auf ihre Kirchweih keine Predigt bekommen, weil mihr nichts angezeiget war, und ich nit wuste, wz fur ein tag sie brächte, Davon mihr hernach den 19 ejusd. Philipps Eberts, bey der Kalckkauten sagte, daß sie Mariä geburt brächte. Auf welchen 19. 7br. ich doch per accitens .... bequemen text, in meiner ordentl. wochenPredigt erklärte aus 1. Chron. 23. vom vers bis zum ende. vnd darbey erZehlete, dz die Kyrche vor 43. Jahren erbawt werr. [Prot. Vig.]
den 7. Jul. [1657] hat der Kastenmeister gev. Elias Wagner 3. mas Kalck Zu Lindes vom Opfermann gekauft fur 9.alb. und gelescht und eingegrab(en) in den Früe(?)Hof. [Prot Vig.]
den 26. Julii [1657] habe ich angekündiget, über
8.tage das H. Abendmahl Zuhalte(en).
Zu Lindes Henrich, Jacob Jungen S. sohn, und Johann Jacob(en),
Baltzer Weigels, so das gebet wider die Zauberey, von mihr ab= und ihnen
vorgeschrieben, dz sie es ferner abschreib(en) und lernen solt(en), verlohren,
und in der Kyrch sich darumb zankten, iedem eine maulschelle gegeben. [Prot.
Vig.]
den I. Aug. [1657] Zeyget Johannes Eckhard von Lindes an, dz sein Kindlein, Johann-Andreas, so heut den 9. tag an den pfochen kranck gewesen, diesen morgen zwischen 6.und 7.uhrn gestorben seye, und er es morgen wölle begraben lassen. Ist 5. monat, weniger 12. tage (oder 20. wochen I. tag) alt worden. [Prot. Vig.]
den 16. [Aug. 1657] habe ich Marien, Jacob Jungen s. witwen Zu Lindes, auf ihr begeren, in ihr büchlein des intgenommen Opfergeldes, daran sie 3. f. so schuldig blieben, geschrieben dz dieselbe 3. f. und ferner noch 1. f. so sie überZugsgeld wegen ihres Sohnes Conrads frawen geben solte, mit thielen (36. wd(wurden??) fur 3. alb gerechnet,) beZahlet habe, fur den Altarstein. vnd dz Balthasar Weigel noch 4. thiele darZu (weil der Stein 40. thiele gekostet,) gegeben habe, welche ihm wider müssen erstattet werden. Hierbey war, in Hanß Lentzen Hauß, Baltahsar Weigel Senior, Ludwig Haubt Opfermann, Peter Lentz alß voriger, und Johannes Neidel als ietziger Burgmeister. [Prot. Vig.] [Jacob Jung war vor Ludwig Haupt Opfermann gewesen.]
den 21. Aug. [1657] spricht an Johann Reinhard Zu Lindes (Ann-Elisabeth uxor,) wil künftig Sonntag begraben lassen sein töchterlein Ann-Elisabeth, so 10. tage an den pfochen kranck gewesen, und dieses morgens zwischen 2.und 3.uhrn gestorben. 2 jahr weniger 3. tage alt. [Prot. Vig.]
Anno 1657 den 30 Dag Auguste
ist so ein greulich Wasserflut komen, daß unsern Hof
hinein gangen hat, daß es halb Manß hoch in unser Scheuerden(ne) hat gangen undt
in
den Kustal daß die Kelber undt Rindt Vieh in den Steln geschwome haben, daß die
Ku
Kreb (Kuhgrippe) hinaus dem Stal ist geschwomen und ist so lang beß Weter gewest
mit
Regen, daß das Gromet al auß den Wiesen ....(unleserlich)
[Sch.-Chr., Seite 146]
den 22. 7br. [1657] spricht an Johann-Georg Weigel von Lindes (Catharina uxor,) wil morgen begraben lassen sein töchterlein Elisabeth-Catharinen, so nächtens nach 11.uhr verschieden. morgen 3. wochen an den pfochen kranck worden, welche ihm wider vergangen, und es seythero innerliche Kranckheit gehabt. Ist 5. jahr alt gewesen 3. wochen vor Ostern. [Prot. Vig.]
den 28. 7br. [1657] hat der Leydecker Hanß-Henrich Zugmann, [Nachname unleserlich verbessert] so hie sich aufhält, das Kyrchtach Zu Lindes angefangen Zudecken, wo es mangelhaftig und 30. ejusd: verfertiget. Hat die decknägel dargethan. Sollen ihm geben 1. Rthlr. [Prot. Vig.]
den 9. Mart. [1658]
Alß ich gen Giessen gegangen war, hat
der Schulmeister die betstunde gehalten. [Vmtl. ist Lindes gemeint.]
Eod. hat mihr N. Joh. Just Velten Pedell Zu
giessen geliehen Passions-Predigten Herrmanns und anderer p m 4to. It(em) M.
Stumpf hat mihr gen Lindes geschicket, da ich sie in Hanß Lentzen Hauß
bekommen, Passions Predigten in Matthäum, Marcum und Lucam Dauderstadii etc. m
4to. Zu der Passion über S. Lucam dies Fasten Zeit über Zupredigen. diese
beyde müssen ihnen widergegeben werden.
Eod. der Juncker gen Lindes kommen, und Melchior
Hildenbrand von der Burg getrieben, welcher gen Linden (Zu Johannes
Gerharden ingezohen.) Am Rand: Hat der Juncker (schon Zuvor) Johannes
Spanheimern von Heuchelheim und Johannes Eckharden seinen Eydamen Zu Lindes, Zu
Hofleuten angenommen. [Prot. Vig.]
den 6. Januar [1659] gerechnet mit Baltzer Weigeln Zu
Lindes, wegen meiner besoldung .. ao -1658. Sagte, Joes Schwetzer
hette gegeben 2 1/2
Kopfstück an geld;
It(em) hat er mihr die wiese in der Lützellind. Lück(en)
2.mahl gemehet auf seine Kost, wz er dafur abZiehen wird.
der Burgmeister hat mihr gegeben
10.f. 15.alb (Schwetzers mehen ausgeschlossen,) das
erste Ziel.
5.f. 13.alb. 2.d. (mehen wider ausgeschlossen) das zweyte
Ziel.
4.alb. an 4. maß bier Hans Lentz mihr noch
bey vorigem Burgmeister gelassen, so er bey diesem abZencht[?abzieht?].
Ist Summa
16.f. 5.alb. 2.d. Sind 10. Hausgesässe
Stehen mihr noch aus
6.f. 8.alb. 2.d. darvon aber des Schwetzers mehen noch
abZuZiehen.
Hirauf hat er mihr ietzt gegeben
4.f.
[Prot. Vig.]
1658 erhält Pfarrer Weigel von Großen-Linden für seine
Gottesdienste in Lindes nur noch von 10 Hausgesäßen insgesamt 22 1/2 (Gulden)
jährlich. [Rudolf Weigel, Seite 31; Quellenangabe: 65: Otto Schulte und
Matthes.]
Im Jahre 1659 am 6. Januar verzeichnet Weigel, was ihm die Gemeinde Lindes
für die ganze seelsorgerliche Versorgung für 1658 schuldig sei. Es sind
im ganzen 22 1/2 fl., die der Bürgermeister von Lindes einzuziehen und an ihn
abzuliefern hatte. Er hatte sie von den zehn "Hausgesässen" (das Wort setzt
10 Häuser in Lindes voraus) einzuziehen und erhielt von jedem 2 1/4 fl.
Hundertzwanzig Jahre später war die Sache so geregelt, daß "jeder Einwohner,
wovon auch die Beisassen und Witwen nicht ausgeschlossen waren, jährlich an Geld
40 alb. 4 heller" beizutragen, daß ein Viertel dieses Geldes alle Vierteljahr
von dem Bürgermeister zu erheben, und daß für diese Bemühung derselbe von jedem
Betrag entbunden sei.
Ganz unabhängig von dieser Privatbesoldung bekam der Geistliche noch, laut einer
Aufzeichnung in einer Kirchenrechnung von 1778, 2 Achtel Korn (= 4 Ztn.)
jährlich Pacht von dem adligen Gut in Lindes, die zur Pastorei Großen=Linden
fielen. Sie wurden schon geliefert, ehe der Bau der Kirche zu Lindes im Jahre
1613 angefangen wurde und ehe noch der Pfarrer von Großen=Linden sich durch den
Privatvertrag gebunden hatte, "sich alle Woche nach Lindes zu begeben und den
Gottesdienst zu halten". In späteren Jahren hat die Gemeinde Klein=Linden
versucht, diese 2 Achtel Korn als zur Privatbesoldung des Pfarrers durch die
Gemeinde gehörig zuzurechnen. Es ist darüber lange Streit gewesen. [Siehe
bei 1817.]
Außer der obengenannten Besoldung hob der Pfarrer noch alljährlich am
Gründonnerstage zu Lindes Eier auf, wobei er die Kindbetterinnen und den Kuh=
und Säuhirt, wie er schreibt, "verschonte". Er erhielt der Kleinheit des Ortes
entsprechend nicht viel, einmal 56, ein andermal 72. [Schulte, Seite
121/122.]
den 21. Januar
[1659] .....
Eod. der Rentmeister Zu giessen, in sein und des
Ambtmanns namen mihr einen bescheid ertheilt, dz die Lindeser gemein mihr des
Opfermanns theil an meiner besoldung geben sollen; welches sie Zuvor nit thun
wollen. [Prot. Vig.]
den 21. Jul. [1659] hat das donner wetter Zu Lindes Baltzer Weigeln in einen Hausten Korn geschlagen, dz er verbrennet. Hatten 2. frembde under einem anderen Hausten nit weit davon gesessen, welche gesagt, die erde hette sich erschüttert, wie wan ein theil her und dar gienge. teste Hans Lentz 22. ejusd. [Prot. Vig.]
Der folgende Eintrag belegt, daß es schon einen
Schornsteinfeger gab:
den 3. 8br. [1659] hat der Schornsteinfeger von Giessen den Schornstein im
Pfarrhauß, (davon er 8. alb. fordert, so ich folgenten tag den Kastenmeister
geheissen ihm geben:) und den in der Schul, (davon er 5. alb fordert, so der
Burgmeister bezahlen mus:) gefeget. [Prot. Vig.]
den 4. 8br. [1659] ..... [Bericht von Pfarrer Convent
in Gießen]
Bey diesem Covent lase uns der H. Superintendent vor F(ürst)l(ichen) befelch,
dz vor vagirenten gesellen, ohne sein vorbewust, nichts aus d(em) Gotteskasten
geben sollen. ............
2. Propomirete ich, dz Johannes Eckhard Zu Lindes seinen schweher Johannes
Spanheimern geschlagen hette. Antwortete der H. Superintendent, Ich solte
ihm das vorhalten, und ihn darümb strafen, vorm Kyrchen Convent, und wan er Zum
nachtmahl gehen wölte. [Prot. Vig.]
den 30. 8bris [1659] habe ich den Lindesern auf der Cantzel angekündiget, morgen die schule wider anZufangen, und die Kinder darein Zuschicken. Habs auch sonderlich dem Opfermann anbefohlen, dz er sie halten solle. [Prot Vig.]
den 18. 9br. [1659] alß ich gen Lindes kam Zupredigen, sahe ich, dz gebick über die gaß her nach Joes Neidels Hauß gestrewet war. ward mihr erZehlet, es werr die nacht geschehen; weil Johann-Melchior Andermann, Hans Lentzen tochter Cathch(en) gefreyet, und abschlägig antwort bekommen hette. Zornete ich auf der Cantzel daruber. [Prot. Vig.]
Der folgende Eintrag belegt, daß Linneser Bauernsöhne auch in dieser Zeit
schon ein Handwerk erlernten:
den 29. 9br. [1659] erZehlete mihr Baltzer Weigel Zu Lindes (auf Hans
Lentzen tochter weinkauf,) daß sein sohn Conrad aufs schuster
Handwerck gewandert, und vor 14.tag nach marpurg geZohen werr.
[Prot. Vig.] Conrad Weigel und sein Bruder Philipp lebten später als
Schuhmachermeister in Hanau.
Am 12. Dezember 1659
sprach mich an Georg Sauer, Studiosus zu Gießen, daß er künftigen
Freitag für mich zu Lindes predigen möchte. Ich verweigerte es ihm anfangs, weil
er vergangenen Sommer an einem Sonntag predigen wollte und nicht gekommen war.
Als ich es ihm an einem andern Sonntag wieder erlaubt hatte, ist er in Lindes
bis in die Nacht hinein beim Trunk gesessen und (hat) an 14 Maaß Bier getrunken,
welches er obendrein der Wirtin schuldig geblieben. Jedoch weil er Besserung
versprach, auch die Wirtin bezahlen wollte, habe ich ihm verziehen und ließ ihn
predigen. Nunmehro war der Opfermann sehr zufrieden mit der Prdeigt und meinte:
der kann gut saufen, kann aber auch gut predigen. [Prot. Vig.; Abschrift F.
W. Weitershaus]
den 18. 10br. [1659] habe ich Conrad Peter und Conrad Becker zu Lindes anbefohlen, ihre Kinder in die Schul Zuschicken, welches mihr Conrad Becker vor 3. wochen (da er communiciret,) verhiesse, aber nit gethan hat. Entschuldigte sich, er könte nit soviel bekommen, dz er einem Kind ein buch kaufte. Alß ich ihm verwiese, dz er seine fraw den tag Zuvor und den tag hernach (alß er das H. Abendmahl gebrauchet,) geschlagen hette. Antwortete er: Er schlüge wol seine frau, und sie werren doch eins. dräwete (da ich mit dem Kind in die schul Zuschicken anhielte; Er hette schon einen weg, wüst wol, wo hinaus. It(em) da er der Kyrch heraus kame, sagt er, er käme an einen ort, da wölte ers gedencken; welches ich verstunde auf mich geredet: aber der Opfermann legte es aus, Er hette von der gemein geredet, welche er meyne dz sie ihm Zuhart Zusetze. [Prot. Vig.]
den 4. Januar [1660] spricht an Johann-Balthasar Lentz von Lindes
(Elisabeth uxor,) wil über morgen (festo Epiphanios) taufen lassen einen
jungen sohn (I. Kind), so gebohren worden auf S. Stephanstag (26. 10br.) vorigen
Jahrs morgens zwischen 2. und 3. uhr. gevattern I. Johann-Wilhelm Dern von
Lützellinden, der Kindesmutter vatter. 2. Catharina, Hans Lentzen Haußfraw,
Kindsvatters mutter.
Alß ich fragte, wie es Zugienge, dz die fraw 8. Monat nach der HochZeit ins
Kindbett kommen werr. Antwortete er, das weise Gott. Ich sagte ferner: Sie beyde
würden auch darumb wissen. Antwortete er dargegen: Er wüste nichts alß ehr
und gutes; er wölte eher, dz er nicht lebete.
den 6. Januar habe ich (weil ich unpäßlich war:) den Kyrchen
Convent hie underlassen.
Eod. taufte ich Zu Lindes Johann-Wilhelm, Johann-Balthasar Lentzen
Kind. waren ich und auch uxor über nacht da, und die 2. tage im Kindbett.
Kam des abend Johannes dahin, und sagte, dz nechstkünftigen Sonntag
mein Gevatter H. Christian-Moritz Soldan Studiosus, fur mich Zu Lindes
predigen wölte. [Prot. Vig.]
Diese und die folgenden Notizen aus dem Protocollum Vigelii sind hier
aufgenommen, weil sie exemplarisch die Bemühungen von Pfarrer Weigel aufzeigen,
erst die kirchliche Heirat, die meistens 1 bis 2 Monate nach der
weinkäuflichen Copulation erfolgte, als als Datum des Zusammenlebens eines
Paares aufrechtzuerhalten, bzw. durchzusetzen. Aus Großen-Linden hat er
dokumentiert, daß er Anweisungen gab, daß Frauen, die nach der weinkäuflichen
Copulation schon im Haus der Schwiegereltern lebten, wieder auziehen mußten.
Aus heutiger Sicht recht pikant wirkt natürlich, daß Pfarrer Weigel, trotz der
Vorwürfe und obwohl unpäßlich, zusammen mit seiner Frau 2 Tage die Kindtaufe
mitfeiert. Man könnte hier eigentlich davon ausgehen, daß der Streit mit dem
Ehepaar Lentz beigelegt ist. Dem ist aber ganz und gar nicht so, wie die
folgenden Einträge zeigen:
den 4. Mart. [1660] haben sich des morgens noch bey mihr im Hauß
ferner angeZeigt, Johannes, Jacobs Vigeliussen sohn, und Johannes Will
bender. Kamen aber gar keine von Lindes.
Eod. ich (nach gehaltener Predigt und H. Abendmahl alhie,) auch gen
Lindes gegangen und daselbst geprediget.
Nahm, nach der Predigt ins Opfermanns Hauß vor Johann-Balthasar Lentzen
sambt seinem weibe Elisabeth, und fragte sie darüber, wie es Zugienge, dz
sie zufrue, nemlich 8. monat nach der HochZeit, ins Kindbett kommen werr. wolte
keines Zufrüen beyschlafens, und eh es ihnen erlaubt gewesen werr, gestehen.
das weib sagte, wan sie sich anderer sünde so viel unschuldig wüste, alß
dieser, wölte sie keine haben. Alß ich ihnen dräwete, es vor den
Superintendenten Zubringen; antwortete sie, sie wölte mihr hinkommen, wohin ich
begerete. [Prot. Vig.]
1660 werden in der Leibeigenbeede nach Gißen 16 Haushaltungsvorstände mit ihren Frauen und 2 Witwen genannt. Nur bei Ludwig Haupt, der hier verlesen/verschrieben als "Ludwig Herbst" erscheint, wird die Frau nicht genannt. [Otto Stumpf: Einwohnerlisten des Amtes Giessen vom 15. bis zum 17. Jahrhundert (1470-1669); Seite 31.]
Die Zeit bringt es mit sich, daß auch der Glaube an Hexerei und Zauberei,
verbunden mit Geschwätzigkeit, allerlei Unheil bringt:
1663 werden in Gießen 2 Weiber aus Lißberg als Hexen verurteilt. Die eine
wird verbrannt, die andere mit dem Schwert hingerichtet.
Auch in Lindes geht 2 Jahre später
ein Gerücht um, das der Pfarrer in seinem Tagebuch festhält:
1665 "erzählte mir der Opfermann zu Lindes
[Ludwig Haupt, der auch
der erste Lehrer war], daß Anna Neidel, des Jonas[Johannes] Neidel
Hausfrau Pferd und Kuh des Johannes Konrad Weigel verhext habe, daß beide
verendet. In der Ölmühle zu Lützellinden habens die Leute zuerst erzählt. Die
Frau hat sich sehr darüber gebrestet und wills nicht gestehen." [Rudolf
Weigel; Seite 41 - Die Angaben enstammen dem Protocollum Vigelii.]
..... 1665 erzählte mir der Opfermann zu Lindes (Ludwig Haupt),
daß Anna, des Johannes Neidels Hausfraue, so er 1651 geheuratet, Pferd und Kuhe
des Johann Conrad Weygel so verhext habe, daß beide verendet. In der Ölmühle zu
Lützellinden habens die Leute zuerst erzählt. Die Frau hat sich sehr darüber
gebrestet und wills nicht gestehen. [Nachlaß F. W. Weitershaus nach
Protocollum Vigelii.]
Es ist wenig bekannt, daß um diese Zeit in Oberhessen und anderen rein
evangelischen Regionen genauso grausame, sadistische und unmenschliche
Hexenprozesse stattfanden, wie sie allgmein eher den katholischen Regionen
zugeordnet werden. So auch im Busecker Tal.
Gegen Anna Neidel aus Linnes, Mutter des späteren Lehrers Johann Peter
Neidel, wurde offensichtlich kein solcher Prozeß geführt, in dem es meines
Wissens nie einen Freispruch gab, da die "Angeklagten" entweder bei der Folter
ermordet wurden, oder unter der Folter die unsinnigsten, nur den perversen
Fantasien der Foltererer und "Richter" entsprungenen "Untaten gestanden" und
dann ermordet wurden.
Anna Neidel starb aber glücklicherweise als alte Frau in Linnes.
Solange wir unser Heimatland nur als Land der "Dichter und Denker" idyllisieren,
wird nicht bearbeitet werden können, daß wir auch das Land der "Richter und
Henker" sind.
Gerüchte, Tratsch, Verleumdungen und üble Nachreden sind bis heute Mode
geblieben; eigene Unfähigkeiten per übler Nachrede dem Nachbarn anzulasten,
usw., ist immer noch viel geübter Brauch, der, perverser Weise, oft von
besonders "christlichen" Menschen in kleinen Dorfgemeinschaften über
Jahrhunderte "gepflegt" wurde; ganz entgegen dem christlichen Gleichnis von dem
Splitter und dem Balken im Auge. Die Kirche trug ihren Anteil dazu bei, in dem
sie die "Kirchensenioren" per Verordnung zu Denunzianten bestimmte.
Bis heute werden durch diese schwerst krankhaften Verhaltensweisen Menschen in
ihrer Existenz getroffen und zerstört. Gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten,
wie sie damals allerdings noch wesentlich existenzieller gegeben waren, wird
Mobbing, Verleumdung und üble Nachrede zur vermeintlich besten Methode, in
unserer Ellenbogengesellschaft die eigene Haut zu retten.
Im April wird im Protocollum Vigelii von dem Mord an einer Groß-Lindener
Bürger berichtet, der sich nach der Ortsbenennung vmtl. noch in der Linneser
Gemarkung abgespielt hat:
den 27. April
[1666] ....
Eod. spricht mich Henrich Hofmann an, daß ich Johanneß
Eckharden, der vergangenen mittwoch (den 25. dieses) auf dem weg von giessen
her, vor unserem wald, durch einen schlag am öbersten geweb(?) am lincken arm,
und durch eine wunden, mit einer radschienen, auf der rechten/lyncken [verbessert,
nicht mehr feststellbar, was zuerst da stand] seiten, am Kopf durch die
hirnschal hinein geschlagen, verletzt worden, dz er daruber sein Leben hat
einbussen müssen, und heut morgen nach 7.uhren gestorben ist, über morgen (29.
dieses) LeichPredigt halten wölle.
den 28. April sindt Balbierer, Hermann-Vincentz Deich (beneben
seinem Sohn Johann-Danielen) und Georg-Reinhard Langstorf, auf commision der
Kantzl(ey), vom Ober-Schultheißen von Giessen hergeschicket worden, welches des
abends 7.uhren, in beysein 2. Schöpfen, Fritz Langen und Peter Bachen, Johannis
Eckhards s. Körper besichtiget; wie gros und tief die wunde auf dem Kopf
(aus welch(em) sie II. stücke Hirnschale aus dem hirn heraus gethan:) It(em)
wer der schlag am Lincken arm beschaften(beschauten??); hab(en) auch geseh(en),
dz er 2. schwartzbraune fleck(en) am gemächt (welches sie für stöße erkand
haben,) gehabt, vnd habe ich ihnen dieses aufgezeichnet, der Pistor abgeschrieb(en),
und er und die 2. Schöpfen underschrieben; welches sie dem OberSchultheißen,
alß Peinlich Richter, gen giessen mitgenommen haben.
den 8. Juli [1666] als ich von Lindes gen Linden gehen wollte, überraschte mich ein arg Donnerwetter, weshalb ich wieder umkehrete und beim Opfermann im Stall über Nacht blieb. [Nachlaß F. W. Weitershaus nach Protocollum Vigelii.]
den 30. 10br. [1666] habe ich das Schreiben des H. Superintendenten, den
Bus- fast= und bettag auf den neuenJahrstag betreffent, angekündiget, hie und
Zu Lindes.
Alß wir Zu Lindes aus der Kyrch giengen, hatte Enders Spanheimer des Johan
Reinhards sohn Johann-Petern, der sich mit Jois Spanheimers sohn
Johannesen genarret, vor der Kyrchenthür in das gesicht geschlagen, dz ihm
die nase über die gassen hin bis nach Hauß geblutet, welches mihr Johann
Reinhard hernach in des Opfermanns Hauß klagte, ob ich es strafen wölte,
oder wölte er ihn vor der Obrigkeit verklagen. Erlaubte ich ihm dieses,
begerete doch, noch ein wenig darmit inZuhalten, ich wölte ihn erst vornehmen
und daruber sprechen. [Prot. Vig.]
den 4. 9br. [1667] hat der Opfermann Zu Lindes wider angefangen schule Zuhalten. gehen 8. Kinder darin, 4 Knaben und 4. mägdlein. [Pot. Vig.]
den 20. April [1668] ......
Eod. kam Maria, Conrad Beckers tochter Zu Lindes Zu mihr,
klagte dz ihr vatter sie gestern, Zum 2.mahl wegen des betens geschlagen, dz sie
die nacht nicht hette getrauet, in dem Hause zubleiben, sondern in Joh.
Melchior Andermannß Scheuer gelegen hette; und bate mich, dz ich sie und
ihre schwester doch wölte auf Pfingsten Zur Confirmation annehmen, sonst wölte
ihr vatter sie im Hauß nicht lassen, und sölten sie ihr brot betteln.
verhörete ich sie den catechismum schlecht, und beschiede sie auf Sonntag Zu
mihr ins Opfermanns Hauß Zu Lindes zu kommen, sie ferner Zuverhören. [Prot.
Vig.]
den 16. Aug. [1668] hat Johann-Georg Mayer von wetter,
Studiosus Zu Giessen, fur mich Zu Lindes das Evangelium geprediget. gienge ich
doch auch dahin und hielte die Kinderlehr. Hatte einen andern Studenten mit
sich, Johanneß Kahlen[Rahlen? = verbessert] von wollmar, welcher mich auch
ansprache, über ein woch(en) odr 3. Zupredigen, verwilligte ich: sol mihrs aber,
wans gescheh(en) sol, noch Khundthun.
NB Eod. war einem Furmann von Homberg auf der Ohm, der einem mann daselbsther
einen Karr(en) voll siebe nach Wetzflar auf den marckt (so heut war;) hatte
führen wöllen, ümb 1. Rthlr., sein Pferd Kranck worden (dz Joes Neidel, in deßen
stall er under deß sein pferd gelassen den Karr(en) ümb 1 1/2 Kopfstücke nach
Wetzflar hatte führen müssen:) und under der Predigt gestorben. [Prot. Vig.]
den 18.7br. [1668] habe ich allein hir geprediget. Zu Lindes underlassen, weil ich vergangenen mitwoch(en) Kyrchweih Predigt daselbst gehalten hatte. [Prot. Vig.]
den 27. 10br. [1668] wehlete Johann Reinhard Zu Lindes, an seiner stat, Conrad Beckern, zum Burgmeister aufs künftige Jahr. [Prot. Vig.]
den 26. Mart. [1669] habe ich Passions Predigt gehalten aus Luc. 22. vom 54.vers bis zum ende, IV. Pred. Dauderstad. Hie atlein(allein?), bey dem Bettag; welchen ich vorig feyertag Zu Lindes gehalten. Alda nit in der Kyrch waren Joh. Balthasar Lentz, Conr. Jung witwen Knecht, beyde Burg Hofmänner, Joes und Endrß Spanheimer, Johannes Neidel, Joh. Melchior Andermann, Joes Eckhard. Zehlete uf ümb, fragte nach ihnen, und thete ermahnung widr solchen unfleiß. Conrad Peter Senior war kranck. Hanß Lentz hielte ich vor die Klage der leute, über sein auf d(em) samen fahren mit den schafen. Sonsten fiele beym Convent nichts vor. [Prot. Vig.]
den 9. April [1669] habe ich Passions Predigt gehalten aus Luc. 23.
cap. vom 23. bis zum 47. vers hie: Zu Lindes bis Zum Ende.
Eod. (auf Charfreytag) .......
Eod. Zeygete mihr Johann Eberhard Spanheimer Zu Lindes an,
daß (da er vor einem Jahr versprochen, wan ihm Gott Zur gesundheit wider
hülfe, er ein wüllen tuch auf den altar kaufen wolte: nun der Opfermann ein
wüllens gekauft hette:) er ein weiß flächsens drauf geben wölte. Sagte auf
Ostertag Zu mihr, dz ers aufbreyten wölte, da folgenten tag ein student da
predigen sollte. ist auch geschehen. Hatte es oben (über das schwartze wüllen),
der Opferm. aber den Sonntag hernach es under aufgebreytet; welches Spanheimerß
frauen nit hatte wöllen gefallen. [Prot. Vig.]
den 15. April [1669] spricht mich Crein, Georg Eckhardß s. von Lindes
witwe (ietzt Zu Watzenborn sich aufhaltend,) an ihre tochter Susannen, Georg
mancken, in wohnerß und Kirchen Senioren Zu Heuchelheim magd und braut
(welche auf Osterdienstag vom Pfarrer daselbst weinkauflich copuliret worden:)
nechstkommenten Sonntag (18. dieseß) I.mahl p auf Zurufen. gabe mihr 131/2 alb.
darvon ich ihr (weil sie arm, alt, kranck und lang eine witwe gewesen,) 3. alb
widr Zurück gabe.
NB. der Breutigam ist 80. Jährig, die Braut aber 26. Jahr alt, Zu Lindes
gebohren, und (da die mutter wegen Kriegsunruhen auslaufen mussen, und auf der
lehn gesessen,) Zu Giessen getauft, darnach draussen aufgeZohen, und hat nun ins
8. Jahr bey diesem Herrn gedienet und zwar also, dz seine vorige Haußfraue auf
ihrem todbett Ahngeraten, sie Zufreyen, welches er auch nun, wie wohl mit
iedermanns verwunderung, gethan hat. Gott beschere ihnen glück und segen, dz
sie ihn in seinem alter pflegen, und es selber geniessen möge! [Prot.
Vig.]
den 23. April [1669] ....
Eod. habe ich monatliche Bettags Predigt ....
Eod. Zu Lindes hielte ich Predigt Exod. 12. vom anfang bis Zum 6.
vers. I. und II. Pred. Vincent Schmucks zusamen.
Im Convent lief nichts vor, den daß die Senioren mihr erzehleten, wie ein
neuer würth dahin, in Baltz. Weigelß s. witwe ihm verlehntes Hauß
Ziehen wölte. Ich ermahnete sie, der Jugent das spielen und saufen auf die
Sonntage, It(em) das lehen[besen??] außwerfen auf walpurgis Zuwehren. Sage
ihnen auch von einer steuer Zusameln fur die verbrandte Fauerbächer. [Prot.
Vig.]
den 18. Jun. [1669] habe ich monatl. Bettag des morgens erst Zu Lindes gehalten, Text aus dem vergang. SonntagsEvangelio Luc. 16. v. 22.23. bis in den 24. auf die worte: Erbarm dich mein. Kil. imitiret und Dieteric. in Cateches: de vita aterna et de inferno. Im Kyrchen Convent Zeygten mihr die Senioren an, daß die junge ledige burß, auch junge männer, immer auf die Feyertage in Johann Reinhardß Hauß spielten und söffen; wölt(en) darvon nit ablassen, gäben auf sie nichts. [Prot. Vig.]
Der Bevölkerung nach zu schließen war der Ort [(Großen-)Linden] klein. In Weigels Protokollum findet sich eine Aufzeichnung, derzufolge im Jahre 1669 die Einwohnerzahl "auf fürstlichen Befehl hin" festgestellt worden war. Sie belief sich auf 434 Seelen, während Lindes deren 123 zählte. [Schulte, Seite 26.]
Eod. 30. 9br. [1672] gab mihr Johann-Conrad Knortz Zu Lindes 24. alb. fur seine HochZeitPredigt. Aufrufgelts ließ ich ihm nach, weil ich bis den 2. morgen bey ihm auf der HochZeit gewesen. [Prot. Vig.]
FB Giessen, Otto Stumpf, Band 3, Ortsfremde:
Am 09.12.1672 wurde in Gießen Gottfried Eberhard Möller, ein Sohn des
Allendörfer Müllers Conrad Möller, getauft; dabei heißt es:
... "des Möllers auf der Sorg u. s. Hfr., die wegen der Kriegsgefahr anher
geflogen."
+/#: Anno 1672. [KB Garbenheim.]
Den 13 tl Decembris, Johan Georg Koch, vnserer Kirchen Senioren einer,
begraben, war den 8tl hujus zwar gestorben, weil aber die Chur Branden=
bürgische vnd Kaijserliche Armee, ihren rückzug durch diese örter genommen,
muste man die leiche so lange in Keller stellen.
Eod. [14.12.1672] spricht mich Joh. Reichard Bach an, morgen Henrich Jungen Zu Lindes, der gestern die nacht, zwischen dem 12. und 13. dieseß gestorben, [darüber:] ungefehrlich ümb 2. uhr, dz es seine fraue nit gewahr worden, auch wegen Kriegsunruh und gefahr keine uhr geschlagen, die Leich Predigt Zu halten. [Prot. Vig.]
den 28. 10br. [1672] ist der Reuter, so von den Keyserischen kranck ligen
blieben, bey Gev. Johannes Willn, hinweg geführet worden nach
Lützellinden.
den 30. 10br. hat es Kiseln geworfen. [Prot. Vig.]
Die Kriege Ludwigs des XIV.
Auch von den Eroberungskriegen des französischen Königs wird Lindes nicht
verschont. Nur, um die Schrecken eines jeden Krieges aufzuzeigen, lesen wir in
dem schon oft zitierten Buch des Großen-Lindener Pfarrers: [Protocollum
Vigelii]
1672 "Die Gemeindsleute Balth. Lenz, Konr. Becker, Heinrich Jung und
Johann Neidel sind vom Oberkommando, so in Gießen liegt, gezwungen
worden, mit ihren 4 Karren 400
Musketen (Handfeuerwaffen mit Luntenschloß) von Gießen nach Darmstadt zu fahren.
Am 4. Okt. ging ich nach
Lindes, um zu predigen, aber vergebens, weil der Ort von Menschen leer war.
Am 13. Okt., als ich zu
Lindes auf der Kanzel stand zu pedigen, kam eine Partie Reuter, die gen
Frankfurt wollten, vor das Kirchentor
geritten und begehrten
den Weg gezeigt. Ich mußte abbrechen und ohne Schluß von der Kanzel gehen. - In
der Lückebach haben sie
einem Juden von
Hochweisel 2 Reichstaler abgenommen:
1673 Am 12. Mai war der Landgraf in Gießen und hat befohlen,
daß die Bäume und Hecken vor Gießen sollten abgehauen werden wegen der
Kriegsgefahr. Die Leute
sollten sich auf 1/2 Jahr mit Proviant versehen.
Am 12. Juni ist ein
Franzos von einem Bauer beim Wetzlarer Schlag erstochen und in das Gebüsch
versteckt worden.
Am 6. Juli ging ich
nicht gegen Lindes zu predigen, weil ich hörte, daß niemand da wäre als die
französischen Reuter, die ganze Gemein
aber nach Gießen
geflohen.
Am 9. Juli haben die
Franzosen in Dutenhofen 16 Scheuern und 3 Häuser abgebrannt. - Vier
Männer brachten in einem Backtrog einen
Burschen von
Vollnkirchen, den die Franzosen erschossen und ihm die Schuhe ausgezogen.
4. August. Nachdem der
französische General Turenne 4 Wochen in Wetzlar gelegen und nun aufbricht nach
der Wetterau zu ziehen,
kann das Abendmahl nicht
gehalten werden. - In Lindes sterben viele Leute an der Ruhr, dieweil sie in
ihrer Not unreifes Obst essen.
1673, Frühjahr. Der Pfarrer von Dutenhofen hält bei mir um ein Almosen
aus dem Gotteskasten an, weil er ganz ausgeplündert, sein Vieh
und alles verloren hat.
Am 4. Juni ist der
Pfarrer von Volpertshausen vor den Kriegern geflohen und mit Weib und Kindern,
Kühen und Säuen zu uns gekommen,
weil vergangene Nacht die
Franzosen mit Bewilligung des Grafen von Gleiberg in das Schloß gekommen sind.
1674. Am 24. Okt. wird ein Soldat begraben, der im Backhaus
gestorben ist. Für das Begräbnis werden den Trägern seine Schuhe und sein
Hut gegeben."
[Rudolf Weigel; Seite 42/43; nach Protocollum Vigelii.]
Im KB Garbenheim ist dazu
1673 in den Abendmahlslisten zu
lesen:
Vff Pfingsten solte zwar, daß Heilige Abendmahl gehalten worden sein, weill
aber die
Frantzösische Armee dieser örter einquartiret worden, ists nicht gehalten
worden.
Diese Armee hat die Feldgewechse, gras, frucht, vnd die bäw sehr rui=
niret, die
fenster all zerschlagen, die ofen zum theil zerschlagen theils vmbge=
rißen, alle ejserne Bauch vnd schloßer an thüren, Kasten vnd dischen abge=
schlagen vnd weggetragen etc:
Den 12 tl Augusti ist diese Armee ins Franckenland gezogen, vnd sind
wir widervmb heimgezogen, Es sind dise völcker bej 15 wochen im Ampt Gleiberg
vnd zu wetzflar gelegen.
Der acker ist vngebauet plieben, die beßerung in vnsern höfen v(er)dorben,
die Sommerfrucht haben dise viele völcker, zu Roß vnd fues in solcher
zeit verfüttert, verfreßen vnd vergeüdet.
Die Winterfrucht pleib mehren theils stehen, durchwuchs mit feldwicken
gras vnd vnkraut, ward zwar endlich abgemacht, aber vor
Martini kaum alle heim bracht vnd der acker beseet, in gleichem
auch hew vnd grummet, vnd ist also der künfftige schade,
dem erlittenen gleich zuachten.
Es haben auch diese völcker, eine böse schwachheit hinderlaßen, daran
viel leüte in den dörffern sterben, vnd auch alhier, laut newen
Kirchen buchs.
[Und ebenfalls dort:]
Vff Pfingsten
Anno 1675, haben nachgesetzte sich Zum heiligen Abend=
mahl angeZeiget. Confirmati.
Es sind aber die Lünebürgische Völcker, in diese örter einquartirt
bej acht dagen still gelegen, vnd endlich naher Cobolentz gezogeen etc. wir
haben
vns zu Wetzflar in den Pfingstfejerdagen vfhalten müßen;
den 6. Jun. [1673] ......
Zu Lindes im Convent ward geredet von Johann-Conraden, Henrich Weigelß
sohn, sambt seiner dirnen Zufordern: sagten aber, er werr ietzt Zu Giessen,
da er sich fur einen Soldaten hette annehmen lassen. [Prot. Vig.]
den 9. Julii [1673] hat es Zu Dudenhofen gebrandt. Sind 16. scheuern, auch eine Ziemliche anZahl anderer bäue, und 2. oder 3. Häuser gantz abgebrandt. ümb 10. häuser aber beschädiget. [Prot. Vig.]
Am 10. August 1673 kann Pfarrer Weigel nicht [von Großen-Linden] nach Lindes zur Betstunde reiten, weil er wegen eines Rudels Wölfe, das geradewegs auf ihn zukommt, umkehren muß. Der Opfermann in Lindes muß daher die Betstunde halten. [Rudolf Weigel; Seite 33. Nach Otto Schultes Vigeliusbuch; ursprüngliche Quelle: Protocollum Vigelii.]
1674, am 24. Juli war zu Lindes ein Brand, wobei 3 Scheuern samt den Ställen abgebrannt. Anna Elisabeth, Johann Eberhards Zusen Witwe, Tochter des Kirchensenioris Velten Wagner, also verirret war und an einer Kette gelegen, machte sich dvon los, steckte ihte Scheuer in Brand und lief bey aufgehung des feuers in die Löhn, daraus sie der Schultheiß mit 6 Männern holen ließ. [Nachlaß F. W. Weitershaus nach Protocollum Vigelii.]
+: Anno 1675.
Den 22 tl Maij. Johan Wilhelm, Jonas Am End söhnlein, 1 jahr alt,
Zu Wetzflar gestorben, nb. Die Lünebürgische Armee lag in
diesen örtern, bej 12 dage stille, mit großenm schaden vnser
Armen leüte, Zogen sich endlich hinvnter nach Cobolentz etc:
wir hielten vns mitler Zeit Zu Wetzflar. [KB Garbenheim.]
#: Anno 1675.
Den 9 tl Novembris, Johan Friderich Tesch 70 jar alt, begraben,
den siebenden, lagen alhier zwej Compagni Kaijserliche Völcker, dieser
verstorbene wolte seinem Coronet Hew außruppen, felt vom gerüst,
stirbt 12 stunde hernach. [KB Garbenheim.]
den 27. April [1676] ist das Centgericht Zu Lindes (so in II. Jahren nicht gehalten worden) vom Schultheißen Zu Heuchelheim, H. Georg Burcken, zum I.mahl wieder gehalten, und Conrad Peter Zu Lindes Zu einem Schöpfen erwehlet worden. [Prot. Vig.]
den 25. Jul. [1676] sagte mihr der Opfermann Zu Lindes, daß unserß gn. Landes Fürsten Bruder H. Landgraf Georg; It(em) der graf von Greifstein (welcher vor 8 tagen noch vor seiner Schmidten gewesen,) gestorben wären. [Prot. Vig.]
den 30. 9br. [1677] habe ich hie, H. Eydam Zu Lindes die AposteltagsPredigt gehalten; er auch Zu Lindes die Beicht. Haben sich 14. Communicanten auf künftigen I. Advents Sonntag angeZeyget. den 15. Conraden, Conrad Peters sohn, hat er, wegen ungehorsamb gegen das Predigambt Zurückgewiesen. [Prot. Vig.]
den 16. 10br. [1677] ich hie, H. Eydam Zu Lindes geprediget. Sagte, die Lindeser hetten geklagt, man wölte ihnen die krancken Soldaten von giessen hinthun gen Lindes. die giesser wölten sie alle hinaus haben. [Prot. Vig.]
den 28. 9br. [1679] ....
Zu Lindes hatte H. Eydam dem Johanneß Schwetzern hart verwießen sein
neuliches greuliches fluchen auf der gassen bey außfahrung mit den Kihen.
verb..heß(?) Er, durch seinen Zorn hatte wöllen verthedigen.
Hatte Catharinen, Joh. Melchior Andermannß frau und Conrad ...[verbessert,
unleserlich]igelß frau, versöhnet, den langwierig haß fallen
zulassen. [Prot. Vig.]
den 28. 10br. [1679] (auf Sonntag nach dem Christtag,) habe ich für H. Diaconen n.mittag hie die Epistel geprediget. [?]er hat 4. da er vorm grossen gewässer nicht kunte von Hirnßheim herüber kommen. Endlich noch am abend, über die aw herab, (Zum theil von Johann-Conrad Schmidten getragen: ) durch die diesebach her, herKommen war. [Prot. Vig.]
den I. Januar [1680] .......
Zu Lindes hat H. Eydam Eckhard, auf den Neu Jahrs danck= bus= fast=
und bettag 2. mahl geprediget, auch das H. Abendmahl gehalten, welches wir nicht
schuldig gewesen, sondern sie hetten hergehen sollen. [Prot. Vig.]
den 9. Januar [1680] Zu Lindes in Joeß Lentzen Scheuer des morgens ein Reuter von Rittmeisterß Rabenau Compani tod funden, von Balbierern erkennet, dz er sich Zu tod gefallen Hans-Conrad Gerf gnt., von Alten Buseck dahin ihn den 11. dieseß seine Eltern und brüder geführet Zubegraben. [Prot. Vig.]
den 25. Mart. [1680] hat H. Eydam Zu Lindes geprediget, und den Bettag mit gehalten. Im Convent nicht vorkommen, dan daß das saufen und spielen in Johann Reinhards Hauß nit wil ingestellet werden. [Prot. Vig.]
den 23. April [1680] .....
...... Zu Lindes ward mit Johann Reinhard geredet, er das saufen
und spielen auf die Sonntag in seinem Hauß abschaffen, oder wöltn wir ihn
strafen und es der obrigkeit klagen. gab zur antwort, Es gienge ihn nichts an,
sein sohn führete die wirtschaft. Solens dem sohn sagen, bleiben
Zulassen. [Prot. Vig.]
den 23. May [1680] hat H. Eckhard hie und Zu Lindes geprediget. Zu Lindes der Soldat hinderstendige contribution gefordert. Hatten die Lindeser gesagt, sie hetten in den 3. Jahren 2067.f. contribution, und 300.f. dienstgelt gegeben. [Prot. Vig.]
den 16. 9br. [1680] ....
NB auf dem wege nachheim eu(?) sagte mihr Joh. Friedrich Schäfer, der Juncker
BurgHofmann von Lindes, dz sein Juncker Bernhard von Weiterhaußen, bey
dem er ietzt gewesen war, die Burg verkauft hette Juncker Frenden(?) auf
der Altenburg bey Alßfelde welche selber auf künftigen Peterstag darauf ziehen,
und sie bewohnen wölte [Prot. Vig.]
den 9.10br. [1680] (habe aber unversehens den 8.
gesetzt:) habe ich Henrich Schmeltzeisen (nach dem sie ihn Zu giessen nit hatten
wöllen einlaßen:) einen Schriftlichen schein gegeben, daß ihm fur seine krancke
Kindbetterin möchte gesteuert werden.
Sagte, es werr ein mann kommen, der hette gesagt, daß man Zu Franckfurt kein
brot, auch nit einen weck feil bekommen könte. wegen mangel des mahlens.
[Prot. Vig.]
1680 Den 16 Dag
December ist so ein gros Kommett mitt so einer grose
Stral, die
niemals von keinem Menschen gesehen am Himmell ist worden.
Gott der almechtige wöll uns armen Leudt gnädtig undt barmhertzig sein,
alles Gott befohlen.
[Sch.-Chr., S. 151]
den 18. 10br. [1680] ist ein Soldat Zu Giessen (auf dem marckt, auf befelch des Commandanten,) geradbrecht worden, der(?) einen Sältzer umgebracht hatte. [Prot. Vig.]
den 19. 10br. [1680] hat H. Eckhard den Lindesern die
citation der Cantzley vom 17. dieseß, den 22. ejusd. auf der Cantzley Zuerschein
mündlich vorgehalten:
den 21. sie ihnen, sambt der Inhasions Schrift, auch
schriftlich gebracht,
schriftlich auf die Inhasionsschrift Zuantwort(en), und
sie Zur Fl. Cantzley. auf den termin wider einZulifern. [Prot. Vig.]
1680,
Burggut:
Im Jahre 1680 ging das Lehen für 2266 Reichstaler von Bernhard von
Weitershausen an Otto von Wrede über, dem es 1682 durch Lehensbrief
bestätigt wurde. [Klein-Linden -
Geschichte und Gemarkung - von Friedrich Wilhelm Weitershaus, Seite 82.]
den 14. Januar [1681]
....
Eydam Zu Lindes Joh. Peter Reinhard ermahnet, seinem stiefsohn den muthwillen
Zuwehren, der einen hund an die leute gehetzet; und seinen sohn in die schule
gehen Zulassen. Hatte vorgewendet, er gienge Zu giessen in die Schule. war
angeZeiget word(en), dz sie in Philipß Lentzen Hauß eine spielstube
wölten anfangen. Darauf Zuseh(en) und Zuwehren. [Prot. Vig.]
den 25. Febr. [1681] ....
NB dieseß Jahr ümb Peterstag is Enderß Spanheimer, gewesener Junckern
Hofmann, von der Burg Lindes, gen Heuchelheim geZohen. [Prot. Vig.]
den 1. Mart. [1681] da Joh. Friedrich Schäfer von Lindes hir gewesen eine magd Zudingen, hatte er gesagt, Er bliebe auf der burg: der neue Juncker Zöhe noch in einem Jahr nit dahin. [Prot. Vig.]
den 8. April. [1681] habe ich das erste mahl gehört die Nachtigal und gucKuck singen. [Prot. Vig.]
den 25. April. [1681] ward gesagt, daß der Turck, da er die ruthe (des neuen stern-cometen,) gesehen, sich dermaßen entsetzet und gefurchtet, daß er etlich tausend Christen, die er gefangen gehabt, solte los gelassen haben. [Prot. Vig.]
den 8. may [1681]
......
NB vergangene nacht war ein dieb dem Joh. Melchior Andermann Zu Lindes auf
seiner bäue gewesen, und hatte ihm weytzen stehlen wöllen: war aber von ihm
verjagt worden, und hatte er seinen Hut ertappet. [Prot. Vig.]
den 26. Junii [1681]
habe ich hie und Zu Lindes geprediget. und bin in die Lohn baden gegang(en).
[Prot. Vig.]
[Was damals wohl noch ein Vergnügen war.]
den 8. Jul.
[1681] ....den 22. Januar [1682] hat Joh Ludwig Stockhausen Zu Lindes geprediget. hat aber Paul. bekehr auf den 26. Januar. (solte seyn auf den 25.) angekündiget. Daß die Leute auf dem samen gewesen mit den schafen, da mein Eydam kommen Zupredigen, und er warten müßen, bis sie heim kommen. [Prot. Vig.]
Anno 1682 im Januaris
ist so ein groß Wasser gewest an vill Ortten, das bey
Mensche Gedächten ny so gros gewest ist, das vill daussendt Menschen sindt er-
drunken undt omkomme. Gott wölle es erbarmen.
Das Wasser hadt die Stäg bey Gisen hinweg geflist.
[Sch.-Chr., Seite 154]
Anno 1682 im August monat
hadt sich ein groser Stern am Himmel midt einer
grose Strall lasen sehen. Was dar auf folgen wirdt, wirdt die Zeidt geben. Gott
der
Allmächtig wöll uns arme Leudt gütlich undt barmhertzig sein.
Alles Gott befohlen.
Anno 1682 den 5. Dag December hadt sich am Himmel ein wonderlich Zeichen
einer
Schlange gleich lasen sehen. Was darauf erfolgen wirdt, wirdt die Zeit geben.
Alles dem liben Gott befohlen.
[Sch.-Chr.; Seite 155]
Die kirchlichen Beziehungen zwischen Lindes und Großen-Linden sind also besonderer Art. Eine Meldung aus dem Jahr 1682 weist noch einmal darauf hin. Damals wird Lindes von der Kirchengemeinde Großen-Linden aufgefordert einen Beitrag zur Instandsetzung der Kirche und der Pfarrgebäude zu leisten. Lindes weigert sich jedoch, da es selbst eine Kirche zu unterhalten hat. Außerdem weist man darauf hin, daß auch die ältesten Einwohner des Ortes nicht beschwören können, daß jemals ein Beitrag zur Unterhaltung der Großen-Lindener Kirchengebäude geleistet worden ist. Da man sich nicht einigen kann, kommt der Streit vor das Gießener Gericht. Dieses entscheidet, daß „Lindes nicht als Filial von Großen-Linden anzusehen und daher von dem Beitrag zu den Kirchengebäuden freizusprechen ist“. Die Nachbargemeinde legt gegen dieses Urteil Berufung ein. 3 Jahre später wird es daraufhin von Darmstadt verworfen und die Lindeser werden zu einem Beitrag „verdammt“. Ein Gesuch der Lindeser an die Gräfin Dorothea wird abgelehnt. [Rudolf Weigel, S. 37.]
Am 06. Februar 1694 zieht das
hessen-casselische Gelbe Regiment durch Klein-Linden. Beim Durchzug wird ein
Kind geboren, das am 07.02. in Leihgestern getauft wird:
den 7. T. Febr. hat Christian Qveßbach von Wallbrill aus dem Bergischen Land
\F/ v.
\F: Ein Musqvetier vom gelben Hessen Cassel Regiment/
Marg. s. Fr. Ein Söhnl: tauffen lassen: Gev. waren, p Hl Mauritius Hermann
von Malßburg Major under den Hessen, v. Lorentz Adamus Friederich vom Gehlen
Regim: so Ihm den Nahmen Mauritius Laurentius gegeben, war gebohren den Tag
zuvor im durch March Zu Kl.linden: [KB Leihgestern]
_______________________________________________________________________________________________________________________________
Kurze Überlegungen zur Sozialstruktur von Linnes im 17. und zum Wandel im 18.
Jahrhundert.
Bis zum Ende des 17. Jahrhundert lebten alle Linneser Familien fast
auschließlich von der Landwirtschaft. Nur 3 andere Berufe sind in Linnes
vertreten. Der schon 1557, in der ältesten erhaltenen Centgerichtsakte, genannte
Hans Schmidt wird 1665 als der wierdt Zum Lindiß bezeichnet.
Gerügt wird im gleichen Jahr aber auch Deß wierdts Jostd(en) bub. Später
ist Philips Schmidt der Wirt in Linnes. Er ist vmtl. ein Sohn von Hans
Schmidt. In der Wallsteuerliste von 1617 wird zu allen Genannten ein
Steuervermögen angegeben. Philips Schmidts Vermögen (980) ist mehr als doppelt
so hoch wie die nächsthöchsten Vermögen (415 & 414). Insgesamt wird für alle 18
genannten Familienväter ein Steuervermögen von 4882 Gulden angegeben.
Am 11.05.1620 wird Johannes Meckels deß wirdts magt am Centgericht
gerügt. Spätestens seit Beginn der noch erhaltenen Kirchenbucheintragungen ist
Johann(es) Reinhardt Wirt in Linnes; 1680 wird die Wirtschaft, nach
seiner Aussage, von seinem Sohn [welchem?] geführt. Vermutlich hat auch diese alte
Linneser Wirtschaft schon eine Fuhrmannsherberge besessen und es wurden
vermutlich auch schon Vorspanndienste geleistet.
1669 werden Johann Wilhelm Reichardt und Anna Margretha aus der Oberpfalz
bei der Taufe eines Kindes einmalig als Wirtsleute zu Linnes bezeichnet.
Hier handelt es sich sicher um den neuen würth, der am 23.04.1660
beim Convent in Linnes im Protocollum Vigelii, s. o., erwähnt wird.
Dieser Eintrag legt aber auch nahe, daß der darin genannte, verstorbene,
Balthasar Weigel auch eine Gaststätte betrieb.
Die beiden weiteren im 17. Jahrhundert noch genannten Berufe in Lindes hat ab
1650 Ludwig Haupt inne; er ist Schmied, Opfermann
und Lehrer.
Die Schäfer und Hirten kommen in dieser Zeit fast
immer von auswärts und werden wohl jährlich von der Gemeinde neu angestellt.
Ein Pfarrer lebt nicht im Ort; er kommt aus Großen-Linden und
übernachtet nur gelegentlich beim Opfermann. Die Sonntagspredigt in Lindes
fand im Winter am Nachmittage, im Sommer so früh am Morgen statt, daß noch am
selben Morgen in Großen=Linden der "Metten"=gottesdienst gehalten werden konnte.
Am Donnerstag fand die Wochenpredigt in Lindes statt; der Caplan oder
Diaconus (zweiter Pfarrer in Gr.-Linden und Pfarrer in Hörnsheim) hatte an
einem weiteren Wochentag eine Predigt in Lindes zu halten. Außerdem gab es
monatliche Bettage; siehe Schulte, Seite 50/51. Der Pfarrer war vom
Patronatsherr, hier der Landgraf von Hessen, eingesetzt und konnte von ihm
auch jederzeit abgesetzt werden; er war ganz "selbstverständlich" auch
ausführendes Organ der weltlichen Obrigkeit vor Ort und berichtete Verstöße
gegen staatliche Gesetze genauso selbstverständlich an die weltliche Obrigkeit,
wie Verstöße gegen kirchliche Regeln an die kirchliche Obrigkeit, das
hochfürstliche Consistorium. Zur Registrierung der "Verstöße" stand dem
Pfarrer der Kirchenkonvent, der in Großen-Linden aus 5 Kirchensenioren
bestand, zur Seite.
Der Pfarrer war das Werkzeug des gotteingesetzten Herrschers, das Volk für
das Reich Gottes zu erziehen. Darum nennt ihn [Pfarrer] Weigel "mein
Fürst und Herr", er schaut mit Ehrfurcht zu ihm empor. Er ist stolz darauf, ihm
zu dienen. Er ordnet anstandslos [bitte mal den doppelten Wortsinn
überlegen!] seinen Willen dem seines Fürsten unter, dessen Entscheidung ist
für ihn die ultima ratio, und nirgendwo findet sich im Protokollum ein Wort der
Kritik oder gar der Mißbilligung der Verordnungen seines Landesherrn"
schreibt Pfarrer Otto Schulte auf Seite 127 in seinem 1930 erschienen Buch über
seinen von 1647 bis 1682 tätigen Amtsvorgänger Philipp Weigel/Vigelius.
"Honoratioren" im Ort sind die Centgerichtsschöffen und die
Kirchenältesten, auch
Kirchensenioren genannt. Kein Mitglied dieser beiden Gremien wird
frei gewählt; die Gremien ergänzen sich nach dem Tod eines Mitgliedes jeweils
selbst durch die Benennung eines neuen Mitgliedes. Meist stammten 3-4 der 12
Centgerichtsschöffen des Centgerichts Lindes aus unserem Ort. Beim
Kirchenkonvent, dessen Größe für Linnes noch nicht gesichert ist, bestimmte
der Pfarrer mit über die Ergänzung; bei den Centgerichtsschöffen ist im
18. Jahrhundert belegt, daß die Obrigkeit in Gießen den verbliebenen Schöffen
einige von ihr Ausgewählte zur Auswahl vorgab.
Nachdem das Burggut 1680 in den Besitz der "de Wrede" übergegangen ist, lebt
diese Familie auch in Lindes. Die vorherigen Inhaber des Burglehens scheinen
nicht hier gelebt zu haben.
Eine Besonderheit ist, daß in Lindes sehr viele Theologiestudenten aus
Gießen ihre ersten Predigten halten. Dies ist in der Amtszeit von Pfarrer
Vigelius durch vielfache Einträge in seinem protocollum dokumentiert.
Familiengeschichtlich ist zu erwähnen,
daß im 17. und 18. Jahrhundert die meisten familiären Beziehungen mit Heuchelheim bestehen. Viele alte Linneser Familien stammen aus Heuchelheim, als Beispiel seien hier nur die Neidel, Weller, Rinn, Reuschling, Steinmüller, Volkmann und Germer genannt; Angehörige der Familie Lenz gehen nach Heuchelheim. Auch die Neidel gehen in einem Zweig zurück dorthin.Im 18. Jahrhundert gewinnen weitere Gastwirtschaften in
Linnes an Bedeutung. "Die Besitzer dieser Gasthäuser gelten bald als die
reichsten Leute im Ort. Sie halten Pferde- und Ochsengespanne, mit denen sie den
durchkommenden Reisekutschen und Frachtwagen Vorspanndienste leisten"
schreibt Rudolf Weigel auf Seite 44. Im Laufe des 18. Jahrhunderts kommt es
dadurch zu größeren sozialen Unterschieden in Linnes; anstelle des einen reichen
Wirtes gibt es nun mehrere. Außer Schmieden treten auch weitere
Handwerksberufe auf, nachweisbar sind Maurer und Zimmerleute.
Dr. Ernst Ludwig Theiß und Dr. Gerd
Steinmüller beginnen ihre Serie "Linneser Gastronomie in vergangenen Zeiten",
die im Linneser Backschießer ab der Ausgabe 49, Oktober 1999, erscheint, mit den
großen Fuhrmannsherbergen. Durch die Zusammenstellung aller Familien nach den
Kirchenbuchaufzeichnungen ergeben sich noch einige Ergänzungen zu den sehr nah
miteinander verwandten Wirtsfamilien, die hier kurz dargestellt werden sollen.
"Zum (schwarzen) Adler"
Dr. Theiß und Dr. Steinmüller nennen als Erbauer des Wohnhauses Johann Jacob
Jung (1665-1722), der ein Halbruder von Johann Caspar Reinhard, einem Enkel
des oben genannten Wirtes Johann Reinhard, war.
Er wird in den KB noch nicht als Adlerwirt genannt.
Sein Sohn Johann Balthasar Jung wird dann als Adlerwirt
genannt. Es fand sich in den KB keine direkte Nennung als Adlerwirt (Taufe
seiner Kinder, oder als Pate), bei der Heirat seines nachgelassenen Sohnes wird
er aber so genannt, siehe unten.
Seine Tochter Anna Eulalia heiratete Johann Ludwig Weigel (1695-1758),
den ersten bekannten Löwenwirt, der ein Sohn des Lehrers
Ludwig Weigel war.
Der Nachfolger von Johann Balthasar Jung als Adlerwirt war sein
Sohn Johannes Jung (1722-1778), der eine Tochter des Hirschwirts
heiratet; hier der Heiratseintrag aus dem Jahr 1749:
Johannes Jung, J. Balthasar Jungen, weyland Centgerichts-Schöffe und
Gastwirths im Schwartzen Adler zu Kll. ehel. ältester Sohn und Anna Elisabetha,
weyland J. Balthasar Lentzens, Gastwirths im Hirsch daselbst ehel. Tochter
wurden nach erhalten. gnädigst. Dispens von Darmstadt (weilen sie in tertio
grade lineae aequalis verwandt) den 5. Oct., war 18. p. Trinit., zu Hause
weinkäuflich cop. und Donnerstag, den 6. Nov. nach vorhergegang.
Hochzeitspredigt ehel. eingesegnet.
Nachfolger von Johannes Jung als Adlerwirt wird der gleichnamige Sohn
Johannes Jung (1755-1807), Schultheiß und Adlerwirt. Er war
verheiratet mit Maria Catharina Weigel, einer Tochter des
Centgerichtsschöffen und Schwanenwirts Johannes Weigel.
Nächster Adlerwirt war dann Philipp Jung (1781-1848),
jüngster (erwachsen gewordener) Sohn des Schulteißen Johannes Jung.
"Zum (güldenen) Löwen"
Johann Ludwig Weigel (1695-1758), Sohn des Schullehrers Ludwig Weigel
und verheiratet mit einer Schwester des Adlerwirts Johann
Balthasar Jung (s. o.), wird urkundlich nachweisbar erstmalig am 27.09.1726 anläßlich einer Patenschaft als Wirth im Löwen
genannt. (Er ist hier Pate bei der späteren Ehefrau seines einzigen Sohnes.) Die
Eheleute werden auch als Wirthsleute im güldenen Löwen genannt.
Der einzige Sohn, Johannes Weigel (1733-1774) ist der nächste
Löwenwirt. Dessen Ehefrau, die am 27.09.1726 getaufte Catharina Maria
Weigel, ist eine Schwester des Schwanenwirts Johannes Weigel
(1712-1788); dieser wiederum ist mit der ältesten Schwester des hier
behandelten Löwenwirts Johannes Weigel verheiratet.
Dr. Theiß und Dr. Steinmüller geben die Inschrift des oberen Hauses der Herberge
zum Schwanen an, nach der dieses Haus 1744 von Ludwig Weigel erbaut wurde. M. E.
kann deshalb ziemlich sicher davon ausgegangen werden, daß der oben genannte
erste bekannte Löwenwirt Johann Ludwig Weigel (1695-1758) der
Erbauer ist. Er vererbte dann seiner ältesten Tochter und ihrem Mann den
Schwanen und seinem einzigen Sohn den Löwen. Dies erklärt auch die Durchfahrt
zwischen den beiden Gaststätten.
Der Löwenwirt Johannes Weigel (1733-1774) hatte nur 2 Kinder, die beide klein
verstarben.
Als nächster Löwenwirt tritt Johann Henrich Rinn (1755-1786)
in Erscheinung. Er hat 1755 Elisabetha Margaretha Weigel (1751-1815), die
jüngste Tochter des Schwanenwirts geheiratet; sie ist eine Enkelin
des ersten Löwenwirts Johann Ludwig Weigel, siehe oben. Nach dem
frühen Tod von Johann Henrich Rinn heiratet seine Witwe 1788 Caspar Fischer
aus Langgöns (1761-1813). Beide Ehen der Löwenwirtin bleiben kinderlos. Caspar Fischer
wird noch 1809 als Löwenwirt bezeichnet. In seinem Sterbeeintrag
heißt es nur noch Einwohner und Gemeindsmann. Auch im Sterbeeintrag
seiner Witwe ist kein Hinweis auf den Löwen enthalten.
Spätestens ab 26.07.1816 ist der älteste Sohn des Schwanenwirts Johann
Ludwig Weigel (1745-1821), Johann Philipp Weigel
(1783-1843), der ab 1803 mit Anna Maria Jung (1776-1843), einer Tochter des
Adlerwirts und Schultheißen Johannes Jung (1755-1807),
verheiratet war, der Löwenwirt. Wie er in den Besitz des Löwen
kam, ist noch unklar. Der Sohn Caspar Weigel III.
(1814-1883) wird der nachfolgende Löwenwirt. Dessen Schwiegersohn Johann
Georg Schmidt aus Lützellinden (1842-1933) schließt 1879 den Löwen; siehe Dr.
Theiß und Dr. Steinmüller.
Wie groß das Vermögen von Johann Caspar Weigel III. war, zeigt ein Eintrag im
GemeinderathsberatungsProtokoll der Stadt Gießen vom 19.11.1863. Danach
hatte er der Sadt Gießen 2000 Gulden geliehen und die Zinsen wurden von 3,5 %
auf 4 % erhöht. [Frdl. Mitt. von Dr. W. Bingsohn, Gießen.]
"Zum (weißen) Schwanen"
Wie schon oben erwähnt ist Johannes Weigel (1712-1788), der Schwiegersohn
des Löwenwirts Johann Ludwig Weigel der erste bekannte
Schwanenwirt, als solcher erwähnt vom 06.03.1763 bis zum 22.09.1780. Seine Eltern Johann Balthasar Weigel III. (1682-1756) &
Anna Elisabetha, geb. Weigel (1683-1756) werden nie im Zusammenhang mit
einer Wirtschaft genannt, sodaß ziemlich sicher davon auszugehen ist, daß er den
Schwanen von seinem Schwiegervater bekam.
Sein Nachfolger als Schwanenwirt ist spätestens ab 24.10.1782 sein Sohn Johann Ludwig
Weigel (1745-1821), der auch Centgerichtsschöffe und Kirchensenior war; er
starb im 34. Jahr als Kirchenältester.
Dessen ältester Sohn Johann Philipp Weigel (1783-1843) ist ab 1816 Löwenwirt,
siehe oben.
Schwanenwirt ist spätestens ab 17.06.1820 Anton Weigel (1792-1836), der
jüngste Sohn des Schwanenwirts Johann Ludwig Weigel (1745-1821).
Nach Anton Weigels recht frühem Tod heiratet dessen Sohn 1837, wird aber dabei
noch nicht als Schwanenwirt bezeichnet. Seine Frau ist erstmals am 01.11.1840
als Schwanenwirts Frau Patin. 1841 wird zweimal bei Patenschaften seiner Kinder
Johann Ludwig Weigel (1784-1862), Antons älterer Bruder, als Schwanenwirt
bezeichnet. Er scheint scheint seinem Neffen aber nur kurzfristig beigestanden
zu haben, denn ab 1842 wird dann nur noch Antons Sohn Johann Caspar Weigel IV. (1816-1899)
als
Schwanenwirt bezeichnet. Er ist mit Maria Elisabeth, geb. Weigel (1811-1888),
einer Tochter seines Onkels Johann Philipp, des Löwenwirts, verheiratet! Johann Caspar Weigel
wird am 11.10.1857 noch als Schwanenwirt bezeichnet; 1860, beim Tod seines Sohnes Anton
wird er als Beigeordneter und Gutsbesitzer benannt.
"Zum Hirsch"
Bei der Gastwirtschaft zum Hirsch könnte es sich m. E. am ehesten um die
alte, namenlose Linneser Wirtschaft handeln, aber auch die Krone kommt dafür in
Frage. Von dem alten Linneser Wirt Johann Reinhard sind nur zwei Söhne
bekannt: Johann Daniel Reinhard (1649-1728) und Johann Peter Reinhard
(um 1651-1688). Keiner der beiden wird als Wirt genannt. Der einzige Hinweis
darauf, daß Johann Daniel eine Gastwirtschaft betrieben haben könnte, findet
sich 1724 in einem KB-Eintrag, daß eine frembde Weibsperson in Johann Daniel
Reinhardts Hauß ankommen ist und bald ein Kind geboren hat. Auch in
Großen-Linden benutzt der Pfarrer bei anderweitig sicher als Wirten bekannten
Personen oft die Formulierung "in ..... Hauß".
Johann Peter Reinhards Enkelin heiratet Johann Jacob Schupp aus Lützellinden,
den ersten bekannten Kronenwirt.
Johann Balthasar Lentz (1677-1743), Sohn des Schmieds Johannes Lentz,
verheiratet mit Anna Maria, geb. Reinhard, Tochter von Johann Daniel
Reinhard, ist der erste bekannte Hirschwirt. Auch er wird im KB
erst nach seinem Tod so genannt. 1728 ist seine Frau Anna Maria als "des
Wirths Johann Baltzer Lentzen Haußfrau" Patin, siehe unten. 1742 ist
die Taufe eines in "Johann Baltzer Lentzen Haus" geborenen Kindes
durchreisender Krüg-Leute verzeichnet.
Der "Hirsch" wird noch bis 1750 im KB erwähnt. 1746 starb in Lindes im Hirsch
ein fremder Krughändler an der Gelbsucht. Ebenfalls 1746 ein armer
blinder Mann aus Dauphin in Frankreich, und 1750 ist im Wirtshauß zum
Hirsch ein Collectant gestorben. Es ließ sich bisher aber nicht feststellen,
wer nach dem Tod von Johann Balthasar Lentz von 1743 bis 1750 (oder noch länger)
der Wirt im Hirsch war.
Johann Balthasar Lentz hatte 5 Kinder, die das heiratsfähige Alter erreichten.
Der Sohn Johann Melchior (1706-1765) wird bei einer Patenschaft seiner
Tochter 1751 als Wirt im Grünen Baum bezeichnet, er war mit Anna
Catharina Amend aus Allendorf verheiratet, kann den Grünen Baum also nicht
geerbt haben. Der 2. Sohn, Johann Daniel (1716-1773) wird nie als Wirt
genannt. Die Tochter Elisabetha Margaretha heiratete nach Leihgestern.
Der 3. Sohn, Johannes (1723-1761) wird ab 1752 durchgängig als Wirt
im grünen Baum genannt und stirbt auch als solcher; er war mit Anna
Maria Müller, einer Schultheißentochter aus Dutenhofen verheiratet, kann den
Grünen also auch nicht geerbt haben. Die jüngste Tochter, Anna Elisabetha,
heiratete den Adlerwirt Johannes Jung, siehe oben.
"Zum grünen Baum"
Es schien zuerst naheliegend, daß der "Grüne Baum" mit dem "Hirsch" identisch
sein könnte, dieser also nur umbenannt wurde. Dagegen spricht aber, daß die
Herberge zum grünen Baum schon 1728, 1738 und 1739 im KB genannt
wird. In dieser Zeit ist aber kein Wirt zum Grünen Baum bekannt.
Am 01.09.1728 wird in der Herberg zum Grünen Baum in Lindes ein Kind
geboren, dessen Eltern auf dem Weg zum Markt in Gießen waren und 8 Stunden vor
der Geburt in Linnes ankamen. Seltsamerweise ist bei diesem Kind Patin: des
Wirths Johann Baltzer Lentzen Haußfrau namens Anna Maria. Warum hat die
Hirschwirtin ein im Grünen Baum geborenes Kind gehoben? Waren "Hirsch" und
"Grüner Baum" doch eine Einheit, der Hirsch die Wirtschaft, der Grüne Baum die
Herberge?
Am 26.07.1738 stirbt allerdings im Wirths Hauß zum grünen Baum ein
Knäblein, welches eine Weibsperson dahin sehr kranck gebracht.
Am 09.08.1739 wird das Kind herum ziehender Zunder=Leute getauft, so
zu Lindes im grünen Baum geboren.
Erst 1751 wird Johann Melchior Lentz, der älteste Sohn des Hirschwirts Johann
Balthasar Lentz einmal als Wirt im grünen Baum genannt; von 1752
bis zu seinem Tod ist sein jüngster Bruder, Johannes Lentz (1723-1761),
als Wirt im grünen Baum nachweisbar. Wie die beiden Brüder zu Wirten im grünen
Baum wurden, ist unklar, da sie beide Frauen von außerhalb heirateten, siehe
oben.
[Als "praktischste" Lösung schlage ich vor, die Gastwirtschaft als "Hirsch
unterm grünen Baum" zu benennen.]
Johannes Lentz hatte nur einen Sohn, der erwachsen wurde, Johann Caspar Lenz
(1753-1805). Er war Centgerichtsschöffe, aber eine Nennung als Wirt wurde
nicht gefunden, ebenso nicht bei den Kindern des Johann Melchior Lentz.
Über die spätere gleichnamige Gaststätte "Zum Grünen Baum" berichten Dr. Theiß
und Dr. Steinmüller ausführlich.
"Zur (güldenen) Crone"
Erster Kronenwirt war der err. am 13.12.1691 in Lützellinden geborene
Johann Jacob Schupp (+ 1756). Er heiratete 1715 in Linnes Elisabetha
Catharina Reinhard (1696-1753). Sie war das einzige Kind des
Centgerichtsschöffen und Kirchenältesten Johann Caspar Reinhard, das das
Erwachsenenalter erreicht hatte. Die erste Erwähnung dieses Ehepaares als
Wirthsleute zur Crone findet sich bei der Taufe eines ihrer Kinder am
22.09.1726. Johann Jacob Schupp wird schon bald Centgerichtsschöffe und wird
dadurch dann als "Herr" bezeichnet. Am 18.08.1739 ist er als einziger Linneser
und Nichtadeliger Taufpate bei den de Wrede.
Sein Nachfolger als Kronenwirt ist sein Sohn Ludwig Caspar
Schupp (1738-1758). Er heiratete mit 18 Jahren die 16jährige Anna Elisabeth
Zörb, eine Wirtstochter aus Großen-Linden. Diese heiratet nach seinem frühen Tod
den Centgrafensohn Friedrich Christian Pflug aus Gönnern, der als
Kronenwirt genannt wird. Auch er stirbt im November 1760; sein Frau im Dezember
1760. Alle hier Genannten sterben an der hitzigen
Kranckheit oder an den Friesel,
die im 7jährigen Krieg viele Opfer in Linnes fordern.
Der nächste bekannte Kronenwirt ist der in Heuchelheim geborene
Johann Andreas Lenz (1736-1803). Er heiratete 1760 Maria Catharina Schupp
(1743-1792). Sie war eine Tochter von Johannes Schupp, einem Sohn des oben
genannten Johann Jacob Schupp. Dieser Johannes Schupp (1720-1764) hatte nach
Großen-Linden in den "Schwarzen Adler" eingeheiratet. Johann Andreas Lenz ist
nur von 1764 bis 1766 als Kronenwirt nachweisbar; lebte aber mit seiner Familie
weiter in Linnes.
1768
wird im KB Klein-Linden bei einer
Heirat der Brautvater als Gasthalter zur Cron dahier bezeichnet;
im KB Großen-Linden heißt es:
Herrn Conrad Diehls,
Rathsverwandten in Laubach, welcher
das Schuppische Wirthshauß zu
Klein-Lindes auf 3 Jahre gemietet, ehelich älteste Tochter
....
Was nach Ablauf dieses Mietvertrages mit der Krone geschah, ist bisher noch
unklar. Ebenso ist noch unklar, ob es sich bei den beiden folgenden
Kronenwirten um Inhaber der alten Gastwirtschaft "Zur Crone" handelt,
oder ob hier Neugründungen vorliegen.
Spätestens ab dem 05.01.1790 ist der spätere Centgerichtsschöffe Johann
Philippus Jung (1763-1831), ein Sohn des Adlerwirts
Johannes Jung (1722-1778), Kronenwirt in Linnes. Da seine Frau eine
geb. "Neydel" ist, ist nicht ersichtlich, daß er durch Erbschaft zum Kronenwirt
wurde.
Ebenfalls unklar ist, wie der aus Heuchelheim stammende Johannes Rinn II.
(1806-1885) zum Kronenwirt wurde. Er war seit 1834 mit einer
Tochter des Großherzoglichen Bürgermeisters Johann Philipp Weigel verheiratet,
wird von 1835 bis 1844 als Fuhrmann, 1855 als Kronenwirt und später als Wirt und
Weinhändler genannt.
Anläßlich der Plünderung von Linnes am 22.04.1797 findet
sich im Kirchenbuch ein langer Eintrag, siehe unten. Darin findet sich auch der
Satz:
Es ist doch auch ungleich bei der Plünderung
hergegangen, einige der reichsten Häußer in
der Obergaß hatten sich durch eine Parthie Kanounir Sicherheit verschaft,
daß sie nichts dabei verlohren.
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Am 18. Februar 1700 wird der Gregorianische
Kalender auch in den protestantischen Ländern, also auch in
Hessen-Darmstadt, eingeführt.
Er löst den Julianischen Kalender ab.
Eine Kirchenstrafen (Poenitenz)-Ordnung vom
01.05.1705 im KB
1/Teil 6 Großen-Linden beleuchtet die damals selbstverständlichen Eingriffe der
Kirche ins Privatleben:
Nachricht wie es mit
der poenitentz derer die sich nach fleischl(icher) Vermischung heurathen soll
gehalten werden,
vermög hochfürstl.
Verordnung ausgegangen am 1. May 1705.
1lich diejenige Personen, welche ohne vorhergegangenen EhVerspruch sich zusammen in Hurerey vermischen, nachmals aber entweder freiwillig oder auf zureden, oder auf rechtliche Erkenntnis sich einander heurathen, sollen zuvorderst vor dem Kirchen=Convent, von denen Predigern und Kirchen Senioren desjenigen Ortes, wo sie die Kirchen=Bus zuthun haben, ihrer begangenen Unzucht halber, zur wahren Buse erinnert werden, und nach gehends in einer Wochen Predigt sich in ihren gewöhnlichen Stühlen einfinden, und die Prediger ohne ihren Namen zu nennen, nach der Predigt der Gemeinde anzeigen, daß zwey Personen sich wider das sechste Gebott vergangen, nachmahls aber sich ehelich copuliren zu laßen, resolvirt haben. Dannenhero sie die Gemeindt bäthen, ihnen das Aergernis, so durch ihre begangne Sünde gegeben hätten, christlich zu verzeihen.
2tens Denjenigen, welche sich ordentlich zusammen verlobt, und nach der Verlobung vor der priesterlichen Copulation sich fleischlich zusammen gethan, soll nur von denen Predigern in gegenwart einer Paar Senioren in der Sacristey ihr begangener Fehler, daß sie vor dem Angesicht der christlichen Kirche falschlich ausgegeben, daß sie noch nicht sich ehelich zusammen gethan hätten, vorgestellt, und sie darauf nach Erkantnis ihres unrechts, zum Beicht=Stuhl und h. Abendmahl auf ihr anmelden zugelaßen werden.
3tens wegen dispensation soll vor die offentl(iche) poenitentz eine gewiße Geldstrafe halb in den Land=Kasten und halb in eines jeden Ortes Kirchen=Kasten gethan werden.
NB sind insgemein 5 fl. (Gulden).
NB Nachdem in der frstl. Verordnung der casus nicht determinirt, wann die poenitirende das Geld pro dispensatione nicht erlegen könten oder wolten, wie dann zu verfahren seye, so hat das fürstl. Consitorium zu Gießen in einem rescript unterm 30. Jan. 1720. es dahin Aeterminirt: quod 1mam classem, die ohne vorhergegangene Ehverspruch sich fleischlich vermischen, sollen zwar in einer wochen Predigt an ihren ordentlichen Plätzen stehen bleiben, aber doch ihre Vornamen genennt werden und sie auch antworten solten.
die 2da classis aber derer ordentlich verlobten solte in der Kirch an ihren ordentlichen Stühlen erscheinen doch weder ihr Namen genennt noch von ihnen eine Antwort erfordert sondern nur die Anzeige geschehen, daß zwey Personen, welche sich geheurathet, vor der priesterl(ichen) copulation sich ehlich zusammen getahn, etc.
Aus diesem NB ist deutlich ersichtlich, daß Wohlhabende
sich durch eine Geldzahlung eine Kategorie besser, in der Bestrafung, stellen
lassen konnten.
Arme dagegen mußten sich einer härteren öffentlichen
Diffamierung unterziehen, wobei dadurch die Geldstrafe natürlich keineswegs
erledigt war, im Gegenteil, sie mußte im Gefängnis abgesessen werden. Ein
Umrechnungsmodus in dem deutlich wird, wieviel Geld für einen Hafttag
angerechnet wurde, ist mir aus den Kirchenbüchern nicht bekannt geworden. Auch
ist mir nicht klar geworden, ob nur die Hälfte, die dem Land=Kasten, also wohl der Kasse des Amtsbezirks, zustand,
abgesessen werden mußte.
Noch 1755 findet sich folgender Pönitenzeintrag in Großen-Linden:
Montags den 17ten
Nov. nach gehaltener Bäthstunde thät stille Kirchenbuß auf hochfürstl.
Consistorial-Befehl weilen sie sich von Johann Phil. Petri von Weydenhaußen im
fürstl. Nassau Weilburgischen schwängern laßen, Anna Maria Klinckin von
Allendorf, welche als Magd dahier gedient hatte.
Zu diesem Eintrag ist ein Zettel eingeheftet:
„Daß Anna Maria
Klinckin von Allendorft die ihr angesetzte 15 Zehnen(??) Straffarmuths halber im
Gefängnuß verseßen, solches wird beschienen(?).
Gieß(en) d. 8ten 9bris 1755
JWittich
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Im Jahre 1698 wird Peter Neidel, Sohn des Gemeindemannes
Joh. Neidel zu Lindes Schulmeister. Er ist der Schwiegersohn seines Vorgängers
Ludwig Weigel und führt das Amt bis 1716. Seine Besoldung ist aufgezeichnet in
den Akten des Pfarrarchives zu Großen-Linden und lautet:
"Schulbesoldung zu Klein-Linden, wie solche am 18. Mai 1700 vor den
damaligen Schulmeister Peter Neydel verordnet und nachher bei dem Schuldiener
Wagner die Accidenzien (besonderen Leistungen) anders reguliert worden sind.
1. Ist von einem jeden Mann, der in der Gemeinde ist, 1/2 Meste Korn, ein
Sichling Korn und 1 Laib Brot und 5 albus Uhrgeld zu geben.
Dies muß ein jeder Einwohner und Gemeindsmann geben, und ist
das Brot auf Michaeli, das Korn und Uhrgeld auf Martinitag fällig.
2. Ist von einem jeden Kind, das in die Schule geht, 30 albus oder 1 fl.
(Gulden) jährlich vom 6ten Jahr an bis 1/2 Jahr nach der Konfirmation
(Himmelfahrtstag) zu entrichten.
3. Von den Kapitalien, die die Schule ausgeliehen hat, die Zinsen zu 3 fl. 7
albus (0,=4 M.)
4. Von einer Leiche vor das Gesäng 10 albus, und einen Laib Brot vor das Läuten,
und 3 albus vor die Personalien zu schreiben.
5. Von einer Kindtaufe 5 albus und vor das Wasser zu wärmen 1 albus vom Opfer.
6. Von einer öffentlichen Hochzeit 7 albus (0,04 M.), einen albus vom Opfer
nebst dem hergebrachten Rechte (Teilnahme an der Hochzeit).
7. Von einer stillen Kopulation 5 albus und 1 albus vom Opfer.
8. Bei Haltung des heiligen Abendmahls vor der Bemühen dabei 15 albus.
9. Vor den Opferbeutel herumzutragen 2 fl."
[Rudolf Weigel; Seite 48.]
Damit diese Lehrerbesoldung nicht ganz so exotisch wirkt, sei hier daran
erinnert, daß der Lehrer damals auch immer gleichzeitig Opfermann und Organist
(falls eine Orgel vorhanden) war. Die Punkte 1-3 beziehen sich hier auf die
Lehrertätigkeit; das "Beaufsichtigen" der Kirchenuhr (Uhrgeld) war allerdings
Opfermannstätigkeit. Punkt 4 erinnnert daran, daß der Lehrer und die älteren
Schüler bei einer "öffentlichen" Beerdigung mit Gesang "aufzutreten hatten." Das
"Personalien zu schreiben" war wohl eine Linneser Besonderheit; nachdem der
Pfarrer 1699 die Taufen von fünf Lindeser Kinder nicht ins Kirchenbuch
eingetragen hatte (wahrscheinlich waren auch viele Großen-Lindener Eintragungen
vergessen worden), wurde in Linnes von etwa 1700 an ein eigenes
"Standesamtsregister" vom Lehrer geführt (Wäre vmtl. sprachgeschichtlich sehr
interessant, da der Linneser Lehrer, anfangs in Platt, das Gleiche
dokumentierte, wie der Pfarrer in Großen-Linden in Hochdeutsch).
Die Punkte 5 bis 9 betreffen Tätigkeiten des Opfermanns, der wesentlich
weitergehende Funktionen hatte, als der spätere Kirchendiener. So hielt der
Opfermann z. B. bei Verhinderung des Pfarrers auch mal den Gottesdienst, oder er
vollzog Nottaufen, was aber auch der Hebamme erlaubt war. Besonders in Orten wie
Linnes, wo der Pfarrer nicht vor Ort wohnte, hatte der Opfermann schon einiges
zu tun.
Am 21.06.1701 tritt Lindes in einem umstrittenen
Vergleich seine Mitmärkerrechte am "Fernewald" an Gießen ab. Damit verzichten
die Lindeser darauf, daß sie in dem bei Annerod und Steinbach gelegenen Wald
zwischen dem Michaelistag und Ostern Holz für ihren Hausbedarf schlagen und ihr
Vieh dorthin treiben dürfen. Ihnen scheinen aber zu dieser Zeit die
Mitmärkerrechte gar nicht mehr bekannt gewesen zu sein; denn 1746 sagen 34
Gemeinsleute aus, daß sie nie einen Viehtrieb dorthin gehabt haben.
Die Einwohner unseres Ortes erhalten dafür das Recht zugesprochen, zusammen mit
den Gießenern das Gebiet zwischen der "Lindeser Hege" und den beiden Bachwegen
(250 Morgen) als Koppelhut benutzen zu dürfen. Zwischen den Bachwegen und der
"Centbann"-grenze ans Weyher nach Gießen zu (in der Höhe der heutigen
Veterinärkliniken) dürfen sie allerdings nur auf ihren eigenen Gütern krauten
und grasen; doch müssen sie dazu bei den Bürgern der Stadt anfragen.
Mit diesem Vertrag ist die Forderung der Lindeser, die Centbanngrenze als die
Gemarkungsgrenze anzuerkennen, nicht berücksichtigt worden.
Auf den 400 Morgen großen Ländereien dürfen aber bis 1845 die Lindeser
Feldschützen [vmtl. sind hier die "Centgerichtsschützen" gemeint, die nur
selten aus Linnes kamen] die Feldfrevel ahnden. [Rudolf Weigel,
Seite 44.]
Aus anderer Sicht:
Für das Jahr 1701 wird bei Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite 114, wieder ein
Vergleich zwischen Linnes und Gießen genannt.
Seine wichtigsten Bestimmungen sind (17):
1. Zwischen der Hege und den Bachwegen besteht nun eine gleichberechtigte
Koppelhut von Gießen und Klein-Linden.
2. Die Lindeser dürfen in Zukunft auf ihren eigenen Gütern auch zwischen den
Bachwegen und der Centbannsgrenze "ans Weyer" (nach Gießen zu in
Höhe der heutigen Veterinärklinik) krauten und grasen, wenn
sie vorher beim Bürgermeister von Gießen anfragen.
3. Kontribution zwischen Hege und Bachwegen versteuern Gießener Eigentümer nach
Gießen und Lindeser nach Klein-Linden.
4. Klein-Linden überläßt Gießen seinen Anteil am Fernewald an Grund, Märkerrecht
und allen Nutzungen (18).
5. Hege, bzw. Landwehr bleibt Gießener Gemarkungsgrenze und soll erneut
ausgesteint werden.
[Quellen: 17: Stadt AG GUB II,2/Nachtrag 13. / 18: St A D, XIV, E2, Konv.
62-64: Das Waldbuch von 1603 zählt Lindes zu den 13 Orten, die einst zur
Markgenossenschaft "Fernewald" gehörten.]
Seit wann und wodurch Lindes zu seinem Anteil am Fernewald kam, ist bisher
unklar.
Im Jahre 1703 will die Gemeinde ein Schulhaus bauen. Sie bittet daher um Bauholz aus dem Staatswald. Da in der Nähe keine Staatswälder sind, werden dem Ort "einige abgängige Stämme aus den Waldungen im Ambte Königsberg" angewiesen. Außerdem wird angeraten, sich das übrige Holz zu kaufen. Da diese paar Stämme aber mehr Fuhrlohn kosten, als sie wert sind und der Gemeinde sonstige Mittel fehlen, kommt es nicht zum Bau der Schule (80). [Rudolf Weigel, Seite 48. Quelle 80: Staatsarchiv Dm.; VI, 3. Konv. 45.]
1710 wird die "Lindeser Hege" an den Obrist von
Wrede verkauft; dieser behält aber nur 1/3 des Geländes und verkaufte den
Rest an die Gemeinde Klein-Linden weiter, die nach Abholzung der Bäume dort
teils Äcker und teils Wiesen anlegte und sie dann ihrerseits an die
einheimischen Bauern weitergab. [Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite 115.]
1710, Gießen verkauft dem Besitzer des Herrenhofes in Lindes, dem
Obristen von Wrede, ohne fürstliche Erlaubnis die "Lindeser Hege", deren Verlauf
schon im Abschnitt über das 16. Jahrh. beschrieben worden ist. Das Geschäft wird
getätigt, "weil die Stadt zuviel Prozesse und Verdrießlichkeiten gehabt hat".
Wrede bezahlt dafür 850 fl. (Gulden) (72).
Die Hege umfaßt 8 3/4 Morgen oder nach heutigem Maß 300 Ar. Auf ihr stehen 216
Bäume, die bald danach abgeholzt werden. 2/3 der Fläche veräußert der Obrist an
die Gemeinde weiter, die dort Acker- und Weideland anlegt. [Rudolf Weigel,
Seite 45. Quelle 72: Rady, J. B. - Die Zustände d. Stadt Gießen zu Anfang d. 18.
Jh.; MOV, Jgg. 1889, Bd. 1, S. 76.]
Am 15. April 1711
wird der Obrist und Commandant zu Gießen,
Johann Friedrich von Wrede in Klein-Linden beigesetzt. KB Gr-L:
Am 15. Aprl. wurde zu
Lindes in der Kirche beygesetztt H(err)
Joh. Friedr. von Wrede Obrist und Commandant zu Gießen woher die Leich mit
einem Comitat in Gutsch kam, der ich mit dem Schuldiener und Schülern vors Dorf
entgeg(en) gang(en). In der Kirche hilte eine Str... vorm Altar und
verlaß die personalia. Zu Gießen war auch Leichen Predigt gehalten.
Johann Friedrich
war ein Vertreter der von Wrede auf
der Burg in Lindes. (siehe Weitershaus, Seite 61/62)
1713 findet sich in einem Nachtrag im KB Gr-L, daß es viele Tote gegeben hat, weil Soldaten Krankheiten eingeschleppt hatten, wobei wohl auch 5 aus Gefangenschaft heimgekehrte Soldaten starben. NB: 1713 viele gestorben, weil Soldaten Krankheiten eingeschleppt.
1714
gab es den einzigen Kindesmord in Lindes, der in den KB dokumentiert ist: den 14.7.1714, nachmittags gegen 2, ist in dem Adelichen Wredisch garten als
hinter der Adelichen Wohnung ist und auft die Wetzflarer Straß stöset, ein todtes
Mägdlein gefunden worden,
welches des Adelischen Hofmanns Hundt aus einem Loch etwa 1 oder 2 Spaten stich
tieft herauß gescharren, worinnen daßelb von einer leichtfertigen Dirne
verscharret ward, noch lebendig auf die Welt kommen, doch alsobald nach der
Gebuhrt ohngebadet an diesen Ort gebracht worden. Es ist auch allem vermuthen
nach von einer frembderin, von keiner Lindeser Weibsperson dieses Laster
begangen worden, das todte Kind ist noch gemeldeten Tag von einem Medico und
Barbier, wie auch von einem Docter, aus Gießen auft der Regierung Befehl
besichtigt worden und dann auch eben den Tag ist es noch auf dem Lindeßer
Kirchhof begraben worden.
Das Tuch worinnen das Kind eingewickelt gewesen, ist von Leinwand gewesen und
auff den Ecken hat sich ein mit schwartzer Seyden bezeichntes Lateinisches D
befunden, welches doch so gemacht gewesen, daß es geschienen alß sollte der
vorderste Strichen zugleich auch ein 1 bezeigen, ... in modam D.
Ob die Eltern oder die Mutter des Kindes ermittelt wurden, ist nicht vermerkt.
Zur 200jährigen Wiederkehr des Reformationstages findet
sich der folgende Eintrag, Gr-L/KB1/Teil 6:
Erstlich am 30.
Octobr. 1717. soll ein großer Buß- Fast- und Bethtag, und zugleich nach
der letzten Predigt die Beicht gehalten werden: Texte sollen seyn:
Morgends Hos. IV, 1-7. Vnd vorm Altar zu verlesen. Dan. IX. 1-19.
Mittags Joh. II. 3,4.
Zweytens Am 31t.
Octobr. ist das rechte Jubel-Fest an welchem in allen Kirchen das H.
Abendmahl gehalten und eine Collect halb vor das Waißen-Hauß zu Darmstatt, und
halb vor jeden Orths Armen gesamlet, und sind folgende Texte zu erklären
Morgends
Colos. I.
12-14 Vorm Altar verlesen. PS. LXXXIX. 1-16. gesungen. Vor der Predigt. Eine Veste Burg ist unser p.
nach der Predigt aber: Herr Gott dich loben wir.
Mittags Joh.
XII, 35,36 und wird vor der Perdigt gesung(en): Nun welche hier ihr Hoffnung gar, nach der
Predigt aber:
Allein Gott in der Höh sey Ehr-
1717 soll Linnes 206
Einwohner gehabt haben. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von
Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung
Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)]
Im Jahr 1717 hat unser Ort 206 Einwohner. [Rudolf Weigel, Seite
46; Quelle: Matthes R. "Aus der Vergangenheit Kl.-Lindens."]
Die ursprüngliche Quelle dürfte die kleine Festschrift zur 300 Jahr-Feier der
Reformation von Pfarrer Christian August Hoffmann "Die Feier des dritten
Evangelischen Jubelfestes zu Gros= und Klein=Linden; Grosenlinden 1817", sein.
Dort heißt es, dem damaligen Kenntnisstand entsprechend, auf Seite 16:
Kleinlinden hat sich erst kurz vor dem ersten evangelischen Jubelfeste durch
Ansiedlung einiger (8) Familien, welche alle, eine einzige ausgenommen, aus
Grosenlinden abstammten, zur Gemeinde gebildet. Im Jahre 1613 wurde die dasige
Kapelle gegründet, und bis zum zweiten Jubelfeste, 1717, hatte sich die
Zahl der Einwohner auf 206 durch inneren und äußeren Zuwachs vermehrt.
Gegenwärtig [1817] beläuft sich die Seelenzahl von Kleinlinden auf 312,
übertrifft also die von 1717 um 1/3. Bis zum vierten Jubelfeste, 1917, könnte
sie wohl die Zahl von 450 - 470 erreichen.
Vom 6. Februar bis 7. März 1725 sterben in Lindes 6 Kinder an den Blattern.
1725
"Eine große
Feuerspritz mit dem Gericht angeschafft worden." Das Gericht Heuchelheim mit
den Orten Heuchelheim, Rodheim, Fellingshausen und Lindes kaufte eine
Feuerspritze, die in Heuchelheim stationiert war. 1753 werden Rodheim und
Fellingshausen von Heuchelheim und Lindes ausgezahlt; 1757 zerbrach die
Gemeinschaft zwischen Heuchelheim und Lindes; Heuchelheim erwarb eine eigene
Feuerspritze. Was mit der gemeinsamen Spritze geschah, ist bisher nicht bekannt.
[Siehe: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 81, nach einem Artikel in HiB, Nr.
33, 1932:]
"Beim Lesen des Berichts haben wir uns Gedanken darüber gemacht, wie die
Spritze bei Hochwasser nach Klein-Linden kam und wie lange das gedauert haben
könnte" notiert der Verfasser.
Der Jahresanfang 1726 muß sehr kalt und schneereich
gewesen sein:
den 6 ej: [Martij] ist alhier [Dorlar] begraben worden,
Johannes, Johann
Henrich Schmitts Sohn von Vetzberg, welcher ver=
wichenen Sambstag 7 wochen aufm breitenfeldt
erfroren, bißher unterm tieffen Schnee gelegen und
am schon gedachten Sambstag, von dem Atzbacher
Schûtz gefunden [KB Dorlar Atzbach, Begräbnisregister 1726.]
Samstag, den 11. September 1739 stirbt der Landgraf Ernst Ludwig nach 56jähriger Regierungszeit. Eintrag im KB Klein-Linden. Im KB 1 Großen-Linden findet sich folgendes:
Hier steht noch nicht ausdrücklich dabei, daß die Lindeser eine eigene Leichen-Predigt beim Ableben des Landesfürsten verlangten, aber wir können eindeutig davon ausgehen. Der Pfarrer beruft sich, wie üblich, auf altes Herkommen und Gebrauch und verweigert diese Predigt den Lindesern. Dieser Streit ist damit aber noch lange nicht beendet, sondern taucht immer wieder auf, wie im folgenden zu sehen sein wird.
Da die beiden folgenden Ereignisse wohl auch in Lindes zu
„spüren“ waren, seien hier 2 Einträge aus dem Kirchenbuch Hermannstein
vermerkt (Zitiert nach Heinz Dietrich: „Familien-Chronik Eckhardt):
Anno 1735
in der nacht Vom XI.p.Trini auf den 22 t. dito, ist nicht nur hiesigen
orths, sondern auch zu Wetzlar, Giessen, Braunfels, pfalz und and orthen, eine
sehr starke erschitterung der erden, nachts zwischen 2 u. 3 Uhr, durch ein
erdbeben Vermerkt. worden, doch ist,s Gott sey dank! ohne schaden abgegangen
Anno 1740. 9 t. u. 10 t. Jan. ist die Kält allhier am allergrössten verspiert worden, so dass der Brun in hiesigem pfarrhof zümlich hart zu gefroren gewessen, und die Kält an dem Thermometra-Magna, welches in hiesigem pfarrhaus hangen gehabt, biss zum 35 grad herunter gesunken, auch etl. Bäume, wie zu Blasbach, da ich dieser Zeit vicariret, Vernommen, von einander gefroren, auf Mathiastag -24. Febr. und den folgenden war die Kälte abermals 35 grad.
Der Prozeß schien somit abgeschlossen, aber 1740 wurde er von
Klein-Linden unter recht fadenscheinigen Argumenten wieder aufgerollt (20).
[Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite
115. Anm. 20: St A M, Samtgerichtshof, Fragmenta actorum G 91/92: Gegenklage von
34 "Gemeinsleute" aus Klein-Linden unterschrieben.
Wie sich in den Schriftsätzen zeigt, waren gerade 39 Jahre nach dem letzten
Gerichtsentscheid vergangen. Nach 40 Jahren wäre die Sache nach damaligem Recht
verjährt gewesen.]
1746 [vmtl. Druckfehler], 34 Gemeinsleute aus Klein-Linden
unterschreiben eine Gegenklage gegen die Stadt und behaupten, daß der gesamte
"Centbann" Teil der Linneser Gemarkung sei. [Rudolf Weigel, Seite 45;
Quelle: Knauß, Erwin Gemarkungs- und Allmendentwicklung in Gießen; MOV Jgg.
1963, Bd. 47, S. 194.]
Anno 1742 am 6. Octobr. wurd allhier der Huldigungs-Actus für Ihro Hochfürstl. Durchl. H. Landgraff, Ludwig den Achten vorgenommen. (KB 1 Großen-Linden)
Anno 1743 den 19. u. 20.
April hat ein sehr grosen Schnee
geworfen, desgleichen in
50 Jahr nicht gewest, auch hat es 4 Wochen lang geregnet u. geschneit, daß nie-
mand hat in währender Zeit ackern hat könen.
Anno 1743 ist so ein groß Regen Wetter gewesen, daß gar wenig Gerste Land
auf-
gebrochen. ....
[Sch.-Chr., S. 165]
Anno 1743
nach mitag umb 4 Uhr ist Lutzelinden uf den 11. Juni eine Feuers Brunst
entstanden, das in 2 Stundten sein über 100 Bäue in der Asche gelegen, darunter
sein 31 wohn Heuser, 30 Scheuern und über 40 Ställ und noch vielle Heußer be-
schädiget. Daß mahl ist eine grose Dürung gewesen, das in 5 Wochen nicht ge-
regnet zu vor. Es ist ein kleiner Regen geschehen den 5. July das Kraut gesetz
u.
Lein gesäget (gesät) worden, sonst hätte es nicht geschehen könne, hernach
wieder döre Zeit.
[Sch.-Chr., S. 167]
Anno 1743
ist ein erschrecklicher groser Commeht Stern am Himmel gestanden.
Der ist fast ein halbes Jahr gesehen worden. Sein Strith? Strich? ging alle
Abend
nach Dutenhofen zu, dar auf ein groser Krieg erfolget.
[Sch.-Chr., S. 174]
Der österreichische Erbfolgekrieg.
Dieser Krieg bricht 1741 aus, weil Kaiser Karl VI. Krone und Land seiner
einzigen Tochter Maria Theresia vererbt hat und viele Fürsten diese Thronfolge
nicht anerkennen. Der Gießener Bürger Härtling berichtet aus dieser Zeit:
Nachdem im Februar 1745 8000 Hanoveraner sowohl Gavallerie
als auch Infantrie in den Dörfern einquartiert waren, ist am 30. März in
Gießen
Viehmarkt. An diesem Tag kommen 300 ungarische Husaren von Wetzlar
über Heuchelheim her und besetzen die Stadttore. Sie teilen sich aus
auf die Lollarer Straß und nach Buseck, auch nach Linnes zu und
beschlagnahmen bis abends 4 Uhr 36 Pferde, die den Franzosen zugebracht
werden sollen. Am 31. März besetzen die Franzosen die
Umgebung von Gießen und verlangen Futterage, daß also die Leute sehr ruinieret
worden.
Die Dorfschaften sind in Furcht und Schrecken und die Leute sind
grausam nach Gießen herein geflohen mit Kasten, Kuffers, Weißzeug, Kleidung
und auch viel Frucht. Am 14. Juni trifft die österreichische
Armee bei Gießen ein. Die avant Garde als Husaren und etwas Fußvolk zusammen
6000 Mann haben ihr Lager bei Linnes auf der Heide. (27 &
82)
[Rudolf Weigel, Seite 50. Quelle 27: Matthes, R. "Aus der
Vergangenheit Kl.-Lindens. Quelle 80: Staatsarch. Dm. VI, 3. Konv. 45.]
Am 14.05.1745 findet sich bei einer Taufe in Linnes
folgender Zusatz im KB Großen-Linden:
... im Hauß getauft à Pastore stannario, me ágrotante, (weilen kein öffentl.
gottesdienst gehalten worden ob Streitz et tumultus Gallicos, Galli T. auff der
Burg, im garten u. Aeckern sich gelagert) ...
Anno 1745 die Französische Troublen im Lande et in vicinia, da dieselbige allhier in Grosenl. allein erhoben an Rationes bey 130. bis 150. Achtel Gersten und über 300 Centner Heu. Gott sey uns gnädig, u. geb uns alle hertzl. Buß etc. (KB 1 Großen-Linden)
Anno 1745
Ist das Frantzosen Krigs Volg in
Butzbach und im gantzen Land Hessen ? gewesen und Futter und alles
............ hir genomen und haben das Land durchstrichen von Oster biß nach
Pfingsten.
[Sch.-Chr., S. 166]
Anno 1745
im Monat Feber u. Mertz sind die Frantzosen alhier in der gantzen
Gegend herum geschwebet, Butzbach eingenommen, daß viellen Orten mit Frantzosen
beleget alß Usingen, Weylburg, Grosenlinden, Langöns.
Daß das Land Forge (Fourage) lifern müßen, so viel nur auf zu bringen. Sie haben
wohl von einem Orth wohl 4 - 5 tausent Ration an Heuw und Hafer gefordert, doch
keinem Menschen nichts mit Gewalt genomen, daß wir Gott sey Dank von ihnen Fried
fertig sprechen können.
[Sch.-Chr., S. 166 - Die Chronik wird jetzt in Leihgestern geführt.]
Anno 1745
ist das Kaiserlich Lager bei Linnes gestanden die kleine Arme(e), die
grose Arme(e) bey Kintzebach über der Lohn, ist dazumahl im Gerste u. Hafer
Feld gestanden und hat doch die liebe Frucht nit viel gehindert, ist wieder
außge-
wachsen. [Sch.-Chr., S.
172]
1746 den 11. Märtz
sein zwey Kaiserliche Croaten Compiene alhier
eingerückt, wo-
von alle von fremder Sprach, doch haben sie guten Ordre gehalten. Sie sind dazu-
mahl in Braband gezogen, ist aber wieder Frieden gemacht worden.
[Sch.-Chr., S. 174]
Anno 1746 den 25. Mertz
abens umb 8 Uhr hat sich ein Zeichen am Himmel sehen
lassen, welches vom Stein Küpfel über Leygestern auf Braband gedeutet. Von der
Leng,
die es am Himmel gehabt hat, nicht zu beschreiben. Es hat etwa 1 1/2 Stund lang
ge-
standen, war erschröcklich zu schauen.
[Sch.-Chr., S. 176]
Anno 1746, den 27. Juni, ist eine
Geographische Karte von C. M. Pronner datiert, die die
Conjunktionen der Thraunisch und Bathanischen Armee bey Urb zeigt.
Neben Klein Linden, zum Allendörfer Wäldchen hin, sind 17 Zeichen
für Militäreinheiten
eingezeichnet (möglicherweise noch mehr; der Kartenausschnitt endet dort).
Dabei steht: "Avant Garde". [Abb. in "Pohlheim Watzenborn-Steinberg 1141-1991",
Seite 8.]
Die Abb. ist mit folgender Erklärung versehen:
Diese Karte veranschaulicht eine Episode aus dem Österreichischen
Erbfolgekrieg.
Truppenoperationen der Einheiten Maria Theresias sind eingezeichnet bei Laubach,
im Busecker Tal
und bei Grüningen. Sie waren aufmarschiert, um die Franzosen zurückzuschlagen.
Am 15.05.1749 heißt es in einem
Pateneintrag im KB Großen-Linden zu einer Taufe in Klein-Linden:
P:
1. Hochwohlgeb. Frau Frau Maria Sophia, H. von
Wrede Seine Ehe Liebste, so mit Ihrem Eheherrn Herrn Hauptmann von Wrede sich
dermahlen in Mastricht befundt, allwo das Hessen Darmstädtische weise Regiment
dermahlen in Garnison liegt.
1750 ist bei 3 von 9 verstorbenen Kindern als Todesursache Kinderblattern vermerkt, bei einem Kind: rote Ruhr, auch eine 36jährige Frau stirbt an der Ruhr. Insgesamt 19 Sterbefälle in Lindes im Jahr 1750.
1750 wird das Schulhaus Wetzlarerstraße 58 (Hinterhaus) errichtet, auf das später, beim Abbruch der zweiten Kirche, deren Glockentürmchen aufgesetzt wurde. Beim Abriß der alten Schule zerbricht 1969 das Glockentürmchen. [Siehe: 125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 10/11.]
Im Jahre 1750 spitzte sich der Streit so zu, daß
es auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen kam. In Beschwerdeschriften der
Gemeinde Klein-Linden heißt es dazu: "... Gießen ging dann mit 40 Mann dreimal
in das umstrittene Gebiet und entfernte Steine, welche wir dort setzten und
fuhren sie nach Gießen. Diese Leute waren ... wohlbewaffnet. Sie gingen brutal
gegen Klein-Lindener Einwohner vor und schlugen einige zusammen, auch drohten
sie, ins Dorf einzufallen, falls wir uns unterstehen sollten, nachmals Steine zu
setzen (24)." [Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite 116. Anm. 24: St A M, a. a. O.:
Bericht der Gemeinde Klein-Linden vom 17.8.1750.]
1750, In dem zwischen Gießen und Lindes umstrittenen Gebiet kommt es
Mitte des Jahres zu handgreiflichen Auseinandersetzungen. 40 wohlbewaffnete
Gießener, die plötzlich aufgetaucht sind, schlagen einige Lindeser zusammen und
entfernen die Steine und fahren sie weg. Sie drohen sogar ins Dorf einzufallen,
falls nochmals Steine gesetzt werden. [Rudolf Weigel, Seite 45.
Quellenangabe wie 1740, Seite 195f.]
Nach langwierigen Verhandlungen, die von umfangreichen Klageschriften und Rechtsgutachten beider Seiten begleitet waren, entschied am 16.2.1752 der Samtgerichtshof in Marburg, daß der Vergleich von 1701 rechtsgültig sei und Klein-Linden nun unverzüglich den damals festgesetzten Bestimmungen nachzukommen habe. Die bereits 1706 als Versäumnisstrafe verhängten 30 Goldgulden müsse Klein-Linden binnen 4 Wochen zahlen. Der Gießener Rechtsvertreter gab seine Zustimmung zu diesem Urteil, während der Advokat Klein-Lindens Berufung einlegte. Obwohl diese vom Samtgerichtshof abgelehnt wurde, deutet der letzte Schriftsatz der Gerichtsakten vom 19.5. bzw. 30.5.1753 darauf hin, daß für Klein-Linden der Rechtsstreit damit noch nicht beendet war (25). [Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite 116. Anm. 25: St A M, a. a. O.]
Anno 1752 Sontags den 12.
Märtz hat sich ein Zeichen am Himmel
sehen lassen nach-
mitag um 5 Uhr, anfangs alß ein Sternschup, darnach sich gekrümmet und darinnen
gedonnert ein Gewitter.
[Sch.-Chr., S. 178.]
1751 sterben 6
Menschen in Lindes, 1752 gibt es nur
2 Todesfälle, in 1753 dann 4. Mit 1754
beginnen dann die großen Sterbejahre. Es sterben 9 Menschen, erstmalig
taucht als Todesursache die „Diagnose“ „weiße
friesel“ auf. In 1755 sterben
eine Ehefrau, 10 Knäblein, 1 Mägdlein. Bei 9 Kindern lautet die
Todesursache Blattern. In 1756,
dem ersten Jahr des 7jährigen Krieges, sterben in Lindes 3
Männer, 2 Eheweiber, 1 Söhnlein, 2 Mägdlein. 1757
werden im KB Gr-L als verstorben aufgelistet: 4 Männer, 2 Weiber, 2 Söhnlein, 3 Töchterlein, 1 ledige Weibsperson
und 1 fremder, ein franzos.
Der franzos wurde
am 5.12. begraben, er war beim Durchzug der französischen Armee durch
Klein-Linden gestorben. Mindestens ab Dezember 1757 war dann Klein-Linden für
mehrere Jahre direkt vom Krieg betroffen.
Im Jahre 1755 mietet die Gemeinde das Haus des
Gemeinsmannes Schupp als Schulhaus. Die jährliche Miete beträgt 8 fl. (Gulden)
(27 & 77)
In den ersten Jahren nach der Gründung der Schule hatte noch der jeweilige
Lehrer den Unterrichtsraum selbst gestellt. [Rudolf Weigel, Seite 49; Quelle
27: Matthes, R.; Aus der Vergangenheit Kl.-Lindens. Quelle 77: Gemeindearchiv
Kl.-Linden.]
Für Ludwig Haupt, den ersten nachweisbaren Lehrer (und Schmied) in Linnes ist
belegt, daß er den Unterricht in seinem Haus hielt. Dies gilt wohl auch noch für
seinen Nachfolger Ludwig Weigel, den 2.Lehrer. Auch dessen Schwiegersohn, Johann
Peter Neydel, der 3.Lehrer, wird ein eigenes Haus in Lindes besessen haben.
Michael Daubner, der Schwiegersohn von J. Peter Neydel, könnte dessen Haus
übernommen haben. Er tauscht aber seine Stelle vorübergehend mit Johann Wilhelm
Lampus aus Burkhardsfelden. Dieser heiratet erst 1722, zwei Jahre nach seinem
Amtsantritt als Lehrer in Linnes, die "Einheimische" Anna Maria Acker.
Spätestens bei ihm und auch bei dem ab 1739 tätigen Johann Friedrich Wagner, der
erst 1746 eine Linneserin heiratet, ist nicht vorstellbar, daß sie den
Schulunterricht in ihrem eigenen Haus abhielten, da sie ein solches erst hätten
kaufen müssen.
Nach dem preußischen Sieg bei dem fernen Roßbach (5.11.1757, siehe Einleitung) traten Franzosen und Reichsarmee den Rückzug an den Rhein an, wobei große Teile der Truppen durch den Raum um Lich zurückfluteten. Zu dieser Zeit befand sich in Klein-Linden ein großes französisches Magazin, wohin die Bauern der Umgebung monatelange "Fourage" für Soldaten und Pferde zu Liefern hatten. [Villinger Hefte, Heft 6/1, "Krieg und Frieden".]
Am 22.3.1758 wird
erneut ein französischer Mousquetier
beim Durchzug der Truppen begraben. Am 23.10 stirbt im französischen Lager auf
dem Schillenberg (KB Kl-L) ein württembergischer Wagenmeister. Am 1.
September wird ein Junger Bursch aus Weiberfellen
von eine Salve-gardt erschossen, als
er futtaschirte.
Der Wortlaut der Einträge ist im Kapitel
Fremde...
zu finden. Insgesamt sterben 1758 19 Personen in Lindes (Großen-Linden:
16), aufgelistet als:
6 Männer, daruter 2
fremde Soldaten von den franz. Trouppen, 3 Weiber, 2 ledige Mannspersonen, 5 Söhnlein,
3 Töchterlein.
1759, Mittwochs den 9ten May wurde ein Deserteur vom Königl. franzl. Regimet Royal Pologne /welches hiro in Großen-Linden in Cantonirungs Quartier liegt/ in dem Grosen-Brücker Feld arquebusiret, und hernachmahls auf dem hiesigen Kirchhof am Rath-Hauß begraben.
Am 31.05. entdeckt eine Marqutenders frau von den Königl. franz. Trouppen, die sich in das Lager zwischen Gießen und Lollar zusammen zogen und in erstaunlicher Menge diese Straß passirten eine Frau in Wehen in einem Korn Acker ohnweit Lindes. Sie meldet diese Begebenheit dem Bürgermeister zu Lindes.
Anfang Oktober gibt eine Frau aus Lindes, welche bisher zu Gießen als Magd gedienet, als Vater ihres unehelichen Töchterchens einen Soldaten, Nahmens Wittmann, von dem dermahlen zu Gießen garnisonierenden Königl. französ. Regiment von Löwenthal an. Dessen Bruder Joh. Henrich, ebenfalls Soldat in diesem Regiment, wird als Pate notiert, so aber bey dem Tauf Acta nicht erschienen.
Bei den Sterbeinträgen ist dann vielfach von der grassierenden
hitzigen Krankheit, ab August auch von der Ruhr
als Todesursache zu lesen. Am 31.03. findet sich bei einem Sterbeeintrag die
Notiz: Es waren viele franz. Officirs und
Soldaten in der Kirche.
Am 24.04. rettet in Großen-Linden ein Soldat ein
Kind aus der Bach.
Am 12.09.1759 findet sich im KB
Großen-Linden, bei der Beerdigung eines Großen-Lindeners der Zusatz:
NB.
weilen das l'Opital ambulante dermahlen hier ist, so war die ganze Kirche voller
fremder und französischer Soldaten.
Am 28.09. schreibt
der Pfarrer als Nachtrag: NB. das ganze
Hauptquartier der Königl. französ. Armee war zu dieser Zeit zu Lindes, der
Herr General du Metz ließ mir ein Wacht vor die Kirchtür stellen, damit alle
Unordnung möchte verhindert werden.
Nicht verhindern konnte der Herr General, daß an den eingeschleppten Seuchen, an der Mangelernährung
nach den Plünderungen usw., insgesamt mindestens 37 Menschen in diesem Jahr
1759 in Lindes starben. Die Kirchenbücher sind hier nicht ganz eindeutig, in
beiden werden 37 Sterbefälle angegeben, dabei werden aber 40 Personen genannt,
manche Einträge gibt es nicht in Klein-Linden, andere nicht in Großen-Linden.
Dreimal bleibt im KB Gr-L ein Platz, für den am Rand „Kll“
steht, leer. In Großen-Linden sterben in diesem Jahr 50 Personen.
Das große kriegsbedingte Sterben geht in 1760
weiter. Nach den Aufzeichnungen im KB Gr-L sterben dort 47 Menschen, in dem
kleinen Lindes 28 Personen; 1 Mann, 8 Weiber, darunter 7 Wittwen, 2 ledige
Mannspersonen, 2 ledige weibspersonen, 4 Söhnlein, 11 Töchterlein. Das KB
Kl-L verzeichnet 27 Sterbefälle.
Zum Beispiel stirbt in diesen Jahren die Familie Schupp,
die die Krone bewirtschaftete, in Lindes ganz aus. Ein Sohn hatte vorher
nach Großen-Linden geheiratet, von einem weiteren ist der Verbleib unbekannt.
Auch die in der Krone nachfolgende Familie Pflug
verstirbt innerhalb von 2 Jahren vollständig, meist an dem weißen friesel.
Exemplarisch sei hier kurz das Schicksal der Großen-Lindener
Bürgers- und Wirtstochter Anna Elisabetha Zörb beschrieben. Sie heiratet am 06.05.1756 mit gerade noch 15 Jahren den Centgerichtsschöffen und Gastwirth zur
Krone Ludwig Caspar Schupp in Lindes. Allgemein war in Kriegs- und Notzeiten das
Heiratsalter oft deutlich niedriger als sonst. 19 Tage vor ihrem 17. Geburtstag
wird das einzige Kind dieser Ehe geboren, ein Mädchen, das mit 5 Wochen und 2
Tagen am 17.07.1757 stirbt.
18jährig wird sie zum ersten mal Witwe. Ihr Mann
stirbt an der grassierenden hitzigen
Krankheit am 21.12.1758.
Ihre 2. Ehe schließt sie am 28.10.1759 mit
Friedrich Christian Pflug aus Gönnern,
der am 13.11.1760 als Gasthalter zur Güldenen
Crone an dem friesel verstirbt.
Nach seinem Tod wird am 09.12. das einzige
Kind dieser kurzen Ehe geboren, wieder ein Töchterlein, das mit 17 Tagen
stirbt. Der Todeseintrag der Mutter, die noch vor diesem Kind stirbt, lautet im
KB Gr-L:
Montag den 15.
Dez.1760, morgens zwischen 3 und 4 Uhr starb an dem weisen Friesel Anna
Elisabetha, weyland H(errn) Friedrich Christian Pflugs, gewesenen Gasthalters
zur güldenen Crone, hinterlassene Wittwe und folgte also ihrem Manne / vid.
supra / bald in die Ewigkeit nach, wurde Mittwoch den 18ten ejusd. begraben, Alt
20 Jahr, 5 Monath und 14 Tage.
Diese Kronenwirte waren sehr wohlhabend, vielleicht damals
die reichsten Familien in Lindes, die armen Familien waren noch deutlich
schlimmer von den Plünderungen und Hungersnöten betroffen.
Pfarrer Fäuerbach schreibt beim Tod seiner Frau (siehe
Kap. Pfarrer) ins Kirchenbuch:
wir hatten in der
Pastorey vom 4ten Septembr. 1759 bis den 15ten Jan. 1760 Einquartierungen und
also beständig die grösten Unruhen im Hause, welches Vieles zu unserer aller
Kranckheit beygetrag(en).
Im August 1760 gibt es folgende Taufe in Großen-Linden:
Freytag, den 1. Aug.
abends nach 10 Uhr wurde H(errn) Friedrich Morgenstern, bürtig aus Dernbach bey
berg zabern im Zweybrückischen gelegen, und Sophia Catharinam Luisen, H(errn)
Pfarrer Juqards seel. zu Queckborn hinterlassener Tochter, seiner Ehefrauen /
welcher unter dem französischen Regiment Royal Deuxpont dermahlen als Sergeant
steht, ein Söhnlein gebohren, und Dom. IX. p. Trin., den 3ten euisd. in der
Kirche getauft. Gevattern wurden erbethen:
1. H(err) Philipp
Friedrich Musen(?), Eisenhändler in Gießen
2. Jgfr. Charlotta
Sybilla, weyland H(errn) Joh. Georg Pfifferlings, gewesenen fürstl. Raths zu
Darmstadt hinterlaßene Jgfr. Tochter und
3. Carolina Augusta
Luisa Fäuerbachin, meine, des Pastoris älteste Tochter,
welche dem Kind den
Nahmen: Friedrich Carl August mitgetheilet.
Ebenfalls im August wird auch das Söhnlein eines französichen
Marquetenders aus Tyrol in Lindes
getauft, das am 1. Oktober stirbt. Einer der Paten ist Oberster
Krancken aufwärter beim Hospital. Dieses befand sich auf der Burg.
Das Jahr 1761 brachte für das ausgeplünderte Lindes dann anscheinend eine Beruhigung, es starben 4 Männer und 1 Töchterlein. Getauft wird ein uneheliches Söhnlein, für das als Vater ein Mousquetier vom Weisen Regiment, so dermahlen bey der Reichs=Armee steht, angegeben wird.
In Großen-Linden ist nach einer Doppelbeerdigung am
15.03.1761 vermerkt:
NB weilen 3.
Schweitzer Regimenter Reding, Boccard u. Salis hier und in den (?)..chresten Häusern
über 100. Soldaten lagen, so waren bey beyden Leichen kaum 8. Manns Personen
und siblich(??) Weibs Personen bey der Leichen begleitung. Die Kirch war ungew(öhnlich?)
voler franzl. Soldaten u. Domestiquen.
Dafür ging es dann 1762
in Lindes mit der hitzigen Krankheit
wieder richtig los.
Am 05.07. findet sich bei einer Taufe der Nachtrag:
NB. ohnerachtet ich
unter beständigem Regen zu Fuß nacher Lindes gehen müssen, weilen alle
hiesige Pferde auf die Vorspann weg
nomen, und ich um halb 12. Uhr Mittags daselbst angekommen, so konte doch keine
Kirche halten, weilen die Cavallerie der Königl. franz. Armee, so unter dem
Commando Ihro Königl. Hoheit des Prinzen Conde vom Nieder Rhein kommen, von 10.
Uhr bis Nachmittags um 3 Uhr in einem beständigen Zug durch Klein Lindes
marchirte, dahero auch das Kind im Hauß taufen mußte.
Am 07.09. notiert der Pfarrer zur Beerdigung von Clara,
Eberhard Gernands Töchterlein, und wurde
wegen der überhäuften Kriegs Unruhen, michen nicht allein bißher beständig
fouragiert, sondern auch die gesamte französ. Armee im Marsch nach dem
Hessenlande begriffen war, auf des Vatters Anhalten donnerstags den 9ten 7bris
in der Stille begraben; alt 2 Jahr.
Einen Tag darauf stirbt eine weitere
Tochter von Eberhard Gernand, jetzt an der Ruhr,
die Beerdigung findet wieder wegen der übermächtigen
Kriegs Unruhen in der Stille statt.
Am 04.11. findet eine Beerdigung INTER
MAXIMOS STREQUITUS(?) et tumult. militum. statt, am 10.11. wird der Hofmann
der Burg, J. Ludwig Weygel, gestorben an der Ruhr, begraben, da
bey 2000 Mann franz. Trouppen zu
Lindes lagen.
Es sei hier einmal angemerkt, daß es in diesen Zeiten
Brauch war, daß sich das Militär, ob Freund oder Feind, von den Bewohnern der
besetzten Orte verpflegen ließ, beziehungsweise diese plünderte.
Am 18.11. findet ein Begräbnis unter dem Abend Läuten weil .... Einquartierung war, statt.
Für 1762 werden im KB Gr-L 22 Beerdigungen in Lindes notiert, im KB Kl-L 24.
Getauft wird im Jahr 1762 die Tochter eines französischen Marquetenders aus burg lengen feld aus der Pfalz, der sich schon anderthalb Jahr zu Klein-Lindes aufgehalten und eine Frau aus Groß-Rechtenbach geheiratet hat.
Am 18.02.1763 findet sich dann bei einem Sterbeeintrag die Bemerkung nach erfolgtem frieden.
Rudolf Weigel schreibt auf Seite 51:
Der Siebenjährige Krieg 1756 - 1763
In dieser Zeit bestehlen und verderben die durchziehenden Soldaten alle Gärten
und Felder der Umgebung, indem sie sich mit Kraut, Kolleraben, Kartoffeln usw.
versorgen. Außerdem sollen sie 5 Wäldchen abgehauen und viele Weibspersonen
angetastet haben.
Im September 1759 liegt eine Woche lang das Hauptquartier der
französischen Armee des Marschalls Contades in Klein-Linden (27 & 83).
Am 5. Dezember geben die Franzosen ihr Lager bei Gießen auf und lassen nur eine
Besatzung von 1800 Mann in der Festung zurück. In Klein-Linden halten jetzt
deutsche Truppen unter Prinz Ferdinand von Braunschweig ihren Einzug. Sie haben
seither jenseits der Lahn bei Krofdorf und Heuchelheim gelagert. Am 21. oder
22. Dez. macht die franz. Garnison aus Gießen einen Ausfall und versucht
Klein-Linden morgens um 3 Uhr vom Schiffenberg, von Heuchelheim und von der
Landstraße her zu überrumpeln. Doch die in unserem Ort stehenden Bataillone und
die Kavallerie vertreiben den Feind "in konfusion" in die Stadt. In der
Klein-Lindener Kirche werden zwei hannöversche Offiziere und auf dem Friedhof
einige Musketiere und Sergeanten beigesetzt. (27, 84 u. 85)
Als Folgen des Krieges werden erwähnt:
In der Kirche unseres Ortes müssen neue Glockenseile angeschafft werden, weil
die Franzosen diese als Zugstränge verwendet haben. Im Frühjahr 1760 wird
der Gemeinde Saatfrucht zugewiesen, da die Truppen alles aufgezehrt haben. Im
Jahr 1762 leiht sich Klein-Linden 600 Gulden, um die Kriegsschulden
bezahlen zu können. Im gleichen Jahr kann die Gemeinde 112 Gulden als Einnahme
verbuchen "für allerhand Fahrgeschirr, das die Vorspannleute bei der Flucht
zurückgelassen haben". (27 & 86)
Die Schanze im Allendörfer Wäldchen "am steil abfallenden Rand des bewaldeten
Hügels westlich von Klein-Linden und nördlich von Allendorf, wo derselbe
gegenüber der ehemaligen Braunsteinwäsche beim Wärterhaus (83) Nr. 146 an die
Wetzlarer Bahn stößt", soll aus dieser Zeit stammen.
[Quelle 27: Matthes, R. "Aus der Vergangenheit Kl.-Lindens". Quelle
83: Buchner, O. "Zur Geschichte d. 7jährigen Krieges in Oberhessen", MOV, Jgg.
1885, Ber. 4. Quelle 84: Hepding, G. A. "Zur Ortsgeschichte von
Großen-Linden", MOV, Jgg. 1903, Bd. 12, Seite 52. Quelle 85: Boßler, A.
"60 Jahrfeier des Gesangsvereins Eintracht". Quelle 86: Boßler, A.
"Kriegserlebnisse aus Klein-Linden", Familienblätter d. Gi. Anzeigers, Jgg.
1914.]
In Klein-Linden starben 4 Personen im Jahr
1763 und 3 im
Jahr 1764.
1763 und
1764 finden sich die folgenden Einträge im Kirchenbuch von Klein-Linden:
1763. Am Gedächtniß=Tage
derer beydete Apostela Simonis und Judae, als den 28ten 8bris. wurde von Ihro
Hochwürden, dem Herrn Superintendenten, Doctor Johann Herrmann Benner, in
Beyseyn dr. HochEhrwürd. Herrn Pahtor Fäuerbachs, als Predigers alhier zu
Klein Linden, sodann derer beyden HHErrn Beambten, Herrn Reg. Rath Klippstein
und H. Ambt Schultheiß Cronenberg zu Heuchelheim, die Kirchen=Visitation
gehalten, Nachmittags um 2. Uhr.
1.) Wurde gesungen: Nun lob mein Seel den
Herrn p.
2.) Sermon über die Epistel.
3.) Examen de Baptismae.
1764,
den 6ten Majii als
auff Dom: Misericordias Domini haben wegen besonderen Umständen Ihro Hochfürstl.
Durchlt. unser gdster Herr Landgraff, den allgemeinen großen Fast= Buß= und Bättag
zu verordnen, geruhet: BußTexte waren folgende:
1.) Psalm: CI. v.
3.-6. 2.) Psalm CV. v. 23. 3.) Psalm. CIII. v. 1-5.
Lieder wurden
gesungen: Herr Jesu xst du Höchstes Guth; Jesu der du meine p v. 3-6.
Allein zu dir Herr J.
xst. Schaff in mir Gott ein reines Hertz; Erfühl du deine Wege; Nun last aus
Gott den Herren; Lobet den H. ihr Heyden all; Lobet den Herren, den mächtigen König
der Ehren; und Nun dancket alle Gott: NB. Auch haben Ihro HochEhrwürden, der
Herr Pahtor Fäuerbach zu Grosen Linden, den exprehzen Befehl ertheilet, daß künftig
hin, auf vorbemeldtem Tag, sämtl. Schul Kinder, so im Standte sind zu gehen, in
der Pahtorey mit dem Schuldiener erscheinen, und etl. BußLieder singen, sodenn,
wann die 2te Predigt vorbey, in bester Ordnung wieder nach Hauße gehen sollen
p.
Am 7. März 1764 erhält Joh. Gottfr. Fritsche von Allendorf bei Lindes die ledige Schulstelle. Man nimmt ihn, „weil er eine schöne Hand schreibt und von einem christlichen Wandel ist“. 27/24 u. 81) [Rudolf Weigel.]
1768
findet sich im KB Nauborn der folgende Bericht über ein
Unwetter:
Am 17.10.1768
stirbt der Landgraf Ludwig VIII. nach
29jähriger Regierungszeit, im 77. Jahr
seines Alters.... hier und zu Kl Lindes den 20 Octobr. mit allen Glocken wegen
der hohen Trauer zu Läuten angefangen. Von 11. bis 12. Uhr Mittags, um ganzer
6. Wochen damit fortzufahren.
Am 14.11. findet dann in Großen-Linden das Solenne
Leichen Begängnis statt.
Der Bericht dazu geht über zwei Seiten im KB 1 Großen-Linden.
Hier sei der Schluß zitiert, aus dem wir auch ersehen, daß der Streit von 1739
wieder auflebt. Der jetzige Pfarrer beruft sich auf die Eintragungen von 1739
und lehnt damit erneut das Ansinnen der Lindeser ab:
Um 9 Uhr ging die Procession über den untersten Rost(?) vor sich. die junge Pursche somit den hiesigen und Klein Lindeser Schul-Knaben, hinter welchen die 2. Schulmeister, der hiesige, H. Vigelius und der Lindeser H. Fritsche, welche das Gesäng führten, gingen voran. Hinter denselben ging Ich der Pastor allein, weilen Herr Euler zu Allendorf die Leichen-Predigt halten mußte. Darauf folgten der hiesige Schultheiß H. Hofmann, der Stadt Rath und ganze Bürgerschaft. Der LeichePredigt wohnten sehr viele Fremde aus unterschiedenen Orthschaften im Weilburgischen bey.
Die Klein Lindeser verlangten von mir, Ich sollte auch zu KleinLinden eine Leichen Predigt halten. Sie schickten dannenhero 2mahl den Burgermeister und einen Vorsteher an mich, um mich dazu zu bewegen; Ich stelte Ihnen aber vor, daß es Vors 1te nicht anginge, weilen die Rede vor dem Altar als(?) Leichen Predigt so lange währen würde, daß keine Zeit mehr haben würde mich nach Lindes zu begeben, Sie müsten dannenhero der Leichen Predigt in der Mutter-Kirche dahier bey wohnen. Vors 2te wäre es wieder die Observanz daß zu Lindes bey dergleichen hohen Trauer=Fällen pflegte gehalten zu werden.
Videat. das Jahr 1739 in hoi libro, was der seel. H. Pastor Runckel hiervon bey der Leichen=begängnis, des in Gott ruhend Herrn Landgrafens Ernst Ludwigen aufgezeichnet hat. Die Klein-Lindeser fanden sich hierauf sämtlich hier ein.
1769 ist das Catechismus=Vorbäten von des HErn Pastor Fäuerbachs HochEhrw. wechselweiss verordnet worden pp.
Am 18.12.1771 stirbt der Pastor Primarius von Großen-Linden und Prediger und Seelsorger zu Klein-Linden Jacob Eberhardus Fäuerbach.
Am 19ten
Xbris 1771 findet sich folgender Nachtrag bei einer Heirat:
NB. wegen Absterben
des Herrn Pastor Fäuerbach, verrichtete das Amt Herr Diaconus Arnoldi von
Grosen Lind(en).
Da der Gemeinsmann
Schupp inzwischen einen liederlichen Lebenswandel geführt hat, muß er im Jahre
1771 sein Haus verkaufen. Es wird das erste Schulhaus des Ortes
und kostet mit Garten 600 fl. (Gulden). Da die Gemeinde den Garten wieder für
226 fl. verkauft, hat sie nur noch 374 fl. aufzubringen. Einen Teil dieses
Betrages versucht Lindes über eine Kollekte im Fürstentum Hessen zu erhalten (27
& 80). Ob dies jedoch gelungen ist, ist nicht übermittelt. Am Ende des
Jahrhunderts wird im Garten hinter dem Haus ein neuer Schulsaal errichtet. Die
Lehrerwohnung in dem alten Gebäude befindet sich im 1. Stock (oberen St.) und
besteht aus 2 Zimmern und einer Kammer. Die Küche befindet sich unten im Flur
neben der Tür zum Schulzimmer.
[Rudolf Weigel, Seite 49. Quelle 27: Matthes, R. "Aus der Vergangenheit
Kl.-Lindens". Quelle 80: Staatsarchiv Dm.; VI, 3. Konv. 45.]
Die Einleitung des ersten Satzes muß noch überprüft werden. Die Familie "Schupp"
besaß die "Gastwirtschaft zur güldenen Crone" und starb, nach bisherigen
Erkenntnissen aus den Kirchenbüchern, vor 1760 an kriegsbedingten Seuchen aus.
Nur von Johann Conrad Schupp ist kein Sterbedatum bekannt; er wird 1753
letztmals im KB als Pate erwähnt. Er wäre demnach aber der Einzige, der als
Vorbesitzer des Schulhauses in Frage käme.
1772 ist wegen der Pastorat-Vacantz keine Kinder-Confirmation gehalten worden.
Folgende Notiz findet sich noch im KB Kl-L:
1772.
Dominica III. post
Trinitatis, als am 5ten July wurde der HochwohlEhrwürdige und Hochgelahrte
Herr, Herr Johann Ludwig Vietor, gewesener Frey=Prediger zu Pirmasenz im Fürstlich
Hanau LichtenBergischen, zum Pastor und Ober Pfarrer zu Großen und Klein Linden
introduciret und vorgestellet, von Ihro Hochwürden Herrn Kirchen Rath und
Superintendenten Herrn Dr. Johann Herrmann Benner, in Beysein des Herrn Diaconi
und Pfarrers Arnold(i) wie auch des Herrn Pfarrers Sartorii zu Haußen, Amts Hüttenberg
pp
Gott der Herr sey
Deroselben Sonne und Schild!
Im Jahre 1773 richtet Fritsche [seit 1764 Lehrer in Linnes] eine Bittschrift an das Konsistorium nach Darmstadt. Er bezeichnete die Lindeser Schulstelle als die schlechteste im ganzen Oberfürstentum, weil sie nur 6 Achtel Frucht einbringt. Er schreibt, er müsse durch Nebenarbeit, wie Abschreiben usw., noch mehr zu verdienen suchen und bittet deshalb um einen kleinen Zuschuß aus dem "Geistlichen Kasten" von 10 Gulden. Er erinnert daran, daß dieser Zuschuß früher der Lindeser Stelle gewährt worden ist, aber durch ein Verschulden des Schullehrers Daubner wieder gestrichen worden sei. Trotz Befürwortung seines Antrages durch seine Vorgesetzten kann Fritsche die Zulage nicht erhalten, da kein Geld vorhanden ist und erst "ein reicher Stemmler (Stifter) sterben muß", um der Kasse wieder aufzuhelfen. [Rudolf Weigel, Seite 49.]
Ende März 1774 stirbt die Gemahlin des regierenden Landgrafen, er selbst, Ludwig IX. stirbt am 6. April 1790, nachdem er 22 Jahre in Hessen-Darmstadt und 49 Jahre in Hanau-Lichtenberg regiert hat.
1777 hat das Dorf 264 Einwohner. Von ihnen sind 206 oder 78 % in der Landwirtschaft tätig und verfügen zusammen über 3 Pferde, 80 Ochsen, 123 Kühe, 33 Rinder und 113 Schweine. 9,9 % der Bevölkerung sind Handwerker. Sie gliedern sich auf in 12 Schmiede, 4 Zimmerleute und 5 Maurer. [Rudolf Weigel, Seite 46; ohne besondere Quellenangabe.] [Die Angabe, "12 Schmiede", erscheint mir für diese Zeit zu hoch.]
Die älteste, uns erhaltene Flurgrenzbeschreibung der Stadt Gießen von 1778 berichtet (26), daß die Lindeser zu dem vereinbarten Grenzgang nicht erschienen, sondern - "so viele man in der Ferne wahrnehmen könne, den "Cent-circulusbann" begangen" - ihren eigenen Gang gingen. [Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite 11. Anm. 26: Stadt A G, Flurgrenzbeschreibung von 1778.]
1779 hatte Linnes 242 Einwohner. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)]
Da die Gesundheit Fritsches im Laufe der Jahre immer mehr geschwächt wird, kann
er den Unterricht nicht mehr allein erteilen. Auf seine Bitte hin wird ihm
deshalb 1779 sein Sohn Hyronimus als Gehilfe beigegeben. Aus
demselben Jahr findet sich in den Akten ein „Verzeichnis der Schulbesoldung zu
Klein-Linden, aus dem wir auch ersehen, daß zu dieser Zeit ungefähr 30 Kinder
die Schule besuchen:
[Rudolf Weigel, Seite 49/50]
1. Jährlich von jedem Kind 1 Gldn., macht ungefähr
30 fl. (Gulden)
2. Desgl. Von jedem Gemeinsmann ½ Meste Korn
9 fl.
3. 1 Sichling Korn von jedem
5 fl.
4. Desgleichen 10 Kreuzer
6 fl.
5. An Accidenten (Leiche, Kindtauf, Kopulation)
1 fl.
30 Kreuzer
zusammen
51 fl. 30 Kreuzer
Im Jahr 1784 erhält der Schullehrer
Fritsche den Andreas Sommerlad aus Lang-göns zum Gehilfen. Er selbst stirbt am
18. Jan. 1790 zu Lindes. 27/24 u. 81)
1783.
Mittwochs den 21ten
May wurde von S. HochEhrwürden Herrn Pastor Primarii zu Grosen Linden, Herrn
Johann Ludwig Wilhelm Vietor, abermahls Schul-Visitation und öffentl(ich)es
Schul Examen alhier zu Kleinlinden gehalten.
1.) wurde gesungen:
Allein Gott in der Höh
2.) Sermon über II.
Tim: III. v. 15. Weil ... von Kind auf die Heil. Schrift weißen p
3.) Examen über die
5. Hauptstücke des Catechismi Lutheri.
4.) Kurze Lectiones
der Kinder in Lesen, Schreiben und Rechnen vorgenommen.
5.) Zum Beschluß
gesungen: Unser Ausgang p.
1784.
Donnerstags den 30ten
Sept.: Nachmittags um 4. Uhr, wurde von des Herrn Superintendenten Dr. Rosenmüllers
....würden, Schulexamen allhier gehalten, u. zwar im Schul Haus.
1.) wurde gelesen das
VIte Capitel Matthaei.
2.) der 2te Articul
des Catechismi Lutheri erklärt.
3.) die Schüler ihre
Lectiones im Schreiben u. Rechnen vorzeigen - und lezteres wiederholen.
1785.
Dominica IX. post
Trinit: als am 24ten July Vormittags um 9. Uhr, wurde von Ihro Hochwürden,
Herrn Kirchen=Rath und Superintendenten Dr. Rosenmüller, in Beysein des HErrn
Pastor Vietors HochEhrwürden, die Kirchen Vihitation allhier zu Kleinlinden
gehalten.
1.) wurde gesungen:
Mache dich mein Geist bereit p.
2.) Sermon über das
Eveangelium.
3.) Examen über die
Fragen der Heils Ordnung p, insonderheit der Sorge für die Seele u. die Ewigkeit, gehalten.
4.) wurde gelesen 2.
Cor. 5. V. 1.-10. 1. Joh. 3. v.
1.-12.
5.) von denen Schülern
die Schreib=Bücher vorgezeiget.
6.) von denen übrigen
das 2. Hauptstück des Catechismi Lutheri hergesagt und endl.
7.) gesungen: Herr,
lehre mich bedenken, der Zeiten letzte Zeit pp.
1786.
Mittwochs nach
Pfingsten, als den 7ten Juny, des Nachmittags um 4. Uhr, wurde von Ihro Hochwürden,
Herrn Superintendenten Dr. Bechtoldt, die Schul Visitation alhier gehalten.
1.) wurde die 1te
Pfingsttags Epistel gelesen. Actor. II. v. 1.-13.
2.) die übrige
Lectiones der Schüler hergesaget.
3.) Examen über die
Lehre von der Ausgießung des Heil. Geistes.
4.) die Schreib und
Rechen bücher vorgezeiget, und
5.) wurde gesungen:
Dies ist noth! ach Herr! diß Eine pp.
Anno 1788
Auf den Monath Julij liefert Contribution
/ Heuchelheim 124 fl. 14 alb. 6 d:
Das Gericht /
Rodheim
50 fl. 17 alb. "
Heuchelheim \ Fellingshausen
38 fl. 20 alb. 1 d:
\ Klein Linden
41 fl. 26 alb. "
Summa 225 fl. 17 --- 7 d.
[Beschreibung Klein-Lindens 1789, Seite 423; siehe unten.]
Im Stadtarchiv Gießen, Nr. 3257, findet man das handgeschriebene Buch:
Beschreibung Klein-Lindens von 1789. Es enthält u. a. neben
Grenzgangsprotokollen, darunter die Copia eines Grenzgangs vom
28ten Maij anno 1627, ein Gemeindeverzeichnis und genaue
Aufzeichnungen der Besitzverhältnisse im Ort. Am Ende des Buches sind auch für
die Jahre 1788-1794 die Gerichtskostenrechnungen des Gerichts Heuchelheim
aufgeführt, sowie die Kosten, die auf jede Gemeinde entfallen. Die jeweiligen
"Endabrechnungen" werden hier mitgeteilt:
Für 1788 heißt es zu der Summa 28 fl. 5 alb: daran Trägts
der Gemeinde Heuchelheim
13 fl. 21 alb. 4 d:
der Gemeinde Rodheim
5 fl. 17 alb. 2 d:
der Gemeinde Fellingshausen
4 fl. 7 alb. 7 d:
der Gemeinde Kleinlinden
4 fl. 18 alb. 3 d:
1789: Summa 38 fl 18 alb daran erträgts
der Gemeinde Heuchelheim
18 fl. 24 alb. 1 d:
der Gemeinde Rodheim
7 fl. 19 alb. 3 d:
der Gemeinde Fellingshausen
5 fl. 25 alb. ---
der Gemeinde Klein-Linden
6 fl. 9 alb. 4(?) d.
1790: Verglichen, bleibt baar zu bezahlen --- 28 fl. 15 alb.
Daran Trägt es
der Gemeinde Heuchelheim
13 fl. 26 alb. 3 d:
der Gemeinde Rodheim
5 fl. 19 alb. 3 d:
der Gemeinde Fellingshausen
4 fl. 9 alb. 4 d:
der Gemeinde Klein-Linden
4 fl. 20 alb. 1 d.
1790 den 16. July ist
Justus Franck von Romrod als Schulmeister allhier in Klein-Linden ankommen, und
den Sonntag drauf von Herrn Pastor Lindenmeyer der Gemeinde und Schulkindern
vorgestelet worden.
(Letzte Seite KB 2 Kll, Abschrift W.)
Im Jahr 1791 sterben mindestens 6 Kinder, bei 5 anderen ist keine Todesursache eingetragen, an den Blattern.
Am 15.12.1791 steigt eine hochschwangere Frau aus dem Postwagen Gießen - Hanau aus, um bei der Linneser Hebamme ihr Kind zu bekommen. Wie lange dieser Postwagen schon fuhr, ist mir noch nicht bekannt.
1791 betragen die Gerichtskosten des Gerichts
Heuchelhim: Summa 29 fl. 14 alb: daran erträgts:
der Gemeinde Heuchelheim 14 fl. 10 alb. 5 d:
der Gemeinde Rodheim
5 fl. 24 alb. 6 d:
der Gemeinde Fellingshausen
4 fl. 13 alb. 7 d:
der Gemeinde Klein-Linden
4 fl. 24 alb. 6 d.
1792 sind die Gerichtskosten erheblich gestiegen; die Summa
von 163 fl. 18 alb. 4 d: wird folgendermaßen aufgeteilt zwischen den
Gemeinden:
der Gemeinde Heuchelheim 79 fl.
21 alb. 1 d:
der Gemeinde Rodheim
32 fl. 11 alb. 1 d:
der Gemeinde Fellingshausen
24 fl. 22 alb. 5 d:
der Gemeinde Klein-Linden
26 fl. 23 alb. 6 d.
Die beiden höchsten Einzelposten in diesem Jahr sind:
40 fl. 15 alb. --- Heuchelheim 27 Paar Ochsen, Von Butzbach bagage des
fürstl(ichen) LeibRegiment sollen hohlen
24 fl. ----- --- Kleinlinden 12 Paar
Ochsen bagage von Gießen nach Nauheim gefahren
1793.
Samstags, d. 15. Juny
Nachmittags um 2. Uhr wurde von Ihro Magnificenz HErrn Superint. Dr. Bechtold
die Schulvisitation allhier gehalten.
wurde gelesen 2. Pat:
1. Kapitel Über die einige
Gottheit Chatechisirt,
das 1. Hauptstück
hergesagt
die Schreibbücher
producirt
das Rechnen probirt,
und das Ein mal Eins rückwärts gemacht.
Aus der Biblischen
Geschichte wurde die Geburt Mose, bis zur Ausführung der Israeliten aus
Eygypten, durch fragen mit den mit den größten Schülern vorgenommen.
wurde gesungen: Kein
Andrer ist dir Jesu gleich.
Anno 1793 Ende des Jahres
Ist das Capital im Brand Cataster
/ Heuchelheim 68190 fl.
Des Gerichts / Rodheim
26250 fl.
Heuchelheim \ Fellingshausen
16140 fl.
\ Kleinlinden
29410 fl.
Summa 139990 fl.
[Beschreibung Klein-Lindens, Seite 425 (letzte beschriebene Seite des
Buches).]
1793 enstehen dem Gericht Heuchelheim Kosten in Höhe
von 234 fl. 12 alb. 5 d. daran beträgts:
der Gemeinde Heuchelheim 114 fl. 6
alb. 3 d:
der Gemeinde Rodheim
46 fl. 11 alb. 6 d:
der Gemeinde Fellingshausen
35 fl. 14 alb. 2 d:
der Gemeinde Klein-Linden
38 fl. 12 alb. 2 d.
Da die Gemeinde Kleinlinden 46 fl. 2 alb. 4 d. schon vorgelegt hat,
erhält sie bei dieser Jahresabrechnung noch etwas zurück.
1794 werden die Gerichtskosten von 130 fl. 13 alb. 11(?) d. wie
folgt aufgeteilt:
der Gemeinde Heuchelheim 63 fl. 15 alb. 7 d:
der Gemeinde Rodheim
25 fl. 24 alb. 2 d:
der Gemeinde Fellingshausen
19 fl. 22 alb. ---
der Gemeinde Klein-Linden
21 fl. 10 alb. 7 d.
Rudolf Weigel, Seite 51/52: Die französischen
Revolutionskriege
Auch bei diesen Kämpfen und Durchzügen französischer, österreichischer und
preußischer Truppen kommt es in unserer Heimat immer wieder zu Plünderungen,
Mißhandlungen und Erpressungen.
Im Jahr 1794 wird auf dem Wredischen Gut (Hof) ein Lazarett eingerichtet,
in das (dem) 217 verwundete Soldaten und 2 Weiber aufgenommen werden.
Danach quartieren sich in unserem Dörflein 35 Offiziere, 116 Unteroffiziere,
1792 gemeine Mann, 79 Weiber, 50 Kinder und 511 Fuhrknechte mit 1758 Pferden
ein. Schmiedemeister Schaum muß zur Landesverteidigung Kugeln gießen, für die
Blei und Kupfer aus Wetzlar herangeholt werden.
1795 ziehen in Lindes feindliche Truppen ein. Diesmal sind es 30
Offiziere, 76 Unteroffiziere, 497 gemeine Mann, 23 Weiber, und 722 Knechte mit
1993 Pferden. Beim Abzug des Feindes müssen 14 Paar Ochsengespanne aus
Klein-Linden Proviant nach dem Kriegslager bei Herborn schaffen. Da diese
Gespanne lange Zeit verschwunden sind, werden am 20. Juni d. J. der Gießener
Amtsvorsteher Gravelius und der Klein-Lindener Gemeindeschreiber (Johann Weigel)
losgeschickt, um bei den Offizieren die Entlassung der Fuhrleute zu erreichen.
Nach einer langen abenteuerlichen Fahrt über Groß-Rechtenbach (Chursächsisches
Lager), Wetzlar, Herborn, Hachenburg - Engelbach, Engelbach, Altenkirchen,
Weyersburg, Hasselbach, Ickenrod, Hagenburg (Hachenburg) - Martenberg,
Nieder-Roßbach, Herborn und Katzenfurt kommt der Gemeindeschreiber "am 26. Juni
nachmittags ganz ermattet aber gottlob gesund" wieder bei den Seinigen in
Klein-Linden an (27 & 77). - Ob die 14 Gespanne zurückgekehrt sind ist mir
zumindest nicht klar.
Vom Anfang Juli 1796 - März 1799 (v. 8.7. - 11.9.96 u. v. 21.4.97 - März
1799) ist Gießen fast durchgehend von Franzosen besetzt. Diese beschlagnahmen
Hafer, Heu, Brot, Fleisch, Branntwein, Hufeisen, Nägel, Landkarten, Tuche,
Schuhe, Stiefel, Pferde für die Artillerie und anderes mehr. Auch wertvolle
Kunstwerke, Bücher und Schriften aus der Universitätsbibliothek sollen damals
abhanden gekommen sein.
[Quelle 27: s. o. Quelle 77: Gemeindearchiv Kl.-Linden.]
Am 19. August 1795 steht im KB Klein-Linden:
Unter dem nehmlichen Dato (19. Aug. 1795) wurde ein Kind von dem
Französchen Condeischen Corps von einem Römisch Katholischen Feldprediger in des
Lud. Balßer Weygels Behaußung getauft.
Am Sonntag den 11. September 1796 wird bei dem Taufeintrag der Anna
Ottilia Weigel wieder auf Kriegsunruhen verwiesen:
Wegen
der Kriegsunruhen hat kein Gottesdienst können gehalten werden. Die Tauf ist im
Schulhaus geschehen. (KB Klein-Linden).
Am 12. Januar 1797 wird einem Grenadier bey dem Kaiserl. Regimet Clerfait in Lindes ein Kind getauft, das am 11. Januar im währenden Winterquartier geboren wurde.
Am Ende des 2. Kirchenbuchs Kl-L findet sich folgender längerer
Eintrag:
Pro Memoria
Nachdem
der Kriegsschauplaz schon verschiedene Jahre in hiesiger Gegend gewesen, die
Kaiserl. und franzoischen Armeen Wechsels Weise Astruiret(Avanciret?) und
Retirieret waren, drangen die Franzosen den 18. April 1797 bei Neuwied
über den Rhein und zwar sehr geschwind, so daß sie 21.
April die Kaiserlichen von dem ganzen Lahnstrom bis an die Nidda verträngten.
Um 3. Uhr, Nachmittags waren die Kaißerlichen noch hier, bis ½ 4 Uhr kamen die
ersten franz. Dragoner ins Dorf und kamen in der Mark(?) in Handgemenge, nachher
fiel zwischen Steinbach und Grüningen
eine Schlacht zum Nachtheil der Leztern vor, wobei der franzoische General
Neu gefangen worden. In der nemlichen Nacht bekam das hiesige Dorf 600
Mann Dragoner ins Quartier welche den andern morgen abmarschirten. Um 6.r
Uhr den 22. April des Morgens fiel
eine franzoische Armee, welche sich bei Giesen
in den Gärten gelegen hatte hier zum
Plündern ein, dies dauerte bis des Abends 7. Uhr, Wann eine Partie fort war
kam die andre, so daß in manchen Häußer nicht die geringste Lebens Mittel übrig
blieb und die meisten Leute haben in 3. Tag keinen bissen Brod gehabt, und
Schaden, den der Ort erlitten wird auf 14000.
fl geschäzt, nicht allein Lebensmittel, sondern auch Kleider und Weißzeug,
nebst vielem Geld haben die feinde genommen, der Schulmeister Franck hat nach seiner geringen Haushaltung einen
Verlust von 250. fl. Es ist doch auch ungleich bei der Plünderung hergegangen,
einige der reichsten Häußer in
der Obergaß hatten sich durch eine Parthie Kanounir Sicherheit verschaft,
daß sie nichts dabei verlohren. -
Gleich nach der Schlacht bei Grüningen kam ein Waffenstilstand zu Wegen, der 22. Monath dauerte, die franzoischen Trouppen wurden in das ganze Oberfürstenthum Regartirt, wo endlich alles draufgegangen, daß Land ist da durch so auf und abgezehrt worden und hat so viel Schulden gemacht, die Kindes Kinder nicht bezalen können.
Hierzu schreibt Albert Boßler im
Jahr 1911, zitiert nach „100 Jahre freiwillige Feuerwehr 1995“, „daß
vor vier Jahren -also in 1907!!- noch
1742 Mark ältere Kriegsschulden in der Gemeinderechnung für Klein-Linden
eingestellt waren, jetzt aber getilgt sind. Während der Einquartierung bezahlte
die Gemeinde von Mai bis Dezember -1797-
an Balth. Schiefer in Gießen an Wein für französische Offiziere 520 Gulden
und von da bis zum 8. Mai des nächsten Jahres wieder 171 Gulden für Wein und 7
Gulden für Branntwein. Auswärtige Offiziere kamen nach Klein-Linden und müssen
mit verpflegt werden. Die Gemeinde gerät immer mehr in Schulden. Es werden 5025
Gulden für Kriegskosten aufgenommen und im nächsten Jahr wieder 888 Gulden für
Kriegsfahrten, dieweil der Viehstand so reduziert ist, daß Fuhrwerke aus der
Nachbarschaft herangezogen werden müssen.
Um
dem großen Notstand der Gemeinde zu steuern, sendet der Amtmann Gravelius von
Gießen an den Bürgermeister ein Schreiben, worin er die Bauern auffordert, mit
ihren noch vorhandenen Gespannen ihren unglücklichen Miteinwohnern bei der
Bestellung ihrer Felder zu helfen, damit letztere nicht noch gänzlich ins
Verderben gebracht werden.“
[Dieses Schreiben war mit Sicherheit ein echte
Hilfe!]
[Freundliche Mitteilung von Frau
Marion Wächter:]
Die Schlacht fand am 21.4. nicht zwischen Steinbach und Grüningen sondern
zwischen Steinberg (Watzenborn-Steinberg) und Grüningen in den sog. Pohlheimer
Wiesen statt und der franz. General hieß nicht Neu sonden Ney.
Mein Urahne Damasky nahm an dieser Schlacht teil und kam so als kaiserlicher
Soldat von Böhmen nach Watzenborn, daher habe ich bereits einiges zu diesem
Schlachtengetümmel gesammelt.
Im Winter 1794/95 lagen bereits kaiserliche Heere hier in der Umgebung. Am
18.1.1795 gab der Kommandeur des Ungar. Gren.-btl. zum Abschied (Rückzug) ein
Mittagessen in Rechtenbach, bei dem u.a. anwesend waren:
ein Hauptmann von Bechard von Lützellinden,ein Oberleutnant Zvanka sowie ein
Unterleutnant Podhorsky ebenfalls von Lützellinden, ein Hauptmann Schmidl von
Dutenhofen, ein Hauptmann von Melitz von Münchholzhausen, ein Oberleutnant Watzl
von Allendorf, Leutnant Einhäuser von Hörnsheim ... Das sind wohl alles Namen
von kaiserlichen Armee-Angehörigen ...
Bei Rudolf Rudolf Weigel findet
sich zur der Plünderung von Linnes am 22.04.1797 auf Seite 52 noch
folgende Geschichte:
Viele Bewohner flüchten noch schnell in die benachbarten Ortschaften oder in
die Wälder, andere fliehen bis nach Grüningen. - Eine Familie (Ph. Weigel) muß
dabei ihre Kuh, die sie mit Müh und Not über all die schweren Jahre hinweg
gerettet hat, zu Hause lassen. Bevor sich jedoch die Hausbewohner auf den Weg
machen, versorgen sie das Tier noch rasch mit einigen Eimern Wasser und einem
Ballen Heu und füllen den vorderen Teil des Stalles mit Stroh aus. Als die
Familie dann 2 Tage später von Grüningen zurückkehrt, kann sie ihre Kuh - trotz
Milchfieber - noch lebend begrüßen. [Ohne Quelle.]
Am 14. Juni 1797 wird einem
Ronducteur (Wagenmeister) bey des französischen General Coulange Equipage
ein Kind getauft, das am 13.06.1797 in Lindes geboren wurde.
Die Frau dieses Wagenmeisters aus Cendrecaurt in der Provinz Franche Comtée
stammt aus Romrod.
1799. Samstags den 10.
Aug. wurde von Herrn Sup. Bechtold Hochwürden die Schulvisitation gehalten.
Erstl. wurde
Apost.sch. das 6. Kapitel gelesen. daraus von der freudigkeit Stephans vor dem
geistl. Gericht der Judten erklärt.
2.) die Hauptstücke
des kleinen Chatechismus erklärt.
3.) die Bibl.
Geschichte von den Söhnen Adams von den grossen Schülern fragweis hergesagt.
4.) das Rechnen
probirt und die Schreibbücher durchgangen(?)
5.) Gesungen Soll
dein verderbtes Herz pp G.b. 202.
______________________________________________________________________________________________________________________________
Die Entwicklung von Linnes im
19. Jahrhundert.
1800. den 7. Juni
wurde von Herrn Superintendent Bechtold Hochwürden, mit Herrn Regierungs Rath
Mayer Wohlgebornen die Kirchenvisitation gehalten.
Erstl. wurde gelesen
Joh: 4. Kapitel, in der Biblischen Geschichte von der Schöpfung Mose 1. Cap:
bis auf die Sindfluth erklärt; sodann die Geschichte von Abraham von den Schüler
fragweis hergesagt. Die Schreibbücher producirt, das Ein mal Eins vor und Rückwätts
gemacht, das Rechnen im Kopf gemacht, oder dem Kopf nach probirt, zuletzt
gesungen, Eins ist Noth pp.
NB. der Gemeinde
wurde aller Erst ein Sermon von dem Erlösungs werk Jesu gehalten, die Junger
Leute EXaminirt; Gesungen, Herr Jesu Gnaden Sonne p.
Durch Verordnung vom 23. April 1804 wird das Amt Gießen in ein Land- und ein Stadtamt aufgeteilt. Klein-Linden kommt zusammen mit Großen-Linden zum Stadtamt (42). [Rudolf Weigel, Seite 55. Quelle 42: Müller, Wolfgang "Die althessischen Ämter im Kreis Gießen" Schriften d. Inst. f. gesch. Landeskunde von Hessen und Nassau, Marburg 139.]
1805 sterben 14 Menschen in Linnes, deutlich mehr als sonst im Jahresdurchschnitt. Darunter sind 7 Kinder, ein 8. wird tot geboren; bei 3 Kindern heißt es ausdrücklich, daß sie an den (bösartigen) Blattern gestorben sind.
Im Jahr 1805 beginnt man den Festungsgürtel um die Stadt Gießen und die Chaussee, die Frankfurter Straße, zu bauen. [Rudolf Weigel, Seite 58.]
In einer Urkunde vom Februar 1806 schreibt der Gießener Amtskeller von Schmalkalder: "Es werden wohl wenig Ortschaften im genzen Hessenland seyn, welche eine so kleine eingeschränkte Gemarkung haben als es Klein-Linden hat. Kaum 100 Schritte jenseits des Ortes fängt die Allendörfer Gemarkung an. Sodann erstreckt sich die Heuchelheimer Gränze bis weit diesseits der Lahn. Besonders aber ist großer Mangel an Wieswachs". Richard Matthes schreibt dazu: "Dem wäre noch hinzuzufügen, daß auch der Wald gänzlich fehlt." (27 & 93) [Rudolf Weigel, Seite 56. Quelle 27: s. o. Quelle 93: Staatsarch. Dm. Ablieferung d. Finanzministers 77 Nr. 76 fol. 74.]
Am 04.09.1806 stirbt Pastor Friedrich Christian Lindenmeyer mit 67 Jahren im 18. Jahr seiner Amtsführung in Großen-Linden.
Zu Beginn des Jahrhunderts steht
die Schaf- und Tierhaltung noch in hoher Blüte und die meisten Bewohner arbeiten
weiterhin in der Landwirtschaft.
Am Beispiel des Bickschen Gutes lassen sich noch einmal die Probleme dieser Zeit
aufzeigen:
Nachdem das Gut im Jahr 1795 an 8 Klein-Lindener Einwohner meistbietend
verpachtet worden ist, bitten die Pächter im Jahr 1806 um
Pachtermäßigung. Zur Begründung führen sie an, "daß die Äcker und Wiesen an der
Lahn oft überschwemmt worden seien, wobei das Wasser bis in die Lindeser Gärten
vorgedrungen sei. Allein im laufenden Jahr sei dies 9mal geschehen. Überhaupt
hätten sie in den letzten Jahren zusammen nicht soviel geerntet, als einer an
Pacht bezahlen müsse." (27)
15 Jahre später (1821) stellen die Pächter ein ähnliches Gesuch. Diesmal
sprechen sie von einer Mäuseplage, die über die Hälfte der Ernte
vernichtet hätte. Beide Gesuche werden vom Schultheißen Jung und vom Gießener
Amtskeller von Schmalkalder unterstützt. Die Finanzkammer lehnt sie jedoch als
"leywidrig" ab. (27 & 93)
Da auch in den folgenden Jahren die Ernten und auch ganze Stücke Landes oft vom
Wasser weggeschwemmt werden, bitten die Pächter schließlich ganz verzweifelt um
Auflösung des Leihvertrages. (27)
[Rudolf Weigel, Seite 58. Quelle 27: s. o. Quelle 93: s. o.]
So sterben im Jahr 1807 wieder einmal viele Kinder an den Pokken. [Rudolf Weigel, Seite 66.] [Für Linnes kann das anhand der Sterbeeinträge im Kirchenbuch nicht sicher belegt werden; es sterben 11 Menschen, darunter 8 Kinder. Das sind mehr als im Durchschnitt in einem Jahr sterben; es wird aber in keinem Eintrag auf die Pocken oder Blattern hingewiesen. Allerdings sterben in Großen-Linden 54 Menschen, dies ist ein Mehrfaches des sonstigen Jahresdurchschnittes.
Im Jahr 1807 verläßt der
letzte letzte in Klein-Linden ansässige Freiherr Ludwig Dietrich von Wrede
unseren Ort und zieht nach Würgassen b. Herstelle in Westfalen. Sein Gut umfaßt
damals nur noch 130 Morgen, 35 Ruten Ackerland und Wiesen. An Gebäuden sind
vorhanden: Das Wohnhaus mit dem Nebenhaus, der Ochsen- und Kuhstall neben dem
Haus, der obere Schweinestall, der große Stall unten am Weg, die Scheuer mit dem
Ziegeldach und die Scheuer mit dem Strohdach. Der Freiherr verpachtet das Gut
und erhält dafür 870 Gulden.
Da Wrede sich in ständiger Geldverlegenheit befindet und außerdem an Steuern,
für Gemeinde, Staat und Einquartierungskosten jährlich 520 fl. - also über die
Hälfte der Pacht - zahlen muß, verkauft er 1812 das ganze Anwesen.
Zunächst muß es jedoch durch fürstliches Dekret vom 11. März in freies Erb- und
Eigentum umgewandelt werden. Dabei fällt die sogenannte Koppeljagd weg und 1/5
des Gesamterlöses kommt an den Staat.
Im April desselben Jahres läßt Wrede das Gut abschätzen. Taxatoren sind:
die Feldgeschworenen Friedr. Amend, Ludwig Weigel im Schwanen,
der Schultheiß Jacob Kreiling v. Klein-Linden sowie der Zimmermann
Jacob Herbert aus Gießen.
Die 4 Leute veranschlagen sämtliche Gebäude mit allen Liegenschaften auf 13 421
fl. (Gemeindearchiv Kl.-Linden; 77/Abt. XV)
Am 15. Mai d. J. wird der gesamte Wredische Besitz durch den Anwalt des
Freiherrn Herrn Krug aus Gießen an Klein-Linden verkauft. Die Vertreter der
Gemeinde sind:
der Schultheiß Kreiling, der Vorsteher Balthasar Weigel und der
Gemeindeschreiber Phil. Weigel.
Außerdem geben sämtliche Bürger mit Ausnahme des Christian Lenz durch
Unterschrift ihre Zustimmung zu dem Vertrag.
Wrede ist jedoch mit den Abmachungen nicht einverstanden; deshalb wird das Gut
versteigert. Es gelangt am 22. Juli an den Meistbietenden, den Geheimrat
von Zwierlein von Winnerod, der 13 900 fl. bietet. Den Weinkauf in Höhe von 30
fl. und den Gottespfennig [von] etwa 20 fl. müssen von Käufer und
Verkäufer zu gleichen Teilen getragen werden. Außerdem muß der Käufer die
Lieferung von 2 Achteln Korn an den jeweiligen Pfarrer übernehmen.
Herr von Wrede hat außerdem der Gemeinde als Entschädigung für Kriegskosten 932
fl. zu zahlen.
Ein Jahr später schon verkauft Herr von Zwierlein den gesamten Besitz an
einzelne Klein-Lindener Ortsbürger für insgesamt 15 5000 fl. (Q. 17: s. o.)
Nach dem Wegzug der Freifrau von Wrede (Wilhelmine von Wrede) nach Gießen wird
ihr oberhalb der anderen Gebäude stehendes Wohnhaus - auf Abbruch - nach
Groß-Rechtenbach veräußert. Die Steine der Wirtschaft "Burg Seip" od. "ZurPost"
in Groß-Rechtenbach stammen also vom Wredischen Gut. (85 u. 54)
Dabei erwirbt der Gemeindsmann Johann Jung das Burghaus mit sämtlichen
Nebengebäuden für 600 fl. (99)
[Rudolf Weigel, Seite 61. Quelle 54: Rau, H. in "300 Jahre Volksschule
GI-Kl.-L.", 1950. Quelle 85: Boßler, A. 60 Jahrfeier des Gesangsvereins
Eintracht. Quelle 99: Staatsarch. Da.; XIV Gi. 160.]
1808-1813: Am Ende des Jahres 1815 findet sich im Sterbereigister des KB
Klein-Linden der folgende Nachtrag:
Die in den feldzügen von 1808=1813 ausgebliebenen Soldaten btl.
Nach verehrlicher Verfügung Grosh. Oberkriegs Collegs vom
30. August 1814 sollen alle diejenigen Soldaten, welche aus
den feldzügen von 1808. 1809. 1810. 1811. 1812. 1813 nicht in ihr Vater=
land zurückgekehrt sind noch binnen einem Jahre von Publi=
cation der Verordnunggerechnet, in ihr Vaterland zurück
kehren, oder von ihrem Leben Nachricht geben, als todt betrachtet werden.
Aus Kleinlinden sind solcher Pursche sechs u zwar alle im
Russischen Feldzuge ausgeblieben, welche hiermit namentlich
verzeichnet werden.
gebohren
1. Johann Andreas Amend zweiter lediger Sohn des jüngst verstorbenen
Einwohners und
Gemeinds Mannes Johann Friedrich Amend -------------------------
1788 / 1 Jan.
2. Ludwig Klingelhöfer ältester
unehel. led. Sohn der Anna Maria Künzebach
1784 / 8 Aug
3. Daniel Lenz
hinterl. jüngster led. Sohn des gewesenen Einwohners und
Gemeinds=Mannes Johann Philipp Lenz ------------------------------
1780 / 5 Jun
4. Joh. Philipp Lenz
hinterl. zweiter lediger Sohn des gewesenen Einwohners und
Gemeinds=Mannes Ludwig Lenz, Dan Sohn --------------------------
1791 / 27 July
5. Joh. Friedr. Weller
ältester lediger Sohn des im Jahr 1813 verstorbenen Ein=
wohners und Gemeindsmannes Friedrich Weller -------------------
1791 / 8 Fbr
6. Joh. Friedr. Weigel
hinterl. jüngster Sohn des gewesenen Einwohners u
Gemeindsmannes Caspar Weigel ----------------------------------------
1790 / 22 Fbr.
Am 22. Juli 1812 wird das Burggut öffentlich versteigert. [Siehe
Klein-Linden - Geschichte und Gemarkung - von Friedrich Wilhelm Weitershaus, Seite 82.] [Siehe auch bei 1807.]Im Januar 1813 muß auch
unser Ort Quartiere für die zurückflutenden französischen Truppen stellen. Es
sind außerdem Botengänge zu tun, wegekundige Männer als Führer zu stellen und
immer wieder Kriegsfuhren zu leisten (100).
Nach der Völkerschlacht bei Leizig (vom 16. - 19. Okt.) wird die
preußische Armee Blüchers über den Vogelsberg in die Gießener und
Großen-Lindener Gegend beordert. .....
Am 3. November kommt Blücher selbst in Gießen an. Einen Tag später wird
die Hälfte der 2. Brigade des York´schen Korps für 3 Tage in Klein-Linden
einquartiert. Am 7. Nov. zieht das Korps in Richtung Wetzlar und Limburg
weiter (72).
Bald darauf sieht unser Ort Kosaken, die als Teile der Armeee Blüchers Napoleon
verfolgen. Auch sie fordern die Versorgung und Verpflegung der Mannschaften und
der Pferde und verlangen von den vorhandenen Handwerkern die Ausführung der
Reparaturen (100). Von ihnen stammen auch einige Hufeisen, die noch lange Zeit
in der Dorfschmiede zu sehen sind. Ein Schreiben, das in diesem Jahr in
Klein-Linden ankommt, nimmt ebenfalls auf sie Bezug. Nach ihm ist einem
russischen Soldaten im Wald bei Darmstadt ein mit 4 Ochsen bespannter Wagen
abgenommen worden. Der fast zu Tode geschlagene Bauer soll aus Klein-Linden
stammen. Der Schultheiß wird in dem Schreiben aufgefordert, den Eigentümer
zu ermitteln (27 & 86).
Vom Januar 1814 ab sind für die unaufhörlich durchziehenden Preußen und
Russen wieder zahllose Botengänge und Kriegsfuhren zu leisten (100).
[Rudolf Weigel, Seite 65. Quelle 27: s. o.; Quelle 72: [Vmtl. Druckfehler,
ebenfalls 27 gemeint.]; Quelle 86: Boßler, A., Kriegserlebnisse aus
Klein-Linden; Familienblätter d. Gi. Anzeigers, Jgg. 1914; Quelle 100: Walbrach,
Carl, Oberhessen während der Befreiungskriege; HiB, Jgg. 1933, Nr. 13.]
Auch dieses Mal wird eine Krankheit
von der durchziehenden Soldateska eingeschleppt. Schon im Januar, Februar und
März 1813 sterben 2 Ehepaare "an einer hizzigen Krankheit",
vom 17.12. bis zum Jahresende 1813 wird die "hizzige Krankheit"
bei 4 weiteren Erwachsenen als Todesursache genannt. Insgesamt sterben im
Jahr 1813 zwölf Menschen in Linnes. Die Epidemie wütet mindestens bis zum Juni,
am 20.06.1814 stirbt eine 18jährige Frau als letzte von insgesamt 13
Personen, bei denen ausdrücklich "hizzige Krankheit", "Nervenfieber"
oder "hizziges Nervenfieber" als Todesursache genannt werden. Insgesamt
sterben in diesem Jahr 20 Menschen in Linnes. Zum Vergleich seien hier die
Sterbezahlen der vorhergehenden und der folgenden Jahre genannt: 1810: 4 / 1811:
11 / 1812: 9 / 1815: 8 / 1816: 6 / 1817: 4.
Rudolf Weigel schreibt auf Seite 66: 1813/14 bringt das grauenvolle
Nervenfieber den Familien des Dorfes sehr viel Elend. Gleichzeitig bricht unter
dem Vieh eine Seuche aus.
1815. Auf dem Wiener Kongress, 18.09.1814 bis 09.06.1815, werden viele Grenzen in Europa neu festgelegt. Da der Kreis Wetzlar jetzt zu Preußen gehört, hat Linnes nun eine Grenze mit Preußen. Ein Grenzstein war noch lange (bis wann?) "auf der Holzburg" zu sehen.
Das Jahr 1817 ist ein Hungerjahr. Für das Achtel Korn, das früher 8 fl. (Gulden) gekostet hat, müssen vor der Ernte 26 fl. und nach der Ernte 18 fl. bezahlt werden. [Rudolf Weigel, Seite 66.]
1817 hatte Linnes 312 Einwohner. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)] [Zur Quelle siehe bei 1717.]
Am 01.11.1817, Mittags 2
Uhr, zog ich mit der Gemeinde und Schuljugend aus dem Schulhause unter Absingung
des oben bemerkten Liedes: "Lob, Ehr und Preis" nach dem grosen freien Plazze in
der Mitte des Ortes, wo dessen vier Strasen, wie Strahlen eines Kreises zusammen
laufen, und wo die Gemeinde an Sonntagen oder in Feierstunden sich zu versammeln
pflegt. Wir bildeten einen Kreis um die Grube, welche für die als Denkmal zu
pflanzende Linde, die von da fast aus jedem Hause wahrgenommen werden kann,
schon gerichtet war. So beschreibt Pfarrer Christian August Hoffmann in
seiner Schrift "Die Feier des dritten Evangelischen Jubelfestes zu Gros= und
Klein=Linden" die Pflanzung einer Linde zur 300. Wiederkehr des
Reformationstages in Linnes. Er schreibt auch noch: Bemerkenswerth ist es,
daß ich, nach einer mehr als Jahres langen Unterbrechung des Gottesdienstes, die
durch eine Irrung in der Gemeinde veranlaßt wurde, welche nunmehr zum Kirchgange
nach der Mutterkirche höchsten Ortes angewiesen worden war, an diesem Feste den
Wunsch der Gemeinde Klein=Linden erfüllte, ihr wiederum die Haltung eines
eigenen Gottesdienstes zu verwilligen; ein Umstand, der die festliche Freude um
ein Groses steigert.
Die "Irrung" hatte darin bestanden, daß auch nach dem Verkauf und der
Aufteilung des Burggutes, Pfarrer Hoffmann weiter die 4 Zentner Korn, siehe bei
1658, für die Pastorei Großen-Linden einforderte, die keiner der Teilkäufer
zahlen wollte. Eine "bewundernswerte" Dickköpfigkeit auf beiden Seiten, die sehr
schön zeigt, wie alt die heute wieder hochaktuelle, von unserem Bundeskanzler
perfektionierte, Methode ist, mit trotzigem Verhalten aus dem Kindergartenalter
"Politik" zu betreiben.
Erst die napoleonische Zeit, die
mit ihren Kriegs- und Notjahren die Städte und Dörfer in erhebliche finanzielle
Bedrängnis brachte, ließ den Streit erneut aufleben.
Es ging jetzt nicht mehr in erster Linie um Hute- und Weiderechte; auch die
Gemarkungsgrenze stand nicht im Brennpunkt der Auseinandersetzungen.
Es handelte sich vielmehr um die Frage, ob die Eigentümer der Äcker und Wiesen
im sogenannten Centbann zu den Zinsen der von der Stadt Gießen seit 1807
aufgenommenen Kriegskosten-Kapitalien beizutragen hätten oder nicht.
Der Prozeß, der zunächst um diese Frage im Jahre 1819 wieder aufgenommen
worden war, wurde natürlich sehr bald auf die alten Streitpunkte ausgedehnt.
Während sich Klein-Linden erneut auf den "Centbann" berief, der ganz zu seiner
Gemarkung zähle und darum nicht nach Gießen steuern könne, verwies Gießen auf
die alten Verträge von 1531, 1701 und 1752, nach denen die Gießener Gemarkungs-
und Steuerrechte bis zur alten Landwehr deutlich und uneingeschränkt
festgestellt worden seien. Im übrigen sei klar erwiesen, daß Klein-Linden von
1698 bis 1820 die Bede von den Gütern der Klein-Lindener Bauern im Centbann
unwidersprochen nach Gießen bezahlt habe, und erst seit 1820 würden die
Zahlungen verweigert, nachdem sich diese Beträge durch die von Gießen
aufgenommenen Kriegskosten-Kapitalien erhöht hätten (28). [Dr. Knauß,
Grenzstreit, Seite 117. Anm. 28: Stadt A G, Allmendakten (Streit mit
Klein-Linden) 19. Jh.]
Eine interessante Sache wird
noch aus dem Jahr 1819 gemeldet. Am 30. Nov. d. J. werden die vor
1817 gültigen örtlichen Längen- und Flächenmaße in das metrische System
umgerechnet. Dabei stellt sich heraus, daß Klein-Linden zusammen mit Rodheim im
Kreis Gießen und Fellingshausen im Kreis Wetzlar ganz andere Maßeinheiten hat
als die ürbirgen Orte.
[Es folgen zu verschiedenen Orten die Angaben zu "Ortsfuß", "Rute" und
"Lokalmorgen" nach "Krause, Die Verrechnung der hessischen Ortsmaße (vor 1817)
1956".]
Welche Bedeutung diese verschiedenen Maße haben, muß noch untersucht werden.
Auffallend ist jedoch, daß die Rodungsdörfer um den Schiffenberg den gleichen
Lokalmorgen haben. Man ist daher versucht zu glauben, diese Maße könnten in die
Anfänge eines Ortes zurückführen. [Rudolf Weigel, Seite 57.]
1821 wird eine Mäuseplage erwähnt, siehe bei 1806.
Am
16.12.1821 notiert Pfarrer Hoffman im KB Kl-L:
Nota:
Ein merkwürdiger Fall, daß auf einen Tag vier Kinder getauft wurden.
Am 14.03.1822 wird in Klein-Linden ein neuer Friedhof eingeweiht.
Dies geht aus dem Sterbeeintrag des
Kindes Maria Elisabetha Künzebach hervor:
[Darüber:]
NB Von(?) hier fängt die Reihe der auf dem neuen Kirchhofe Beerdigten an.
Maria
Elisabetha Künzebach, Töchterlein des hiesigen Einwohners Johannes Künzebach,
starb am zwölften März, Nachmittags vier Uhr, alt sechs Monate weniger 2.
Tagen; nat: 1821 / 14 Spt; und wurde am vierzehnten ejusdem unter Einweihung des
neuen Begräbnisplatzes Mittags ein Uhr beerdigt, ...
In
einer Beschreibung des Großherzogthums Hessen von 1825 befindet sich
folgender Hinweis:
"Klein-Linden, Dorf unweit Gießen, an der Heerstraße nach Frankfurt, mit einer
Burg, 61 Häusern und 310 Einwohnern. Von hier führt eine Chaussee
nach Wetzlar, welche 1.258 Klafter lang ist". [100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 79.]
Auch um das Jahr 1825 muß in unserer Gegend große Not geherrscht haben. Der Gießener Bürgermeister Schneider berichtet nämlich an das hessische Ministerium, daß auch die ältesten Leute sich nicht erinnern können, eine solche Zeit erlebt zu haben. Er schreibt, daß die Leute erbittert sind wegen verschiedener Maßnahmen des Staates, die sie ruinieren und die zum Teil wegen Besoldungsvermehrung und höherer Würden von den ausführenden Personen allzuhart durchgeführt werden. Er schlägt vor, den Bauern Kredite zu gewähren, damit diese genügend Vieh halten können und auch ihr Stroh nicht zu verkaufen brauchen. Er meint, daß es möglich sein müsse, die Auswanderung nach Brasilien, um die von vielen Leuten unserer Gegend ersucht wird, einzudämmen. An irgendwelche Abwerbungen glaubt er nicht (102). Ob in dieser Zeit auch Einwohner unseres Ortes nach Brasilien gegangen sind, ist bis jetzt noch ungeklärt. [Rudolf Weigel, Seite 67. Quelle 102: Lehnert G. "Ein Gießener Bürgermeister zur Auswanderung"; MOV Jgg. 1942, Bd. 38.]
1826 soll Linnes dann schon
356 Einwohner gehabt haben. [Nach:
Hermann Rau: Geschichtliches von
Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung
Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)]
[Vmtl. stimmt eine der Einwohnerzahlen von 1825 oder 1826 nicht; eine Zunahme um
46 Einwohner in einem Jahr ist in dieser Zeit nicht nachvollziehbar.]
Im 1830 ist der Schulsaal zu klein geworden. Deshalb wird hinter dem Haus ein neuer Saal gebaut, auf den man 1864 das Türmchen der alten Kapelle setzt. 1869 muß ein zweiter Schulsaal über dem schon bestehenden errichtet werden. Der Dachreiter der alten Kapelle kommt einen Stock höher. Gleichzeitig wird das in unmittelbarer Nähe stehende Brauhaus wegen Baufälligkeit abgerissen. An seiner Stelle entsteht eine neue geräumige Lehrerwohnung. (Alle hier genannten Gebäude sind 1969 abgerissen worden) [Rudolf Weigel, Seite 64.]
Nach erneuten fast 2 Jahrzehnte
dauernden Auseinandersetzungen wurde Klein-Linden im Jahr 1837
verurteilt, mit den Güterstücken im Centbann zu den Zinsen der seit 1807 von der
Stadt Gießen aufgenommen Kriegskosten-Kapitalien beizutragen, und zwar nach dem
durch Gesetz bestimmten Maßstab. Ferner soll Klein-Linden alle bisher
entstandenen Kosten des Rechtsstreits tragen. .....
[Erstaunlich finde ich, daß hier die vmtl. pro Kopf der Bevölkerung
wesentlich höheren Kriegsschulden der Linneser keinerlei Erwähnung finden.]
Beide Seiten boten ihre besten Vertreter und auswärtige Rechtssachverständige
auf, um ihrem Standpunkt zum Erfolg zu verhelfen.
Als sich im Jahre 1840 abzuzeichnen schien, daß Gießen auch diesmal den
Rechtsstreit gewinnen mußte, weil die Beweisaufnahme eindeutig zu seinen Gunsten
sprach, erklärte sich Klein-Linden durch seinen außerordentlich geschickt
taktierenden damaligen Bürgermeister Weigel bereit, einem von Gießen
vorgeschlagenen Vergleich zuzustimmen (29). [Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite
117. Anm. 29: Stadt A G, Allmendakten (Streit mit Klein-Linden).]
Am 18.01.1841 verwandelte ein plötzlicher Wärmeeinbruch im Winter mit Regen nach vorausgegangenem strengsten Dezemberfrost und ungeheuren Schneefällen mit abgeschnittenen Dörfern zu Jahresbeginn den hessischen Raum in eine Wasserwüste. Die Lahn, die Fulda und der Main erreichten mit der schlagartig einsetzenden Schneeschmelze den höchsten Stand des Jahrhunderts. [Sonntag-Morgenmagazin, 15.01.2006; Seite 21]
Im November 1841 erhält
der Gießener Advokat Briel die Erlaubnis, "die von ihm entdeckten
Braunstein-Ablagerungen im Großenlinder Marckwald alsbald" abzubauen.
Der wertvolle Braunstein wird zunächst im Tagebau in der Nähe des heutigen
Oberhofes gewonnen. Das Unternehmen geht bald an den Engländer Fernie über ....
Der ganze Betrieb ist damals auf Handarbeit eingestellt. Nach der Gewinnung
werden die Erzbrocken zu faustgroßen Stücken auseinandergeschlagen und auf die
Scheidetische gebracht. Dort stehen 12 - 15 jährige Jungen und Mädchen,
die die Stücke mit Hämmerchen noch mehr zerkleinern und sortieren. (95) Auch von
Klein-Linden arbeiten damals mehrere Leute auf dem Bergwerk. Im Ort selbst sind
fremde Bergleute in "Kost und Logie" (88). Außerdem fahren zahlreiche
Pferdehalter den Braunstein an die Lahn zur Braunsteinwäsche (88). Diese liegt
in der Nähe des Allendörfer Wäldchens. Dort sind abseits vom Ufer Waschtröge zum
Waschen des Erzes aufgestellt. Das verwendete Wasser wird über 3 Klärsümpfe der
Lahn wieder zugeführt. Die Gruben der Sümpfe sind am Boden gepflastert und an den
Wänden mit Mauerwerk oder Bohlen eingefaßt. Sobald ein Klärsumpf mit Schlamm
ausgefüllt, wird dieser weggefahren, da er nicht in den Fluß oder auf die
Böschung geworfen werden darf (96). Um den Transport des Erzes zu beschleunigen,
baut man im Jahre 1879 eine Drahtseilbahn vom Bergwerk zum Bahnhof
Gießen. (95) [Rudolf Weigel, Seite 58/59. Quelle 88: Lenz, O.
Denkschrift zum sechzigjährigen Jubelfest des Klein-Lindener Posaunenchors.
Quelle 95: Weiss, Ludw. "Linder Marck" und Bergwerkswald; H.i.B. 1956 Nr.
12. Quelle 96: "Local-Verordnung über den Betrieb u. die polizeiliche
Beaufsichtigung der Erzwäschereien an der Lahn. Gießen den 21. Jan. 1857"
Großherzogliches Kreisamt Gießen, in Verhinderung des Kreisraths; Pietsch
Regierungs-Assessor.]
1843 Beginn des Abbaus
der in der Lindener Mark liegenden Manganerzlagerstätten. Dies eröffnet vielen
Menschen eine Erwerbsmöglichkeit bis zur Einstellung des Betriebes im Jahr 1976.
[1200 Jahre Leihgestern; Blick in die Geschichte, Zittafel ...; GAZ vom
25.06.2005]
Linnes beginnt zu wachsen; Bergleute von ziehen mit ihren Familien hierher, oder
heiraten nach Linnes ein.
Dieser Wachstumsprozeß setzt sich mit dem Eisenbahnbau fort.
Am 1. April 1844 muß es in Klein-Linden zu einem größeren Brand gekommen sein. Näheres darüber ist nicht bekannt. Die Schadenshöhe geht aus einer Aufstellung der Brandversicherungskasse hervor. [100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 73.]
Der über 300jährige Grenzstreit
zwischen Linnes und Gießen endet im Oktober 1845 mit einem Vergleich, der
unter "Observanz" des großherzoglichen Hofgerichts und des großherzoglichen
Kreisrates zu Gießen unter folgenden Bedingungen geschlossen wurde (30):
1. Die Gemarkungsgrenze bilden die beiden Bachwege vom "Heßler" im Nordwesten
an der Lahn bis zur "Herrschaftlichen Hege (31)" und dem "Linder
Markwald" im Südosten.
2. Die Kommunalumlagen werden in Zukunft von den Besitzern an die Gemeinde
entrichtet, in deren Gemarkung die Güterstücke liegen.
Entsprechendes gilt für die früher oder später enstandenen
Kriegskosten.
3. Bislang rückständig gebliebene Kommunalumlagen, welche die Stadt Gießen zu
beziehen hat, werden zu 1/4 niedergeschlagen und zu 3/4 von
der Gemeinde Klein-Linden, welche für ihre "Debenten" als
Selbstschuldnerin zu haften hat, in 4 Jahreszielen von Martini 1846 bis Martini
1849
an die Stadtkasse abgeliefert.
4. Kosten des Rechtsstreits werden gegenseitig verglichen; Kosten der
Grenzfestsetzung und der neuen Aussteinung trägt jede Gemeinde zur Hälfte.
5. Alle Hute, Weiden, Pferch oder Berechtigungen in den nunmehr abgeteilten
Bezirken gelten ab sofort als erloschen, so daß niemand in der fremden
Gemarkung ein solches Recht geltend machen kann.
6. Kosten, zu denen Gießen bzw. Klein-Linden in früheren Entscheidungen
verurteilt wurden, werden niedergeschlagen; Klein-Linden verzichtet auf
den Ersatz des bisher im gesamten Centbann allein getragenen
Feldschützenlohnes.
[Dr. Knauß, Grenzstreit, Seite 118.]
1845 hatte Linnes 428 Einwohner. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)]
1846:
Watzenborn-Steinberg wird von einem heftigen Erdbeben heimgesucht, das
nur Sachschaden verursacht.
38 Einwohner werden das Opfer
eines Nervenfiebers.
["Pohlheim Watzenborn-Steinberg 1141-1991", Seite 11.]
Weder von dem Erdbeben nach von der Epidemie ist mir bisher in Linnes etwas
bekannt.
1849 Erste
Lahnbrücke nach Allendorf errichtet. [Von Heuchelheim nach Allendorf und
Klein-Linden.]
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims - Zusammengestellt von Otto Henkelmann
II. in "Heuchelheim in Wort und Bild", 1961, S. 142-144.]
Um 1850 ist der Schulsaal
zu klein geworden. Deshalb wird hinter dem Haus ein (neuer) Saal gebaut, auf den
man 1864 das Türmchen der alten Kapelle setzt. [Rudolf Weigel, Seite 64.]
Bis zum Jahr 1850 werden in unserem Ort einige Häuser im unteren Teil
der Lützellindener Str. und in der Hintergasse gebaut. [Seite 55.]
Der Bau der Main-Weser-Bahn
bringt Probleme aber auch neue Arbeitsmöglichkeiten für die Ortsbewohner. So
müssen die Widerstände der Bevölkerung und auch der Besitzer von Grund und Boden
überwunden werden, und "Localkommissionen" müssen das Land taxieren. Da alle
Arbeiten ohne Maschinen ausgeführt werden, finden die Leute als Erdarbeiter oder
Gespannfahrer einen guten Verdienst (97). Auch die Unternehmer und Arbeiter, die
sich als Logiergäste in den Klein-Lindener Gasthäuser einquartieren, bringen
Geld in den Ort. (88)
Nachdem bis Mitte des Jahres 1850 die Strecke von Kassel nach Gießen
betriebsbereit ist und 1 Jahr später die Geleise von Fankfurt her bis nach
Lang-Göns liegen, können am 25. April 1852 die ersten Probefahrten
zwischen Lang-Göns und Gießen vorgenommen werden. Am 15. Mai 1852 fährt
dann der erste Zug mit einer Fahrtdauer von etwa 6 1/2 Stunden von Kassel
nach Frankfurt (97). [Rudolf Weigel, Seite 59. Quelle 88: s. o.
Quelle 97: Hofmann, Phil. 700 Jahrfeier Lang-Göns - 100 Jahre
Main-Weser-Bahn.]
1854 wird der Linneser Posaunenchor, der älteste in Hessen, gegründet.
1855 leidet Klein-Linden unter einer Viehseuche. Zu ihrer Überwachung wird ein Gendarm einquartiert. Er bleibt von Sonntag bis Donnerstag und bezahlt für Kost und Wohnung 65 Kreuzer. (61,71 Kreuzer sind 1 Gulden; 21 Gulden sind 12 Taler) (88) [Rudolf Weigel, Seite 66. Quelle 88: Lenz, O. "Denkschrift zum sechzigjährigen Jubelfest des Klein-Lindener Posaunenchors".]
Nach der "Bevölkerungsliste der Gemeinde Klein=Linden im Jahre 1858"; "Aufgestelt Klein=Linden am 3. Dezbr. 1858" [Stadtarchiv Gießen] wohnen in Linnes in 83 Wohnhäusern 117 Familien mit 97 Knaben unter 14 Jahren, 93 Mädchen unter 14 Jahren, 167 männl. und 165 weibl. Personen über 14 Jahren; die Summa aller Seelen beträgt 522. In der Spalte Bemerkungen sind zu den meisten Familienvorständen, worunter auch Witwen sind, Berufe angegeben; danach gab es in Linnes 49 reine Ackermänner, darunter der Bürgermeister. Ackermann und Wirth, Ackermann und Schmied, Ackermann und Metzger, Ackermann und Wagner sind jeweils 2 weitere Familienväter. Ein Familienvater ist Schreiner und Ackermann. In zwei Familien leben jeweils ein Ackermann und ein Taglöhner. In zwei Familien sind jeweils 2 Taglöhner registriert, in einer weiteren leben ein Taglöhner und ein Küfer. Als Taglöhner werden 12 weitere Familienväter geführt. Fabrikarbeiter werden insgesamt 2 genannt. Desweiteren gibt es einen Schäfer und einen Ortsdiener, sowie einen Bahnwärter. Im Haushalt der Hebamme Adam Luh Witw. leben nur 3 Frauen. Bei mindestens 5 Familien ist jeweils eine Magd beschäftigt. Weitere nachträgliche Zusätze in anderer Schrift konnte ich noch nicht deuten.
Aus all dem geht hervor, daß die Menschen dieser Zeit
einen Wandel der wirtschaftlichen Struktur unseres Gebietes erleben. Für die
Einwohner Klein-Lindens, 590 insgesamt, ergibt sich daher folgende
berufliche Aufschlüsselung für das Jahr 1861:
425 leben von ihrer Arbeit in der Landwirtschaft.
88 erarbeiten sich ihren Lebensunterhalt im Bergbau, in der aufkommenden
Industrie und im Baugewerbe.
48 leben aus Einkünften ihrer Arbeit im Handel und Verkehr.
[Rudolf Weigel, Seite 60; ohne Quellenangabe.]
1862 Unsere jetzige Lahnbrücke
(Eisenkonstruktion) erbaut.
[Zeittafel zur Geschichte Heuchelheims - Zusammengestellt von Otto
Henkelmann II. in "Heuchelheim in Wort und Bild", 1961, S. 142-144.]
Nach Rudolf Weigel wurde die Brücke von der Linneser Schmiede Schaum
erbaut.
In den Jahren 1862/63 erleben die Klein-Lindener den Bau und die Eröffnung der Bahnstrecke nach Koblenz und Köln (97). In diesen Jahren sind schon einzelne Mitglieder der Gemeinde an der Bahn oder in ihrer Werkstätte tätig (88). [Rudolf Weigel, Seite 59. Quellen 88 & 97: s. o.]
1864 muß die alte Kapelle, die der Gemeinde als Gotteshaus und der adligen Familie als Begräbnisstätte gedient hat, wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Ihr Turm (Dachreiter) wird auf den einstöckigen Schulsaal gesetzt. Die Orgel, die später in das Kirchlein Einzug gehalten hat, wird von dem Werkmeister an der Bahn, Ph. Jung, für seinen "Missionsverein" gekauft. Nach seinem Tode kommt sie als altes Gerümpel in die Scheuer. Später erwirbt sie der Geheimrat Gail aus Gießen und schenkt das hergerichtete Instrument dem Oberhessischen Museum in der Stadt (27). Einige mit schönen Bildhauerarbeiten versehene Grabsteine der Familie Wrede sind heute an der Außenmauer oder neben der neuen Friedhofskapelle zu sehen. [Rudolf Weigel, Seite 62. Quelle 27: s. o.]
Von der Volkszählung im Großherzogthum Hessen vom 3. December 1864 in Klein=Linden ist im Stadtarchiv Gießen nur das Notizbuch über die Vertheilung und Wieder=Einsammlung der für obigen Zählbezirk bestimmten Zählungs-Listen erhalten. Daraus ergibt sich nur, daß unter 79 Hausnummern Zähllisten an 107 Familien verteilt wurden. Dabei wird die Hausnummer 60 als Spritzenhaus, unbewohnt, geführt und auch das Backhaus, die Nr. 62, ist unbewohnt. Das Haus Nr. 44 ist abgebrannt; die Kirche, Nr. 43, ist abgebrochen. Wohl ür die neue Kirche ist in einem Nachtarg die Nr. 83 vorhanden. Bei Haus Nr. 40 steht: als Gemeindehaus unbewohnt.
Der 12. März 1865 ist der Gründungstag des Gesangvereins "Eintracht". Wieviel Bürger sich aus der damals kleinen Gemeinde an der Gründung beteiligten, ist nicht mehr bekannt. Den älteren Vereinsmitgliedern sind jedoch von den Gründern noch folgende Namen in Erinnerung: Kaspar Klein, Schmiedemeister L. Schaum (späterer Bürgermeister), Weinhändler und Gastwirt Wilhelm Rinn, Johannes Schaum, Friedrich Jung I. (genannt "Schul-Friedrich"), Philipp Jung IX. und der damalige Gemeinderechner Ludwig Jung. Letzterer wurde bei der Gründung Vereinsvorsitzender. Die Chorleitung übernahm der Musiker Feldhaus aus Gießen, der als erstes Lied einübte: "O Vaterland, mein schönster Stern ...". [100 Jahre Männergesangverein "Eintracht" Gießen-Klein-Linden; Seite 33.]
Noch einmal erlebt unsere Heimat im Jahr 1866
Kriegshandlungen. Im Krieg Preußen gegen Österreich (deutscher Bruderkrieg) sind
im Juni/Juli d. J. Truppen der süddeutschen 2. badischen Division in Gießen.
Doch bald wird die Gegend von den Preußen, die auch in Klein-Linden nach
"Österreichern" suchen, [heimgesucht?]. Die Kinder verstecken sich in den
Kellern.
Nach dem Friedensvertrag vom 3. Sept. zwischen Preußen und dem
Großherzogtum Hessen, das auf der Seite Österreichs gekämpft hat, kommt der
nordwestliche Teil des Kreises mit Frankenbach, Krumbach, Königsberg,
Fellingshausen, Bieber, Haina, Rodheim, Waldgirmes, Naunheim und Hermannstein an
Preußen (101). [Rudolf Weigel, Seite 66. Quelle 101: Dreher, F
"Das Kriegsjahr 1866".]
Im Kirchenbuch findet sich in dieser Zeit z. B. bei (seltenen) Paten aus
Lützellinden die Herkunftsbezeichnung "aus Lützellinden im Königreich
Preußen" oder "aus Lützellinden im königlich preußischen Kreise
Wetzlar".
1866: Am letzten
Oktobersonntag wird die neue Kirche eingeweiht. Sie ist die dritte bisher
bekannte Kirche in Linnes.
Die beiden Bronzeglocken, die 1843 und 1849 von dem Gießener
Glockengießer Fr. Otto noch für die alte Kapelle gegossen worden sind und ein
Gewicht von 2 1/2 und 5 1/2 Zentner haben, werden in dem schlanken Turm des
Neubaues wieder aufgehängt. Die große Glocke ist auf den Ton "C" gestimmt und
trägt die Inschrift: "Gegossen von Friedrich Otto in Gießen für die Gemeinde
Klein-Linden im Jahre 1849. - Zum Gottesdienst herbeizulocken, des Fürsten
Willen kund zu tun, ist die Bestimmung aller Glocken. Oh, möchten sie von Sturme
ruhn! Phil. Weigel, Bürgermeister. - Der Gemeinderat Phil. Schaum, Kasp. Weigel
III., Georg Philipp Weigel, Kaspar Klein, Joh. Jung III., Kaspar Weigel I.,
Ludwig Reuschling I., Ludwig Weller I., Pfarrer Eigenbrod, Schullehrer Weigel."
[Diese Glocke fiel dem 1. Weltkrieg zum Opfer und wurde erst 1921 ersetzt.]
Die kleine Glocke ist auf den Ton F gestimmt und trägt die Inschrift: "Goß
mich Friedrich Otto in Gießen 1843 für Klein-Linden. Der Bürgermeister Weigel,
Pfarrer Eigenbrod, Schullehrer Weigel. Die Gemeinderäte Phil. Weigel, Johann
Jung, Joh. Germer, Kaspar Klein, Joh. Lenz, Joh. Kinzenbach, Konrad Weigel,
Ludwig Reuschling." (27) [Rudolf Weigel; Seite 62/63. Quelle 27: s.
o.]
Im Jahr 1868 gibt es 33 Sterbeeinträge in Klein-Linden. Zwischen dem 30.04. und 22.08.1868 sind darunter 18 Kinder. Eine Todesursache wird in keinem Eintrag angegeben.
Am
16.02.1869 sterben zwei Kinder durch den Einsturz eines Wohnhauses:
Abends
um halb acht Uhr starb einen gewaltsamen Tod durch den Einsturz des Wohnhauses
Anton Adolph, ein Kind, des hiesigen Ortsbürgers und Bergmanns Anton Adolph mit
Elisabetha, gebornen Lenz ehelich erzeugter Sohn, alt neun Jahre, einen Monat
und vier Tage. [Die
Schwester Christine Adolph, fünfjährig, starb ebenfalls.]
Klein-Linden, im Kreise Gießen, den 17. Febr. 1869.
Ein tiefes Entsetzen erregendes Unglück hat sich in unserer seit Jahren schwer
heimgesuchten Gemeinde zugetragen. Gestern Abend gegen acht Uhr stürzte der
westliche Flügel eines alten, wahrscheinlich durch den vorausgegangenen heftigen
Sturm erschütterten steinernen Gebäudes - die Burg genannt und der frühere Sitz
einer adeligen Familie - ganz plötzlich zusammen und begrub die im dritten Stock
wohnende Familie des braven Bergmanns Anton Adolph in seinen Trümmern. Der Vater
und drei Kinder, unter letzteren der Säugling, den die Mutter im Arm hatte,
blieben zwar durch Gottes wunderbare Hülfe ganz unverletzt, doch zwei Kinder,
ein sehr hoffnungsvoller Knabe von 9 Jahren, seinen Eltern und seines Lehrers
Freude, und ein liebliches Mädchen von 6 Jahren wurden als Leichen und die
Mutter und eine Tochter von beinahe 14 Jahren schwer verletzt unter den Trümmern
hervorgezogen. Neben dem schweren Verluste, der die brave Familie betroffen, ist
auch die äußere Noth außerordentlich groß, da die Hausgeräthschaften großen
Theils zertrümmert, der Familienvater, der die Seinigen mit seiner Hände Arbeit
ernähren muß, auf längere Zeit an derselben gehindert ist und dabei schwere
Wunden zu heilen sind. Auch der Besitzer des Hauses hat einen großen Verlust
erlitten, da der brave Mann gering bemittelt ist und auf keine Entschädigung
rechnen kann. Die Unterzeichneten bitten darum Menschenfreunde in der Nähe und
Ferne, durch Gaben der Liebe diesen Jammer lindern zu helfen und erklären sich
zur Empfangnahme und gewissenhaften Verwendung socher Gaben bereit. *)
Koch, Pfarrer. Seib, Lehrer. J. Weigel, Bürgermeister.
*) Auch die Expedition d. Blatts ist zur Entgegennahme von Beiträgen bereit.
[100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 75. (Ohne
Quellenangabe.)]
1869 muß ein zweiter Schulsaal über dem schon bestehenden errichtet werden. Der Dachreiter der alten Kapelle kommt einen Stock höher. Gleichzeitig wird das in unmittelbarer Nähe stehende Brauhaus wegen Baufälligkeit abgerissen. An seiner Stelle entsteht eine neue geräumige Lehrerwohnung. (Alle hier genannten Gebäude sind 1969 abgerissen worden) [Rudolf Weigel, Seite 64.]
1870: Gründung der
Burschenschaft "Burgundia". [Siehe: 100 Jahre Männergesangverein "Arion"
Giessen-Klein-Linden, Seite 10.]
Nach Ewald Klein wurde die Burgundia am 1. Juli 1879 im Gathaus zur Burg
gegründet. [Siehe Gießener Allgemeine vom
10.07.20112.]
Später, um 1870 wandern einige Leute nach
Amerika aus. Unter ihnen ist der Lehrer Seib, der von 1850 - 1870 in
Klein-Linden tätig gewesen ist. [Rudolf Weigel, Seite 67.]
Zu diesem Lehrer Jakob Seip ist in der Hassia sacra, Band X, Hessisches
Lehrerbuch, Zweiter Teil, Oberfürstentum Hessen, auf Seite 48 vermerkt:
..., 1859-1862 Vikar, 1862-1872 Lehrer in Klein=Linden, geht 1872 flüchtig,
wird 1872 in absentia zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt und abgesetzt.
Hier interessiert mich sehr, ob er ausschließlich dafür, daß er nach Amerika
gegangen ist, in Abwesenheit zu 10 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde, oder ob es
andere Gründe gab, daß er "flüchtig gegangen" ist. Konnten fehlende behördliche
Genehmigung zur Auswanderung und nicht gezahlte Abgaben in dieser Zeit noch zu
einer solchen Verurteilung führen?
Den Krieg von 1870 erlebt unser Ort - nach Jahrhunderten eigentlich wieder zum erstenmal - nur aus der Ferne. Aber auch an ihm sind Einwohner unseres Ortes beteiligt. So wird erzählt, daß einer am Hochzeitstag seinen Einberufungsbefehl erhält. Später soll er dann bei der Kaiserkrönung in Paris gewesen sein. Gefallene zählt man in unserem Ort. [Rudolf Weigel, Seite 66.] [Im Sterberegister des Kirchenbuches sind keine Opfer dieses Krieges eingetragen.]
08.07.1877: Der Kirchenchor Klein-Linden wird gegründet. Er entstand aus dem im Jahre 1854 gegründeten "Kreuzerverein", einem Verein der sich namentlich auf dem Gebiet der Missionspflege betätigte und aus dem ebenfalls im Jahre 1854 gegründeten Posaunenchor, dem ältesten in Hessen. [125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 13.]
1879
wird wiederum ein neuer Friedhof erwähnt.
Am
16. Juni wird Luise Weigel (ein 4jähriges
Kind) begraben, wobei am Rand vermerkt ist:
Letzte
Beerdigung auf dem alten Friedhofe.
Der
am 31. 10. 1865 geborene Bruder der Luise Weigel, Ludwig
Weigel, ertrunken in einer Lache[einem Bache??] an der Eisenbahn bei KleinLinden,
wird am 4. August 1879 beerdigt:
Erste
Beerdigung auf dem neuen Friedhofe.
Addiert man die 4 Control=Listen der
Volkszählung im Großherzogthum Hessen am 1. Dezember 1880 (Stadtarchiv
Gießen) so hat Linnes 895 Einwohner, die in 168 Familien leben;
433 Bewohner sind männlich und 462 weiblich.
Leider sind keine Beruf angegeben; die Spalte Bemerkungen ist in allen 4 Listen
leer.
Es werden 129 Hausnummern genannt, wobei es bei manchen Nummern Zusätze
gibt wie z. B. "27,4; 27,5" bis "27,9". Die Hausnummern 5-8, 16, 21, 28, 43, 85,
98-100, 120, 121 und 126 fehlen; die Liste endet mit: Bahnwärterhaus 129.
Im 1. Zählbezirk zählte Lehrer Schmidt. Dazu gehörte auf der
Chaussee nach Groß=Linden die Hausnummer 1 mit 3 Familien; 1,5 mit 2 und 1,9
mit einer Familie; insgesamt 33 Personen. Auf die Chaussee nach
Wetzlar gehören die Hausnummern 2 bis 15, die Nummern 17 bis 27 liegen in
der Straße nach der Kirche bis zur Chaussee nach Groß-Linden.
Im 2. Bezirk zählt Bürgermeister Weigel. Dazu gehörte die KirchGasse,
Hausnummer 29-33 und die Hintergasse mit den Nummern 34 bis 44. Die
Häuser mit den Nummern 45 bis 48 lagen wieder in der Kirchgasse und zur
Lützellinder Straße gehörten die Hausnummern 49 bis 57.
Im 3. Bezirk, den Lehrer Karl Doering zu zählen hatte, lagen die
Hausnummern 58 bis 62,1 in der Lützellinder Straße und die Häuser Nr.
63-90 in der Wetzlarer Staatsstraße.
Der 4. Zählbezirk von Ludwig Schaum umfaßte die Hausnummern 91 bis 97 und
108-128 in der Wetzlarerstraße und die Nummern 101-107 in der
Heuchelheimergaß.
In den Jahren 1880 - 1890 wird die Frankfurter Straße bebaut und auch ein Teil von "Bernhardshausen" entsteht. [Rudolf Weigel, Seite 55.]
Wegen der starken Zunahme der Einwohnerzahl muß 1885 eine 3. Lehrerstelle eingerichtet werden. Lehrer Eß aus Alzey besetzt diese und muß in der früheren Gastwirtschaft "Zum kühlen Grund", bei der Witwe Lenz, in der Frankfurter Straße seinen Unterricht halten. [Rudolf Weigel, Seite 64.]
Rudolf Weigel berichtet nach mündlicher Überlieferung von Karl Klein auf Seite 59, daß 1886 Linnes die Möglichkeit gehabt habe, eine Haltestation der Bahn zu bekommen. Die Kosten von eintausend Mark seien dem Bürgermeister und der Gemeinde aber zu hoch gewesen.
Der Gesangverein
Harmonie wurde am 5. Mai des Jahres 1887 gegründet. Die
Mitgliederzahl betrug damals 15 Mann. Zum 1. Vorsitzenden wurde 1887 Wilhelm
Lenz I. gewählt, der - laut Protokollbuch - seines Amtes 10 jahre lang "tüchtig
waltete".
"Zweck des Vereins", so heißt es in den uns erhalten gebliebenen Statuten aus
dem Gründungsjahr "ist die Mitwirkung zur Verbesserung des Kirchengesangs und
die Veredelung des geselligen Lebens". Bedingungen zur Aufnahme in den Verein
sind "moralisch guter Ruf, abgediente aktive Militärdienstzeit oder ein Alter
von 25 Jahren". Und an anderer Stelle der Statuten: "Das Singen von
Vereinsliedern über die Straße und in der Spinnstube wird von 50 Pfennig bis zu
1 Mark bestraft. Eine Ausnahme kann nur gemacht werden, wenn jede Stimme mit
mindestens zwei Mann vertreten ist; sollte ein Vorstandsmitglied zugegen sein,
so muß dessen Genehmigung eingeholt werden." [90 Jahre Gesangverein
"Harmonie" Klein-Linden; Seite 9.]
Im Jahre 1889
wurde der Gedanke lebendig, auch in Klein-Linden einen Turnverein zu gründen,
dessen Gründung dann am 9.9.1889 in der damaligen Gastwirtschaft "die
Reichshalle" (ein früheres Lokal gegenüber der Kirche, etwa hinter der jetzigen
Metzgerei Volk) auch vollzogen wurde. .....
Die einzige Sportart war das Turnen .... [Hanfried Knapp in: 90
Jahre TSV Klein-Linden.]
Zehn Jahre vor der
Jahrhundertwende, am 21. Juni 1890, gründeten 43 tatenfrohe Männer aus
Freude an Gesang und Geselligkeit den Männergesangverein Arion. Zur
Erinnerung an den griechischen Sänger Arion wählte man diesen Namen und hat auch
das Wappen als Symbol auf die Vereinsfahne übernommen. ....
1. Vorsitzender wurde Wilhelm Reuschling und Chorleiter Lehrer Karcher.
Am 29. Juni 1890 fand im Lokal des Gastwirts Balthasar Hinterlang die
erste Singstunde statt. ....
[100 Jahre Männergesangverein "Arion" Giessen-Klein-Linden, Seite 13.]
Nach Hermann Rau "300 Jahre
Volksschule in Gießen=Klein=Linden, Seite 47, wurde 1894 mit dem Bau
des neuen Schulhauses begonnen. 1899 wurde der Erweiterungsbau
beschlossen und 1901 ausgeführt, das neue Schulhaus wurde damit um zwei
sonnige Säle und zwei Dienstwohnungen vergrößert.
Rudolf Weigel schreibt dazu auf Seite 64: Im Jahre 1894 wird das
neue Schulhaus an der Kirche mit einem Saal und einer Lehrerwohnung
gebaut. 3 Jahre später, 1897, wird die 4. Stelle errichtet und mit
dem Schulverwalter Keil aus Eddingshausen besetzt. Schon 1901 muß jedoch
das Schulgebäude um 2 Säle und eine zweite Lehrerwohnung erweitert werden.
Gleichzeitig erhält Klein-Linden die 5. Schulstelle.
Am 10. Januar 1895 wurde die Freiwillige Feuerwehr Klein-Linden im Gasthaus "Zum Deutschen Hof" gegründet. [100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 133.]
04.06.1896: Gründung der "Kleinkinderschule" (Evangelischer Kindergarten). [125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 14.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
16.6.1898 Dr. Frank - 26 / Köhler - 43 /
Scheidemann (SPD) - 88 Stimmen
Stichwahl am 24.6.1898
Köhler 95 Stimmen / Scheidemann (SPD) 87 Stimmen
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Am 09.09.1899 sprach
Wilhelm Liebknecht im "Hinterlang´schen Saale" in Klein-Linden über die
Landtagswahlen in Hessen.
Wie sich ein Teil der Kleinlindener gegen diese Neue Bewegung sperrte, zeigte
eine überlieferte Äußerung des damaligen Gastwirtes, aus der hervorgeht, daß der
Besuch des Lokals nach der Versammlung mit Wilhelm Liebknecht rapide
zurückgegangen war. [Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 2.]
Nach dem wirtschaftlichen Aufschwung der gesamten Gegend, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Anfang genommen hat, zählt Klein-Linden im Jahr 1900 über 1500 Seelen. Damals tragen die Mädchen im Dorf meist halblange Kleider und haben Zöpfe und keinen Schnatz wie im benachbarten Hüttenberg. Die Spinnstuben sind die Parties des jungen Volkes. [Rudolf Weigel, Seite 67.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
16.6.1903 Heyligenstaedt - 67 / Köhler - 38
/ Krumm (SPD) - 88 Stimmen
Stichwahl
Heyligenstaedt 132 / Krumm (SPD) 105 Stimmen
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
1904: Siebzehn
Klein-Lindener Radler fanden sich im Monat Mai des Jahres 1904 zusammen und
gründeten den ersten Radfahrer-Verein. ...
Der Verein erhielt den Namen "Potentia". Kurze Zeit später wurde dieser in
Radfahrer-Verein 1904 Klein-Linden geändert ....
Im Jahre 1905 trennte sich vom Radfahrer-Verein 1904 ein neuer Verein
ab, der sich "Wanderlust" nannte, aber nur eine kurze Lebensdauer hatte.
[75 Jahre Radfahrer-
Vereinigung 1904/27 Gießen-Klein-Linden; Seite 55.]
1906: Schon 1896 war in unserer Gemeinde die Kinderschule gegründet worden. 10 Jahre danach kann für sie ein neues Gebäude an der Pfingstweide eingeweiht werden. (27) [Rudolf Weigel, Seite 64. Quelle 27: s. o.]
1906 wurde der Außenputz der Kirche durch die Weißbindermeister Jakob Fink und Ludwig Viehmann erneuert. [Nach einem Artikel von Hermann Rau aus Anlaß der nächsten Renovierung im Gießener Anzeiger vom 17.05.1952.]
Im Jahre 1908
bekam Klein-Linden einen Pfarrassistenten mit Wohnung in Klein-Linden. Von
diesem Zeitpunkt ab wurde Klein-Linden immer mehr eine selbständige
Kirchengemeinde im Pfarreiverband Großen-Linden.
Im Jahre 1910 wurden bereits 1802 evangelische Gemeindeglieder gezählt.
In den Jahren 1908 bis 1935 wirkten in Klein-Linden 9 Pfarrassistenten.
Erst 1935 wurde ein Pfarrer mit definitiven Rechten eingestellt. Im Zuge
der Loslösung von Großen-Linden baute die Kirchengemeinde in den Jahren 1934/35
ein Pfarrhaus. Mit Wirkung vom 1. April 1951 wurde schließlich
Klein-Linden vollständig aus dem Pfarreiverband Großen-Linden herausgenommen und
zur selbständigen Pfarrei innerhalb des Dekanates Gießen erklärt.
[Pfr.
König in "Heimatbuch für das evangelische Dekanat Giessen - 1954"; S. 57.]
1909: Der Schützenclub "Roland" wird gegründet.
[Nach "Linneser Backschießer", Ausgabe 48, Juli 1999.]
Am 10. Juni 1909 trafen sich im "Bernhardshäuser Hof" (dem späteren
Turnerheim und und jetzigen Frankfurter Hof) einige schießfreudige Männer und
gründeten den "Zimmerstutzenclub Roland 1909". Der Gedanke zur Gründung
eines Schützenvereins war von dem Wirt des Bernhardshäuser Hofs, August Lamm,
ausgegangen. (August Lamm wurde später der Besitzer des Gasthauses "Zum Lamm" in
der Westanlage in Giessen). Man entwarf die Statuten und reichte sie
"untertänigst", wie in den Akten steht, der Großherzoglichen Bürgermeisterei
Klein-Linden zur Genehmigung ein. Am 9. Juli 1909 unterschrieb sie der
damalige Bürgermeister Schaum und versah sie mit dem Dienstsiegel der
Gemeinde. Danach durfte der junge Verein seine Schießtätigkeit aufnehmen.
[1909 - 1989 80 Jahre Schützenclub Roland e.v.]
1910.
Die oberhessischen
Volkszählungsergebnisse Kreis Gießen, Gemeinde Klein-Linden:
Zahl der Haushaltungen 396, Einwohnerzahl 1841, davon sind 1802
evangelisch, 25 katholisch, 14 anderer Religion. (1905: 1642.) Der nach
Gießen zu gelegene Ortsteil "Bernhardshausen" stieg von nicht ganz 200 auf 297
Personen. [100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; S. 169.]
[Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges
Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne
Quellenangabe.) hatte Klein-Linden 1910 1680 Einwohner.]
Nach Gießen zu baut Maurermeister Bernhard die meisten Häuser und verkauft
sie schlüsselfertig an die Interessenten. (s. B. Hahn 1908) Der Ortsteil heißt
daraufhin Bernhardshausen. Auch an der linken Seite der oberen Lützellindener
Straße, an der linken Seite der Hügelstraße und im oberen Teil der heutigen
Schulgärten wird gebaut. Das Dorf wird mit elektrischem Strom versorgt und hat
im Jahr 1910 (etwa) 1680 [Quellenangabe: Rau, H. in "300 Jahre Volksschule
Gi.-Kl.-L."] oder 1802 [Quellenangabe: König, P. Pfarrgemeinde
Klein-Linden im Heimatbuch f. d. evang. Dekannat Gießen, 1954] Einwohner. Die
Mehrzahl der schon länger im Ort Ansässigen, betreibt neben ihrer Arbeit noch
eine kleine Landwirtschaft, hält eine oder zwei Ziegen und füttert sich
ihr Schwein. [Rudolf Weigel; Seite 67.]
1910/1911: Die evangelische Krankenpflegestation wird gegründet. Am 01.07.1911 bezog die erste Schwester ihre Wohnung in der Kinderschule an der Pfingstweide. [125 Jahre Kirche Kleinlinden, Seite 42.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
10.3.1911 Beckmann (SPD) - 116 / Gisevus -
28 / Korell - 120 / Werner - 71 Stimmen
Stichwahl am 21.3.1911
Beckmann (SPD) 204 / Werner 128 Stimmen
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
12.1.1912 Werner - 88 / Erkelenz - 156 /
Beckmann (SPD) - 123 Stimmen
Stichwahl am 22.1.1912
Werner 141 / Beckmann (SPD) 205 Stimmen
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Am 18.und 19.10.1913 fand auch in Linnes
eine Gedenkfeier zur hundertjährigen Wiederkehr der Völkerschlacht bei Leipzig
statt. Dabei wurde auch an der Ecke Lützellindener Straße, Katzenbach und
Hintergasse eine Gedächntnis-Eiche gepflanzt. Sie fiel Ende November 1961 einem
Sturm zum Opfer. [Siehe: Linneser Backschießer, Ausgabe 45, Oktober 1998, nach
einem Zeitungsartikel im GA vom 06.12.1961.]
Dazu gibt es eine interessante Urkunde im Archiv der evangelischen
Kirchengemeinde Klein-Linden, die Sie hier sehen
können.
Am 5. Oktober 1914
schließt ein Artikel des "Gießener Anzeiger - Generalanzeiger für Oberhessen"
über einen Vergleich, mit dem die Enteignung von Gelände für die Umgehungsbahn
abgewendet wurde, und von der Eisenbahnbehörde ein Quadratmeterpreis von 8 Mk
gezahlt wurde:
Seither wurden Bauplätze an der Frankfurter Straße und in deren Nachbarschaft
mit 3 - 4 Mk. für den Quadratmeter bezahlt. Es war dadurch auch dem geringen
Manne möglich, ein Eigentum zu erwerben. Nachdem die Bodenpreise durch die Bahn
doppelt so hoch geschraubt sind, wird die weitere Entwicklung des Dorfes wohl
vorerst langsam vor sich gehen. [Zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 173.]
Am 01. Juli 1918 wird die Strecke der
sogenannten Klein-Lindener Verbindungsbahn erstmals befahren.
[Nach Dieter Eckert: Zur Entlastung des Gießener Bahnhofs; Ein kurzer aber
wichtiger Schienenweg: Die Klein-Lindener Verbindungsbahn; Hess. Heimat, Nr. 13
/ 25.6.2005]
Der 1. Weltkrieg bringt
den Aufschwung zum Erliegen. Nun werden nur noch kriegswichtige Arbeiten
erledigt. So wird 1914/15 mit italienischen "Gastarbeitern" die
Umgehungsbahn gebaut, deren hoher Damm das Gesicht des Lahntals stark verändert.
Im Jahr 1916 übernimmt die Friedrich Krupp AG den Bergwerksbetrieb und
eröffnet das Manganbergwerk vor dem Eichenwäldchen jenseits der südlichen Grenze
unserer Gemarkung (Alfredschacht).
........
Während des Krieges fallen 35 Ortsbewohner, während 3 als vermißt gelten. 5
davon sind auf dem hiesigen Friedhof beigesetzt (43 insg.??)
[Rudolf Weigel, Seite 68.]
1919
Es war ein relativ schwieriges Unterfangen, das Alter des hiesigen
Ortsvereins der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands präzise zu belegen,
....
Aus den Eintrittsdaten in einem noch vorhandenen alten Mitgliedsbuch und den
Eintragungen in den neueren Mitgliedsbüchern geht hervor, daß die
Sozialdemokraten in Kleinlinden seit 1919 fest organisiert waren.
Somit dürfte das Gründungsjahr 1919 für den Ortsverein Kleinlinden feststehen.
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden";
Seite 1/2.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
6.6.1920 SPD / USPD / KPD /
NSDAP / alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der
anderen Parteien
327
150 ---
---
413
4
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Etwa 1920: Gründung der Freien Turnerschaft. [Siehe unten; 1924.]
1921 kaufte der Turnverein von der Brauerei Melchior in Butzbach für 35.000,-- Mark den Bernhardshäuser Hof und von nun hatte der Verein ein eigenes Heim, welches den Namen "Turnerheim" trug. Am 28.11.1935 mußte das Turnerheim, das bei dem Bombenangriff am 06.12.1944 vollständig zerstört wurde, aus finanziellen Gründen wieder verkauft werden. [Siehe: Hanfried Knapp in: 90 Jahre TSV Klein-Linden.]
Im Jahr 1921 wird
die 1849 gegossene Glocke, die während des Krieges beschlagnehmt worden ist,
durch eine neue ersetzt. Auf ihr ist zu lesen: "Nach Krieg und Leid und harter
Zeit ruf ich erneut zur Seligkeit. Glockengießer Rincker in Sinn."
Im selben Jahr muß eine 6. Schulstelle eingerichtet werden. In diese wird der
Schulverwalter Richard Matthes aus Haingrund im Odenwald eingewiesen.
1 Jahr später wird Albert Boßler 1. Rektor in Klein-Linden. [Rudolf
Weigel, Seite 68.]
Rektor Boßler und Lehrer Matthes betreiben intensiv Ortsgeschichtsforschung zu
Linnes und veröffentlichen viele Artikel.
3. Januar 1922.
Die Grippe wütet fast in allen Orten des Kreises, mitunter liegen ganze Familie
darnieder. Besonders stark tritt die Krankheit in der Gegend von Langsdorf,
Hungen, Ettingshausen und Klein-Linden auf. Nicht selten treten
Todesfälle ein. [100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 175; nach GA.]
1922: Der Frauenverein (heute Frauenhilfe) wird gegründet. [125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 15.]
19.11.1922 -
Gemeindewahlen in Linnes:
VSPD
3
Demokraten 3
Bürgerliste 6
(Stimmanteile nicht feststellbar) [Erwin Watz und Karl Volk in
"Gechichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 4.]
Am 5. Mai des Jahres 1923 trafen sich in der Gastwirtschaft des Friedrich Rinn 64 Kleinlindener Bürger zur Gründungsversammlung der Spar- und Darlehenskasse. So beginnt die Chronik zum 75jährigen Bestehen der Genossenschaftsbank, die heute unter dem Dach der Volksbank Gießen weiter existiert. [Linneser Backschießer, Ausgabe 43, 1. April 1998.]
Einen kurzen Einblick in die Zeit der Inflation gewährt uns Rudolf Germer in seinem Artikel "Als Klein-Linden noch wirklich ein Dorf war".
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
4.5.1924 SPD / KPD / NSDAP /
alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der anderen Parteien
456
19 12
354
5
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
1924 wird der SV
"Germania" Klein-Linden als Fußballverein gegründet. [Nach: Hanfried Knapp
in: 90 Jahre TSV Klein-Linden. Siehe auch unten: Einweihung des Sportplatzes am
03.04.1932. Herr Knapp schreibt weiter:]
Nach kaum dreijährigem Bestehen mußte jedoch der Spielbetrieb wieder
aufgegeben werden und der SV "Germania" gehörte der Vergangenheit an, aber
Fußball spielte man in Klein-Linden weiter, nämlich in der Freien
Turnerschaft, die etwa im Jahr 1920 entstand und im Spieljahr 1925/26
erstmals eine Fußballabteilung gründete.
Klein-Lindener Jugendliche, die im Turnverein keinen Fußball spielen
konnten und bei der Freien Turnerschaft nicht spielen wollten, gründeten
in der Gastwirtschaft "Speier" auf Initiative von Willi Knapp im Jahre 1929
einen neuen Sportverein, in dem allerdings nur Jugendmannschaften spielten, da
nicht genügend aktive Spieler vorhanden waren.
Siehe dazu auch: "Geschichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden" von Erwin
Watz und Karl Volk, Seite 14. Danach wurde etwa im Jahre 1920 in Kleinlinden
eine Freie Turnerschaft gegründet. Die Freie Turnerschaft wurde, wie alle
Arbeitervereine, 1933 von den Nazis verboten; ihr Vermögen rissen sich die Nazis
unter den Nagel und verwendeten es für ihre verbrecherischen Zwecke.
24. Juni 1924.
Man schreibt uns: In diesem Blatte wurde schon auf die große Staubplage in der
Frankfurter Straße hingewiesen. Wie allgemein bekannt, haben die hiesigen
Anwohner der Wetzlarer- und Frankfurter Straße unter diesem Mißstand ebenfalls
schwer zu leiden, namentlich in der engen Wetzlarer Straße kann der Staub nicht
abziehen, und die Hausfrauen wissen ein Lied davon zu singen, wie bei
Trockenheit alles Putzen und Staubwischen nichts hilft, da durch die vielen
durchrasenden Autos alle Arbeit als vergeblich gilt. .....
[GA; zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 175.]
Im Jahr 1925
wohnen 1985 Männer, Frauen und Kinder in unserer Gemeinde.
Von diesen ernähren sich:
421 aus der Landwirtschaft = 21 %
690 durch ihre Arbeit in der Industrie, im Bergbau und im
Baugewerbe = 35 %
668 durch ihre Beschäftigung in Handel und Verkehr (Eisenbahn)
= 34 %
215 übrige = 10 %
Auch jetzt bearbeiten noch viele Familien nebenbei ihre 2 - 3 Äcker u. Wiesen
und halten sich Schweine und Ziegen (Beamtenkühe). Im gleichen Jahr wird die
Feldbereinigung durchgeführt. .....
In diesen Jahren werden die Häuser an der rechten Seite der Hügelstraße gebaut
und im Brandweg entsteht die neue Zigarrenfabrik Behrens, die vorher in einem
alten Gebäude in der Wetzlarer Straße untergebracht war. [Rudolf
Weigel, Seite 68.]
15.11.1925 -
Gemeindewahlen in Linnes:
SPD
168 Stimmen 4 Sitze
Vereinigte Landliste
134 Stimmen 4 Sitze
Bürgerliche Vereinigung 118 Stimmen 2
Sitze
Friedrich Jung
100 Stimmen 2 Sitze
(Bezeichnent bei der Wahl war die überaus große Stimmenthaltung der Frauen -
Giessener Anzeiger -) [Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 4.]
Im Mai 1927 gründeten zehn Radfahrer, ..... in der Gaststätte "Zum Löwen" einen weiteren Verein, der sich "Radclub Germania" nannte. [25jähriges Jubiläumsfest Radfahrer-Vereinigung Giessen-Klein-Linden; Seite 39.]
Im Jahre 1927
gründete der damalige Pfarrer Wilhelm Göbel mit seiner Konfirmandengruppe den
christlichen Jugendverein. [125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite
17.]
Pfarrer Walter
Bremmer führte die Jugendarbeit in Klein-Linden von 1928 bis zu
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
20.5.1928 SPD / KPD / NSDAP /
alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der anderen Parteien
332
13 10
234
8
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Ab 1928 bemühten
sich eine Anzahl junger Leute in einer Ortsgruppe der Sozialistischen
Arbeiterjugend (SAJ) um die politische Aufklärung der Jugend.
[Erwin Watz
und Karl Volk in "Gechichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 8 und
Seite 11 (unten).]
Im Jahre 1928 wurde auch in Kleinlinden von einer Gruppe Jugendlicher ein
Ortsverein der SAJ Gegründet.
9. Dez. 1928.
Seit einigen Tagen hat die Reichspost wieder einen Autobus-Pendelverkehr
zwischen Gießen und Klein-Linden eingerichtet. Leider aber muß man die
Feststellung machen, daß von dieser Einrichtung, die von allen Seiten gewünscht
worden war, nur sehr wenig Gebrauch gemacht wird, da sie allem Anschein nach
noch nicht bekannt ist. Außerdem verkehren nach wie vor Autoomnibus-Fahrten ins
Kleebachtal, die unser Dord berühren.
[GA; zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 175.]
17.11.1929 -
Gemeindewahlen in Linnes:
Zahl der Stimmberechtigten 1333
Zahl der Wähler
733
davon gültig 724 ungültig 9 Stimmen
Sozialdemokratische Partei
333 Stimmen 6 Sitze
Christl. Sozialer Volksdienst
125 Stimmen 2 Sitze
Hessischer Landbund
109 Stimmen 2 Sitze
Bürgerliche Vereinigung
59 Stimmen 1 Sitz
Liste der Bürgerlichen
98 Stimmen 1 Sitz
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der Arbeiterbewegung in
Kleinlinden"; Seite 4.]
Klein-Lindener
Sportverein 1929/30
Diesen neu gegründeten Sportverein
ereilte nach zweijährigem Bestehen das gleiche Schicksal wie der SV "Germania",
denn auch hier mußte der Spielbetrieb wieder eingestellt werden.
[Hanfried Knapp in: 90 Jahre TSV Klein-Linden.]
Zur Zeit der Arbeitslosigkeit (1929-1933) kommt es zu verschiedenen Formen von "Arbeitsdiensten". Da gibt es eine Gruppe, die Wald- und Wegearbeiten verrichtet oder eine andere, die in Lager einzieht und schließlich auch Uniform trägt. 1931/32 werden - sicher als Notstandsarbeiten - das Wasserleitungs- und das Kanalnetz gebaut. [Rudolf Weigel; Seite 68/69.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
14.9.1930 SPD / KPD / NSDAP /
alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der anderen Parteien
498
21 171
395
10
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
2. Juli 1930.
Die hiesige Gemeindekasse ist von gestern ab in die neue Schule verlegt, so daß
eine unmittelbare Verbindung mit den Diensträumen der Bürgermeisterei
hergestellt ist. Hierdurch werden viele unnötige Wege gespart.
[GA; zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 177.]
14. August 1930.
In unserer Gemeinde befinden sich zur Zeit 60 Arbeitslose, worunter 10
Ausgesteuerte zu verzeichnen sind. Die verheirateten ausgesteuerten Erwerbslosen
werden von der Gemeinde unterstützt, und es entstehen derselben hierduch größere
Aufwendungen. Um das Los der Erwerbslosen zu erleichtern und so viel wie möglich
Arbeitsgelegenheit zu schaffen, wäre es sehr zu wünschen, wenn endlich im
kommenden Herbst mit dem dringend notwendigen Bau der Wasserleitung und
Kanalisation begonnen würde. [GA;
zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 179.]
24. September 1930.
Die geringe Obsternte der Gemeinde gelangte heute zur Versteigerung. Birnen und
Zwetschen waren überhaupt nicht vorhanden, nur einzelne Bäume mit Äpfel wurden
ausgeboten. Infolge der vielen Liebhaber kam der Zentner am Baum auf 15 bis 20
Mark. Der Gesamtertrag der Versteigerung beläuft sich auf 118 Mark, gegen 1400
Mark im vorigen Jahr.
16. Oktober 1930.
Hier werden seit einigen Tagen viele Kinder, besonders solche in noch nicht
schulpflichtigem Alter, von den Masern heimgesucht. Die Kinderschule mußte
geschlossen werden, da weit mehr als die Hälfte der Kinder von der Krankheit
befallen ist.
30. Okt. 1930.
Heute morgen ist mit den Wasserleitungsarbeiten begonnen worden. Im ganzen
werden etwa 100 Arbeiter bei dem Bau beschäftigt sein, so daß unsere gesamten
Erwerbslosen für die nächste Zeit untergebracht sind. Auch dürfen bis zu 20 v.
H. der Belegschaft Wohlfahrtsunterstützungsempfänger sein, so daß der Gemeinde
hierdurch eine gewisse Entlastung zuteil geworden ist.
[GA; zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 181.]
Nach einem ersten, 1928
gescheitertem Versuch, eine Handballabteilung innerhalb des Turnvereins ins
Leben zu rufen, wurde diese am 30.05.1930 gegründet, nachdem schon am
27.04.1930, ohne Zustimmung des Vorstandes, ein Freundschaftsspiel in
Großen-Linden stattgefunden hatte.
Am 18.4.1931 schloß sich die Handballmannschaft des Jugendbundes
Klein-Linden dem Turnverein an.
[Siehe: Hanfried Knapp in: 90 Jahre TSV Klein-Linden.]
Herr Knapp erwähnt, daß es in dieser Zeit in Klein-Linden auch noch eine
Freie Turnerschaft gab.
Zusammen mit den Sportlern der anderen Vereine fand dann die Einweihung des
Sportplatzes am Sonntag, dem 3. April 1932 statt.
Der Fußballsport nahm nicht im Turnverein seinen Anfang, sondern im SV
"Germania" Klein-Linden, der im Jahre 1924 von Klein-Lindener Buben im
damaligen "Bernhardshäuser Hof" gegründet wurde, ... [Hanfried Knapp in: 90
Jahre TSV Klein-Linden; siehe oben.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
31.7.1932 SPD / KPD / NSDAP /
alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der anderen Parteien
450
32 594
122
7
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
6.11.1932 SPD / KPD / NSDAP /
alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der anderen Parteien
384
64 505
169
7
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Reichstagswahlergebnisse in Kleinlinden
5.3.1933 SPD / KPD / NSDAP /
alle anderen Parteien zusammen / Anzahl der anderen Parteien
376
34 682
206
6
[Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der
Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 6.]
Hier haben sich die Deutschen, und auch die Linneser, ihre Schlächter mit
Mehrheit selbst gewählt. Deutschland versinkt für 12 Jahre in Terror und
Wahnsinn, Mord und Völkermord und zwingt der Welt einen Krieg auf, wie ihn die
Menschheitsgeschichte bis dahin noch nicht erlebt hat.
1933 hatte Linnes 2085 Einwohner. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)]
1933 greifen Partei und Staat in das Vereinsleben ein. Auf behördliche Weisung werden die beiden Klein-Lindener Gesangvereine Eintracht und Harmonie zur "Sängervereinigung Klein-Linden" verschmolzen. Im gegenseitigen Einvernehmen wird in der Generalversammlung von 1936 mit "behördlicher Billigung" die Trennung der Sängervereinigung in die ursprünglichen Vereine vollzogen. [90 Jahre Gesangverein "Harmonie" Klein-Linden; Seite 11.]
02.07.1934: Einweihung eines neuen Spritzenhauses in Klein-Linden. [Siehe: 100 Jahre Freiwillige Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 151.]
Am 14.10.1934 wird das Kriegerdenkmal eingeweiht.
Nachdem das Hakenkreuz nach Ende der Naziherrschaft entfernt wurde, erfolgte
erst 1990 [! kein Eingabefehler!] eine Art Umwidmung durch das Anbringen
der folgenden Inschrift:
Die Toten mahnen die Lebenden. Lernen wir, miteinander zu leben, nicht
gegeneinander. Ehren wir die Freiheit. Arbeiten wir für den Frieden. Nie wieder
Krieg. 1. September 1990
Im Linneser Backschießer, Ausgabe 39, 1. April 1997, ist eine Schülerarbeit von
Stefan Scholz, Lützellinden, über das Denkmal veröffentlicht, die im Rahmen des
Kunstunterrichts der August-Hermann-Francke-Schule entstand. Die Arbeit endet
mit den Worten:
"Was noch anzumerken ist: Wie praktisch eigentlich, dem Denkmal von damals
das Hakenkreuz zu nehmen und ein paar kluge Worte anzubringen, um genau die
gegenteilige Aussage zu machen, ohne das Denkmal wesentlich anders gestalten zu
müssen. Alle Achtung!"
Wie erschreckend diese verbliebene Monstrosität auf, besonders auch
ausländische, Besucher von Linnes wirkt, habe ich mehrmals beim ersten Besuch
von Freunden erfahren, die mich irritiert fragten, ob Linnes eine Militaristen-
oder Nazihochburg sei.
Dabei können die Linneser noch froh sein, daß ein vorher vorgesehener Standort
nicht genehmigt wurde: Ein Entwurf, das Ensemble direkt vor der Kirche
aufzubauen, sodaß man die Kirchentür nur noch von seitwärts, hinter der
Rückwand mit Bank, erreichen konnte, wurde abgelehnt. [Entwurf im Kirchenarchiv
vorhanden.]
Seit Beginn des Jahrhunderts ist Klein-Linden von
Pfarrassistenten seelsorgerisch
betreut worden, die bei Privatleuten auf Miete gewohnt haben.
In den Jahren
1934/35 wird das Pfarrhaus in der Hügelstraße gebaut.
Im Jahre 1935 trat die "Radfahrer-Vereinigung Klein-Linden" unter Führung von Johannes Gärtner das Erbe der beiden Klein-Lindener Radfahrer-Vereine an. Der Verein "Wanderlust" hatte nur kurze Zeit bestanden, und so fanden sich die beiden Vereine Klein-Lindens von 1904 und der Radclub "Germania" von 1927 zusammen und beschlossen, in der Vereinigung die alte Tradition des Radsportes in Klein-Linden hochzuhalten und zu fördern. [25jähriges Jubiläumsfest Radfahrer-Vereinigung Giessen-Klein-Linden; Seite 41.]
20. Nov. 1935.
In den letztenTagen wurden in der Frankfurter und der Wetzlarer Straße nahe der
durch die vielen Unfälle bekannten Straßengabelung von der Straßenverwaltung
größere, weithin sichtbare, nachts leuchtende Schilder mit der Aufschrift
"Todesfalle" angebracht. Man glaubt, damit den großen Gefahren vorzubeugen, die
an dieser Stelle den Fahrzeugen aller Art drohen. Ob mit dieser Maßnahme für die
Zukunft wirklich den Unfällen gesteuert wird, muß dahingestellt bleiben, zumal
die an der Straße aufgestellten Totenköpfe auch nicht die Unfälle verhinderten.
Die einzige sichere Maßnahme wäre die Regelung des Verkehrs durch einen
Verkehrsposten und die Ermäßigung der Geschwindigkeiten für die Kraftfahrzeuge
bei der Durchfahrt durch unser Dorf. Auch die Anbringung einer Verkehrsampel mit
verschieden farbigem Licht über einer noch zu errichtenden Verkehrsinsel wäre in
Erwägung zu ziehen.
12. Dezember 1935.
Die Ortsschelle wird außer Dienst gestellt. Infolge der größeren Ausbreitung
unseres Dorfes in den letzten Jahren ist es nicht mehr möglich, durch die
Ortsschelle die ortsüblichen Bekanntmachungen allen Einwohnern, namentlich den
am Rande wohnenden, zugänglich zu machen. Auch machte der überaus starke, viel
Lärm verursachende Verkehr vieler Kraftfahrzeuge dem die Bekanntmachungen
ausrufenden Polizeidiener die Arbeit des Ausrufens oft recht sauer. Gegenwärtig
werden an den Straßen Kästen aufgehängt, im ganzen zwanzig Stück, in denen die
Bekanntmachungen in Zukunft ausgehängt werden.
12. Dezember 1935.
Bei der Viehzählung in unserer Gemeinde wurde folgender Bestand festgestellt: 19
Pferde, 310 Stück Rindvieh, 282 Schweine, 199 Ziegen, 89 Angora-Wollkaninchen,
sonstige Kaninchen 149, 3061 Stück Federvieh, 29 Bienenvölker. In den Monaten
September, Oktober und November wurden 90 Hausschlachtungen vorgenommen.
[GA; zitiert nach: 100 Jahre Freiwillige
Feuerwehr Giessen-Klein-Linden, 1995; Seite 185.]
1935/36 baut die Gemeinde auf der Pfingsweide das Schwimmbad und danach wird das "Hitler-Jugend-Heim", die frühere Burgschule, auf dem Platz des ehemaligen alten Friedhofes erstellt. [Rudolf Weigel, Seite 69.]
1937 zählt unser Ort 2240 Einwohner. Im Jahr [1938] baut man in unserem Dorf ein großes unterirdisches Verstärkeramt. Die Erdmassen genügen, um einen tiefen Graben, die "Hohl", zwischen der Lützellindener Straße und der Straße "auf der Hohl" sowie die Wüstung zwischen der Burggartenstraße und der Lützellindener Straße zuschütten, einplanieren und in Gartenland umwandeln zu können. [Rudolf Weigel, Seite 69.]
Am 10. Oktober 1938 hatte Linnes 2251 Einwohner. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in: 50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne Quellenangabe.)]
Am 31.03.1939, um 12.00 Uhr, verliert Klein-Linden seine Selbständigkeit durch Zwangseingemeindung nach Gießen.
Am 18.06.1942 wurde die Obusstrecke vom Selterstor nach Linnes eröffnet und ersetzte den seit 1926 bestehenden Kraftpostdienst. [Siehe "Linneser Backschießer", Ausgabe 59, 1. April 2002.]
Ab August 1942 bis zum Kriegsende sind russische Zwangsarbeiter in der "Eiche" untergebracht; siehe "Linneser Backschießer", Ausgabe 56, Juli 2001.
06.12.1944: Die
Menschen in Linnes erleben den ganzen Wahnsinn eines Krieges. Ich wünsche mir,
daß meine und alle folgenden Generationen so etwas nie mehr erleben müssen und
daß sich viele Menschen aus Linnes auch weiterhin schon im Vorfeld gegen Kriegs-
und Rüstungswahnsinn, Nationalismus und Chauvinismus, fortbestehende und
wiederauflebende faschistische Tendenzen, neue deutsche Großmachtfantasien, und auch gegen
jeglichen
Einsatz von Militär als (nie funktionierender) "Konfliktlösungsversuch" in aller
Welt, wenden. Was "Kollateralschäden" einer wahnsinnig gewordenen, den
Militärs überlassenen, Politik sind,
haben die Linneser in diesen schrecklichen Tagen, die ich als 6 Monate altes
Kind auf den Kartoffeln im Luftschutzkeller "erlebte", furchtbar erfahren
müssen.
Bei den schweren Bombenangriffen am 6. und 11. Dezember 1944, bei denen über
100 Gemeindemitglieder getötet und viele Häuser zerstört wurden, ... [Pfr.
König in "Heimatbuch für das evangelische Dekanat Giessen - 1954"; S. 58.]
Nach Beendigung der nationalsozialistischen Diktatur und eines
entsätzlichen Weltkrieges beklagte der Vorort Klein-Linden den Tod von über 100
Angehörigen, die durch Bombenangriffe umgekommen waren sowie zahlreiche
gefallene und vermißte Väter und Söhne. .......
Von ca. 420 Häusern in Klein-Linden waren nicht beschädigt
14
leicht beschädigt 317
mittelschwer beschädigt 29
total zerstört 39
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 19.]
Ein Gedenkbuch mit
den Namen aller Linneser Opfer des 2. Weltkrieges wurde von Erwin Watz
und Karl Volk erstellt und am 10.09.1983 den beiden Kirchengemeinden
übergeben. Das Gedenkbuch soll nun in der Kirche allen Klein-Lindenern
zugänglich sein. Eine Fotokopie wird in der Friedhofskapelle ausgelegt.
Nach den Erkenntnissen von Erwin Watz und Karl Volk verloren 256 Männer,
Frauen und Kinder aus Linnes in diesem Krieg ihr Leben.
Davon sind 155 gefallene oder vermißte Kleinlindener Soldaten. Die restlichen
101 Personen waren Bombenopfer der Angriffe im November und Dezember 1944. Damit
fielen bei einer Einwohnerzahl von 2350 im Jahr 1939 zwölf Prozent der
Bevölkerung Klein-Lindens dem Krieg zum Opfer. Selbst die beiden Forschenden
hätten nicht gedacht, daß es so viele waren. Eine besonders traurige und makabre
Erkenntnis war für die Beteiligten die Tatsache, daß vierzig Prozent der Toten
nicht auf dem Schlachtfeld starben, sondern in der Heimat. [Siehe: Erwin
Watz und Karl Volk: "Gechichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 100.]
Die Namen der Opfer des Bombenangriffs und die Namen der aus Linnes
stammenden Gefallenen werden auch in Hugo Weigels 2004 erschienen Gedenkschrift
zum 60. Jahrestages des Bombenangriffes vom 06.12.1944 genannt. Die
Gedenkschrift ist unter "Veröffentlichungen / Hugo Weigel" zu lesen.
Es ist mir bisher nicht bekannt, wieviele Menschen aus Linnes zwischen 1933
und 1945 insgesamt Opfer des Naziregimes wurden, da meines Wissens noch nicht
erforscht ist, ob auch in den Konzentrationslagern Menschen aus Linnes ermordet
wurden. Bisher ist mir nur bekannt, daß (mindestens) eine Frau aus
Linnes, Anna Marie Markel, in der Hadamarer Psychiatrie ermordet wurde, in der, neben
anderen psychiatrischen Kliniken, die Unmenschen an psychisch kranken Menschen
ihre Mordmethoden entwickelten, mit denen sie später den Völkermord in
"industrialisierter Perfektion" vollzogen.
Für Hinweise bin ich dankbar, denn ich bin der Meinung, daß auch diese Opfer des
Terrors nicht vergessen werden dürfen.
Der namentlich bekannten Ermordeten und Verfolgten wird innerhalb der
"Linneser Familiengeschichte" mit einer Extraseite gedacht.
Unbekannt ist auch, wieviel Menschen in den Selbstmord getrieben wurden, und
wieviele an den Folgen körperlicher und seelischer Verletzungen zu leiden hatten
und dadurch verfrüht verstarben.
Ebenfalls noch unbekannt ist, ob Soldaten aus Linnes der Nazi-Miltärjustiz zum
Opfer fielen.
Mit Bewunderung blicke ich auf Herrn Otto Etzel, der auch in der Zeit des
Terrorregimes seinen Überzeugungen und seinem Glauben treu blieb und Gestapo-
und KZ-Haft zu erdulden hatte, weil er jüdischen Mitbürgern half. [Siehe auch
bei "Linneser Familien".]
Einen kleinen Einblick in die Verfolgung Andersdenkender schon im Mai 1933 geben
die beiden Sozialdemokraten Karl Volk und Erwin Watz in ihrer
Geschichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden.
Ich würde mich freuen, wenn ich noch weitere Linneser in ehrendem Andenken
nennen könnte und bitte deshalb um Hinweise.
Das selbstgewählte Naziregime und seine Untaten sind bis heute fast völlig
unbearbeitet geblieben. Eine sogenannte "Entnazifizierung" blieb eine Verhöhnung
der Opfer, schaffte aber eine "ausreichende" Verleugnung und Verdrängung.
Wie aus der Psychotherapie eindeutig bekannt ist, sind Verdrängung und
Verleugnung Mechanismen, die der Fortdauer der Erkrankung dienen.
Nur so ist es meines Erachtens zu erklären, daß heute, 2004, in einer erneuten
wirtschaftlichen Krisensituation, die genau gleichen Mechanismen, die zur
Naziherrschaft geführt haben, wieder Anwendung finden. Die "Schuld" für eine
wirtschaftlich mißliche Lage wird auf die Schwachen des Gemeinwesens übertragen.
Heute sind dies Rentner, Arbeitslose, Kranke und Sozialhilfeempfänger. Die Opfer
einer neoliberalen, menschenverachtenden Globalisierung werden in einer
perversen Verdrehung von Ursache und Wirkung zu Schuldigen erklärt.
Für einen Menschen mit noch etwas funktionierendem Verstand ist es einfach nicht
nachvollziehbar, daß der Arbeitslose, der durch seine Arbeitslosigkeit oft noch
psychisch erkrankt ist, schuld sein soll an den bestehenden wirtschaftlichen
Schwierigkeiten.
Die aktuelle Verteufelung dieser Menschen durch einen, heute oft freiwillig
"gleichgeschalteten" kleinen aber lautstarken Teil der Presse, und die bespiellose finanzielle Ausbeutung der
Schwächsten durch neueste "Reform"-Gesetzgebung erinnert fatal an die Zeiten vor
Beginn der Naziherrschaft.
Ohne eine generelle Aufarbeitung ist hier das Schlimmste zu befürchten.
Heute, 2018, haben sich meine schlimmsten Befürchtungen bestäigt: Der braune Mob
zieht wieder durch Deutschlands Straßen und jagt seine Opfer.
Auch der zweite Hauptweg des Ablenkens von realen Schwierigkeiten, der
militärische Angriff gegen wahnhaft als Feindvölker erlebte Menschen, der heute
von den USA betrieben wird, ist in Deutschland leider wieder "denkbar" geworden.
Es gab keinen Aufschrei der Empörung bei uns gegen den offenen Wahnsinn einer
Aussage, daß die Freiheit der Deutschen heute am Hindukusch verteidigt werden
muß.
Am 28.04.1945
besetzen Amerikaner den Ort. Wieviel gefallene und vermißte Wehrmachtsangehörige
Klein-Linden im 2. Weltkrieg hat, ist zunächst nicht zu ermitteln. Nach der
Kapitulation am 8. u. 9. Mai 45, befinden sich aber über 250 ehemalige Soldaten
in fremdem Gewahrsam. Von ihnen kehren nach 1946 noch über 90 aus
Kriegsgefangenschaft zurück. [Rudolf Weigel, Seite 69]
Bald nach Kriegsende ist die sog. "Kanalflotille" an der Arbeit. Zu ihr
werden zahlreiche Ortsbewohner verpflichtet, die "wiedergutmachen" sollen und die
Bombenschäden beseitigen sollen. [Rudolf Weigel, Seite 70.]
So wurde, nachdem die
Militärregierung ihre Genehmigung erteilt hatte, allerdings mit der Auflage, daß
es nur ein Verein sein darf, in dem alle Sportarten vereinigt sein müssen, im
Juli 1945 ein Verein gegründet, der den Namen Sportverein trug. Auch
die Radfahrvereinigung 04/27 Klein-Linden war mit einbezogen und gehörte diesem
neu gegründeten Verein an. ............
Mit vereinsinternen Schwierigkeiten begründeten einige Mitglieder der
Radsportabteilung die am 11.9.1948 vollzogene Trennung und die Abteilung
machte sich wieder unter dem Namen Radfahrvereinigung 1904/27 selbständig.
[Hanfried Knapp in: 90 Jahre TSV Klein-Linden.]
Kurz nach der
Wiedergründung der SPD für den Gießener Raum im September 1945 trafen
sich auch ehemalige schon vor 1933 der Partei angehörige Mitglieder und einige
Sympathiesanten in Kleinlinden zur Gründung eines Ortsvereins in der
Gastwirtschaft "Zum Strümpfchen". Zum ersten Vorsitzenden wurde Erwin Watz
gewählt. [Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der Arbeiterbewegung
in Kleinlinden"; Seite 26. Seite 27:]
Das durch die zwangsweise Eingemeindung am 1.4.1939 zum Stadtteil von Giessen
gewordene Gemeinwesen, beklagte über 100 Angehörige, die durch Bombenangriffe
umgekommen waren sowie über 150 gefallene und vermißte Väter und Söhne. [Es
folgt dann die obige Häuserliste.]
Linnes hat 1945 noch 70 landwirtschaftliche Betriebe mit eigenem Fuhrwerk, meist Nebenerwerbsbetriebe. [Hugo Weigel.]
Für Mitte Mai 1946 ist die
Wiederaufnahme des Obus-Verkehrs vom Selterstor nach Kleinlinden
geplant.
[Gießener
Allgemeine, 09.04.2016; Gießener Stadtgeschichte; Vor 70 Jahren:]
Über den Wiederbeginn
der ev. Jugendarbeit nach Ende der Naziherrschaft und des Krieges berichtet
Hanfried Lenz:
Nach Kriegsende war zunächst einmal das EJW durch Herrn Weckbach
(später persönlicher Referent des hessischen Kirchenpräsidenten) und
dann durch Herrn Gärtner in
Klein-Linden tätig. Danach kam der CVJM. In Linnes leitete
Pfarrvikar
Karl Trechsler die CVJM-Gruppe.
Er
hielt bis zur Rückkehr von Pfarrer König eine Zeitlang die Gottesdienste in
Linnes.
Dieter
Allendörfer berichtet:
Anfang
1947 setzte sich der Vorstand wie folgt zusammen:
1. Vorsitzender: Karl Trechsler
Stellvertreter: Karl Lenz sen.
Kassenwart: Heinz Rau
Schriftführer: Ernst Holler
Schriftführerin Mädchen: Brigitte König
Beisitzer: Hans Germer und Inge Stein
Am
17.12.1947 fand eine Vorstandsitzung des CVJM Klein-Linden statt. Am
04.01.1948
wurde das neue Heim feierlich eingeweiht. Vorsitzender war Karl Trechsler,
Pfarrer, Inhaber einer Kohlenhandlung. Das Heim war ein Gartenhaus im Feld
zwischen Klein-Linden und Allendorf/Lahn. Es gehörte Karl Germer, Besitzer
einer Gärtnerei in der Frankfurter Straße. Sein Sohn Hans Germer führte
diesen Betrieb weiter. Karl Germer war auch im Kirchenvorstand. Gemietet wurde
das Haus vom CVJM Klein-Linden ab 1. Juli 1947 bis 31.12.1950 für halbjährlich
60 Reichsmark/DM.
Mit Beschluss des CVJM-Vorstandes vom 18.02.1974
wurde der Verein aufgelöst. Die Arbeit wurde nach Absprache mit dem
Kirchenvorstand von der Ev.
Kirchengemeinde weitergeführt.
Im Jahr der
Währungsreform 1948 wird die während des Krieges abgeholte Kirchenglocke
durch eine neue ersetzt und geweiht. [Rudolf Weigel, S. 70.]
[Zur Glockenweihe am 31.10.1948 findet sich im Kirchenarchiv folgender
Zeitungsartikel:]
Glockenweihe in Klein-Linden
Klein-Linden (G). Von den vielen Glocken, die während des Krieges
abgeliefert werden mußten, sind nur wenige wieder in ihre Heimatorte
zurückgekehrt. Auch eine Glocke von Klein-Linden kam nicht zurück, so daß sich
die Gemeinde dazu entschloß, allen Schwierigkeiten zum Trotz wieder eine zweite
Glocke zu erwerben. Für die neue Glocke mußte Altmaterial abgegeben werden.
Durch Mitglieder der Jugendvereinigung, der Konfirmanden und des Ortspfarrers
wurden aus Bombentrichtern in schwerer mühevoller Arbeit 7 Zentner Kupfer
zusammengetragen, außerdem wurden noch 2 Zentner Altkupfer von einem
Ortseinwohner gestiftet. Als nach der Währungsreform das gestiftete Geld
zusammengeschrumpft war, wurde durch den Kirchenvorstand erneut eine Sammlung
durchgeführt, so daß die benötigte Summe wieder zusammenkam.
Am 28. Oktober wurde die neue Glocke aus der Glockengießerei Gebr.
Rinker, Sinn, geholt und mit Hilfe einiger Gemeindeglieder in den Turm gebracht.
Am vergangenen Sonntag erfogte im Rahmen des Kirchweihgottesdienstes unter
Mitwirkung des Kirchenchores die feierliche Einweihung der Glocke durch Pfarrer
König. Zwei von der Schwester i. R. Elisabeth Jung, verfaßte und von
Konfirmanden vorgetragene Gedichte "Willkommen der Gemeinde an die neue Glocke"
und "Mahnung und Ruf der Glocke" verschönten die Weihestunde.
Die neue Glocke trägt die Inschrift: "Aus Krieg und Leid und schwerer
Zeit, ruf ich erneut zur Seeligkeit" - "Wachet, stehet im Glauben, seid männlich
und seid stark." Die Jahreszahlen: "1849 - 1921 - 1948" erinnern spätere
Geschlechter an die Geschichte der Glocken. Wenn nun die Glocken von
Klein-Linden ihr Geläute ertönen lassen, so wollen wir hoffen, daß sie auch bald
den langersehnten Frieden einläuten mögen.
In der Gießener Algemeinen vom 08.11.2008 findet sich zur
Glockenweihe in der
Rubrik Gießener Stadtgeschichte - Vor 60 Jahren:
"Aus Krieg und Leid und schwerer Zeit ruf ich erneut zur Seligkeit" -
"Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark" - so lautet die
Inschrift der neuen Glocke der Kleinlindener Kirche. Ihre Vorgängerin hatte -
wie so viele andere - im Krieg abgegeben werden müssen. Zum Bau der neuen Glocke
hatten die Gemeindemitglieder - darunter Jugendchor und Konfirmanden - in
mühevoller Kleinarbeit aus den Bombentrichtern sieben Zentner Kupfer
zusammengetragen, zudem stiftete ein Ortseinwohner noch zwei Zentner Altkupfer.
Jetzt konnte die fertige Glocke in der Gießerei Gebr. Rinker, Sinn, abgeholt und
feierlich geweiht werden.
1948 ist auch das Gründungsjahr des Linneser Obst- und Gartenbauvereins.
1948
In der Gießener Algemeinen vom 04.10.2008 findet sich in der
Rubrik Gießener Stadtgeschichte - Vor 60 Jahren:
Die Eisenbahnbrücke über die Main-Weser-Bahn beim Stellwerk Klein-Linden wird
zur Zeit wieder hergestellt. Sie wurde in den letzte Kriegstagen durch
Bombenwurf zerstört, sodass sie vollständig neu gebaut werden musste. Nachdem
die Betonierung fertiggestellt ist, wird jetzt die Auffahrt angelegt, sodass die
Brücke in acht Tagen für den Verkehr freigegeben werden kann. Damit wird vor
allem denlandwirtschaftlichen Betrieben aus Klein-Linden ein erheblicher
Zeitverlust erspart, der sich gerade in den Erntezeiten bemerkbar gemacht hat.
Januar 1949 [Gießener
Allgemeine, 14.02.2009; Gießener Stadtgeschichte; Vor 60 Jahren:]
Auf Grund der sich mehrenden Grippeerkrankungen bei den Schülern müssen die
Pestalozzischule und die Schulen in Wieseck und Kleinlinden vorübergehend
geschlossen werden. In anderen Schulen wird der Lehrbetrieb in den Klassen
unterbrochen, in denen mehr als die Hälfte der Schüler erkrankt ist.
Januar 1949
[Gießener Allgemeine, 21.02.2009; Gießener Stadtgeschichte; Vor 60 Jahren:]Im Jahre 1949 wäre
der frühere Turnverein 60 Jahre alt geworden und der im Jahre 1945 zugelassene
Sportverein war ja als Nachfolger des Turnvereins anzusehen.
Man nahm daher diesen Geburtstag zum Anlaß, um viele Mitglieder des früheren
Turnvereins wieder als Mitglieder aufzunehmen, der Verein führte ab sofort den
Namen Turn- und Sportverein Klein-Linden und das 60-jährige Stiftungsfest
fand unter Mitwirkung der drei Klein-Lindener Gesamtvereine
[Gesangvereine?]
am 20.10.1949 in der Gastwirtschaft "Zur Deutschen Eiche" statt.
[Hanfried Knapp in: 90 Jahre TSV Klein-Linden.]
1950: Die
300-Jahr-Feier der Volksschule Gießen-Klein-Linden (1650-1950) wurde am 17. und
18. Juni 1950 mit einem reichhaltigen Programm begangen.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 23.]
1950 hatte Linnes 2780
Einwohner. [Nach: Hermann Rau: Geschichtliches von Klein-Linden, in:
50jähriges Jubiläumsfest der Radfahrervereinigung Klein-Linden; Seite 21. (Ohne
Quellenangabe.)]
So hat unser Stadtteil 1950 rund 2780 Einwohner. Das sind 530 Menschen mehr
als kurz vor dem Krieg. [Rudolf Weigel, Seite 70.]
Februar 1950 [Gießener
Allgemeine, 27.02.2010; Gießener Stadtgeschichte; Vor 60 Jahren:]
Nachdem schon vor einigen Jahren das alte Leiternhaus mit seiner
mannigfaltigen Tradition auf dem Maiplatz und dann das kleine Spritzenhaus sowie
die "Gassebomp" aus dem Dorfbild Kleinlindens verschwunden sind, ist die Stadt
nunmehr dazu übergegangen, auch den alten Dorfbrunnen in der Wetzlarer Straße
mit Erde zu füllen.
Dezember 1950
[Gießener
Allgemeine, 18.12.2010; Gießener Stadtgeschichte; Vor 60 Jahren:]
Feuerpilze von bis zu 50 Meter Höhe entwickeln sich bei einem Brand auf dem
Verschiebebahnhof Kleinlinden. Ein auf einem toten Gleis abgestellter Güterzug,
dessen Wagen mit Benzinfässern beladen ist, fängt Feuer durch die Funken, die
von einem vorbeifahrenden Zug herrühren.
Bahnpersonal kann den brennenden Waggon zwar noch an eine ungefährlichere
Stelle bugsieren, dort explodieren die Fässer jedoch, und es kommt zu einem
Flammeninferno, bei dem glücklicherweise nur hoher Sachschaden entsteht.
Am 01.04.1951 wird
Klein-Linden selbständige Pfarrei innerhalb des Dekanats Gießen.
[Rudolf Weigel, Seite 70.]
Am 10.
September 1951 wurde die "Markwald-Siedlung" mit 240
Wohnungen eingeweiht.
Nach "Erste Schritte zum Neuanfang - Der Bau der Vertriebenensiedlung
Markwald ab 1949", einer Arbeit von 2 Schülerinnen der
Landgraf-Ludwig-Schule im Rahmen eines bundesweiten Geschichtswettbewerbs
"Geschichte des Helfens" (um 1997).
In der sehr gut zusammengestellten und lesenswerten Arbeit erfährt man, wie in
Lützellinden untergebrachte Heimatvertriebene 1949 die Gemeinnützige Bau-
und Siedlungsgenossenschaft Lützellinden eGmbH gründeten und mit welchen
Schwierigkeiten sie zu kämpfen hatten, bis die Markwald-Siedlung gebaut
war:
1950 begann der Bau der Doppelhäuser. Am 8. September 1951 wurde das Richtfest
für die ersten sechs Doppelhäuser "zu einem rechten Volksfest". 1952
lebten bereits 100 Menschen in den Häusern, obwohl noch keine Wasserleitungen
verlegt waren; das Wasser mußte in der Sandgrube (Bacheler) geholt
werden.
1953 begann der Bau der restlichen 6 Doppelhäuser; ebenfalls wurde mit dem Bau
der Nebenerwerbssiedlung mit 14 Einzelhäusern begonnen. Fertigstellung und
Verlosung der 14 Häuser sei 1956 erfolgt. Im letzten Teil der Siedlung,
Frankfurter- und Gregor-Mendel-Straße wurde auch schon ab 1953 gebaut. Ende der
50er Jahre wurden 4 Bungalows auf dem "Tennisschläger" erbaut,
nachdem die katholische Kirche den Bau einer kleinen Kirche dort abgelehnt
hatte.
Der aus Spendengeldern finanzierte Gedenkstein am Bacheler, der an die
Vertreibung erinnert, wurde 1980 vom Bund der Vertriebenen
aufgestellt.
1986 wurde "30 Jahre Markwald" mit einem Straßenfest
gefeiert.
Im Mai 1952 wurde die
Burgschule eingeweiht [Gießener
Allgemeine, 12.05.2012; Gießener Stadtgeschichte; Vor 60 Jahren:]
Bei strahlendem Sonnenschein strömen zahlreiche Kleinlindener zu dem neuen
Schulgebäude, das in schöner Hanglage in der Wetzlarer Straße steht und im
Rahmen eines Festakts seiner Bestimmung übergeben wird. Um der durch den Krieg
und die Nachkriegszeit verursachten kulturellen Verarmung entgegenzutreten und
um neuen Schulraum zu beschaffen, hatte die Stadtverwaltung vor Jahresfrist
beschlossen, das ehemalige Hitlerjugend-Heim in Kleinlinden zu einem Schulhaus
umzubauen.
Im Jahre 1952
wurde die Burgschule (früheres HJ-Heim) mit drei Unterrichtsräumen eingeweiht,
etwas später das alte Schulhaus renoviert und darin ein weiterer Schulsaal
freigemacht.
1952 wurde auch die Renovierung der Kirche abgeschlossen. Bei den
Bombenangriffen vom 06. und 11.12.1944 hatte ein großer Stein das Kirchendach
durchschlagen, die Kirchendecke zertrümmert und war im Kirchenschiff gelandet.
Der Schaden wurde bald behoben. 1951 wurden das Kirchen- und das Turmdach
überholt. [Nach einem Artikel von Hermann Rau im Gießener Anzeiger vom
17.05.1952, kurz vor Ende der Renovierungsarbeiten.]
.................
Nach zögerndem Beginn machte die Bautätigkeit in einem bis dahin nie
gekannten Ausmaß Fortschritte. Die Stadt mußte immer wieder - so auch in
Klein-Linden - neue Baugebiete erschließen. So wurde auf der Heide
(Andreasteich) mit dem Bau eines neuen Ortsteils begonnen. Im Jahre 1952
erwarb die Stadt von Großen-Linden 4,6 ha Land am Südrand der Gemarkung östlich
der Frankfurter Straße. Hier errichteten sich Heimatvertriebene, von denen viele
vorher in Lützellinden gewohnt hatten, neue Heimstätten. Schließlich wurde auch
das Land zwischen Frankfurter Straße und Main-Weser-Bahn erschlossen und bebaut.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 25.]
[Zum Bau der Markwaldsiedlung: siehe unter dem 10. September 1951.]
24.01.1953: Das
Jugendheim in der Hügelstraße wird eingeweiht. [Siehe: 125 Jahre Kirche
Kleinlinden, 1866-1991, Seite 19.]
[Nach den Unterlagen im Kirchenarchiv war die Einweihung am 24.01.1954.]
Am 20.05.1953
wurde das durch Kriegseinwirkung zerstörte Schwimmbad in Klein-Linden wieder
eröffnet.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 25.]
[Gießener
Allgemeine, 24.03.2003; Gießener Stadtgeschichte; Vor 50 Jahren:]
Kleinlinden badet wieder - nach 9 Jahren Unterbrechung im schön gelegenen
Freibad, das im Krieg durch Bombentreffer schwer beschädigt wurde. Die Wände der
Becken wurden mit der sogenannten "Mammuthaut", einem neuen Mittel in der
Bädertechnik, wasserundurchlässig gemacht. Die Bombentrichter sind eingeebnet,
konnten aber nicht mehr rechtzeitig mit Rasen eingesät werden.
Juni 1953 [Gießener
Allgemeine, 15.06.2013; Gießener Stadtgeschichte; Vor 60 Jahren:]
Die am südlichen Ausgang von Kleinlinden von Heimatvertriebenen erbaute
Markwaldsiedlung ist nunmehr aufgrund eines Beschlusses der hessischen
Staatsregierung offiziell nach Gießen eingemeindet worden. Seither gehörten
die Bewohner der an Kleinlinden angrenzenden Siedlung gemeindlich zu dem etwa
drei Kilometer entfernten Großen-Linden.
Im Februar 1954 hat Kleinlinden 3154
Einwohner. [GA vom 20.03.1004; Gießener Stadtgschichte; vor 50 Jahren.]
Am 16.05.1954 und am 24./25.07.1954 fanden die ersten Radrennen "Rund um Klein-Linden" im Rahmen des 50jährigen Jubiläums der Radfahrer-Vereinigung statt. Der Rundkurs führte durch die Schulstraße (heute: Schulgärten), Waldweide, Bergstraße (Albert-Boßler-Straße), Am Kirchpfad, Heide, Lützellindener-Straße und Steinstraße (Katzenbach). Herr Deibel teilte noch mit, daß bis 1956 insgesamt 6 Radrennen auf diesem Rundkurs durchgeführt wurden.
Jahrelange Bemühungen aller sporttreibenden Vereine in Klein-Linden zum Bau einer Turnhalle führten im Mai 1958 zum Erfolg. Die neue Turnhalle, nach den damaligen modernsten Gesichtspunkten des Sportstättenbaues errichtet, wurde am 10. 5. 1958 feierlich eingeweiht. [Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27 Gießen-Klein-Linden"; Seite 27.]
Im Dezember 1958 werden einige Linneser noch
einmal mit den Folgen der 14 Jahre zurückliegenden Bombardierung konfrontiert.
In der Gießener Allgemeinen findet sich am 13.12.2008 in der Rubrik "Gießener
Stadtgeschichte - Vor 50 Jahren":
Bange, spannungsgeladene anderthalb Stunden müssen viele Bürger von
Kleinlinden und mit ihnen ein großes Aufgebot der Gießener und der Landpolizei
überstehen, bis der Leiter des Wiesbadener Sprengkommandos und sein Helfer aus
dem 3,50 Meter tiefen Bombenloch auf der Pfingstweide wieder herauskommen. Ihr
Lächeln deutet an: Es ist geschafft. Nachdem am Vortage die Entschärfung der
Zehn-Zentner-Bombe wegen Komplikationen hatte unterbrochen werden müssen, konnte
die Arbeit nun - trotz weiterer Schwierigkeiten - vollendet werden. Die Sperrung
der Bundesstraße 49 wird aufgehoben, die Bewohner der umliegenden Häuser können
in ihre Wohnungen zurückkehren.
Januar 1959 [Gießener
Allgemeine, 10.01.2009; Gießener Stadtgeschichte; Vor 50 Jahren:]
Viele der alten Linden und auch etliche der alljährlich so früh grünenden
Kastanienbäume wurden ein Opfer der immer mehr fortschreitenden
Verkehrsentwicklung. Infolge der Straßen- und Erdarbeiten mussten die Bäume
gefällt werden. Vor einigen Jahrzehnten war die geplante Frankfurter Straße noch
bis zum heutigen Stadtausgang im südlichen Kleinlinden auf mehr als zwei
Kilometer zu beiden Seiten mit Bäumen bepflanzt.
August 1959 [Gießener
Allgemeine, 15.08.2009; Gießener Stadtgeschichte; Vor 50 Jahren:]
Der Vorort Kleinlinden gehört schon seit 1939 zur Stadt Gießen. Somit sollte
man annehmen, dass sich die Kleinlindener kaum noch wie eine eigene Gemeinschaft
fühlen und ihr Eigenleben aufgegeben haben. So ist es aber doch nicht ganz. Die
3600 Bewohner, darunter besonders die älteren, sind echte Kleinlindener,
betreiben noch einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb und sprechen ihren
eigenen Dialekt, der sich von dem der Gießener unterscheidet. Die jüngere
Generation zieht es allerdings stärker zur Stadt. Dem Autofahrer, der auf der
Frankfurter Straße nach Gießen zufährt, werden die fast kahl wirkenden
Häuserfassaden rechts und links auffallen. Nur ein paar Schritte braucht man in
eine der Seitenstraßen tun, um sich zu überzeugen, dass der Anschein der
Kahlheit täuscht.
August 1959 [Gießener
Allgemeine, 22.08.2009; Gießener Stadtgeschichte; Vor 50 Jahren:]
Nachdem inzwischen auch für die Stadtteile Klein-Linden und Wieseck die
Müllabfuhr obligatorisch eingeführt worden ist, wird das "wilde Ablagern" von
Müll in Sandgruben und Bombentrichtern verboten und unter Strafe gestellt. Die
Stadt unterhält einen ständigen Müllabladeplatz am Leihgesterner Weg
(Bergwerkswald) und einen vorübergehenden Müllabladeplatz an der Ursulum. Auf
beiden Plätzen sind Vorkehrungen getroffen, dass Ratten- und Fliegenplagen nicht
entstehen und Grundwasservergiftungen vermieden werden.
Am 14. 5. 1961
wurde auf dem Friedhof in Klein-Linden in einer Weihestunde die neue
Friedhofskapelle durch Oberbürgermeister Osswald den beiden christlichen Kirchen
in ihre Obhut übergeben.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 29.]
14.05.1961 [Gießener
Allgemeine, 14.05.2011; Gießener Stadtgeschichte; Vor 50 Jahren:]
Auf dem schönen Friedhof von Kleinlinden wird die neue Friedhofskapelle in
feierlichem Rahmen ihrer Bestimmung übergeben. Viele Kleinlindener Bürger
haben sich in und bei der Kapelle versammelt, auf deren Dachfirst ein Kreuz vom
Sinn des Evangeliums kündet. Im Verlauf der kurzen Weihestunde danken Pfarrer
König für die evangelische Gemeinde und Oberstudienrat Dr. Hans Lutz für die
katholische Gemeinde der Stadt und allen Helfern, die dieses schöne neue
Gebäude geschaffen haben.
24.01.1964 [Gießener
Allgemeine, 24.01.2004; Gießener Stadtgeschichte; Vor 40 Jahren:]
Bei einem verheerenden Großbrand in der Gaststätte "Frankfurter Hof" in
Kleinlinden werden ein 13 Jahre alter Junge getötet und drei weitere Menschen
verletzt. Nach ersten Erkenntnissen der Feuerwehr ist das Feuer vermutlich
zwischen 1.15 Uhr und 2 Uhr im Schankraum ausgebrochen und hat sich danach in
Windeseile über die anderen Räume im Erdgeschoss ausgebreitet und das Mobiliar
völlig zertsört. Der 13-Jährige sei wahrscheinlich bei dem Versuch, ins Freie zu
gelangen, von Rauch und Gasen bewusstlos geworden und erstickt.
Am 1. 12. 1964
wurde der neue Glockenturm der Klein-Lindener Kirche aufgesetzt. Die Arbeiten
dauerten etwa 2 Stunden. Zunächst hob ein Kran die Holzkonstruktion für den
Glockenraum auf die Aufsatzstelle, dann wurde die rund sieben Meter hohe
Turmspitze auf das Glockenteil gesetzt.
Durch eine Spendensammlung in der Gemeinde konnten bald zwei weitere Glocken
angeschafft werden.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 31.]
[Die beiden neuen Glocken läuteten zu Ostern 1965
erstmalig.]
Am 30. Jan. 1965 [1963?] hat Klein-Linden 4100 Einwohner. [Rudolf Weigel, Seite 70.]
22.06.1966: "Das schwerste Sommerhochwasser seit
Menschengedenken"
"Ein Unwetter ungeheuren Ausmaßes suchte gestern Oberhessen, vor
allem aber den Kreis Gießen heim! 80-jährige Augenzeugen berichteten, dies sei
das schwerste Sommerhochwasser der letzten 100 Jahre gewesen. Besonders schwer
betroffen sind die Gemeinden im Lumdatal und im Lahntal" - So begann ein Bericht
der "Allgemeinen Zeitung" am Samstag, 23. Juli 1966. Bereits drei Tage zuvor
waren Wassermassen ins Lumdatal eingedrungen, hatten Schäden in Millionenhöhe
angerichtet. [Gießener Allgemeine vom 22.06.2006]
Es werden Überflutungen und Schäden aus Heuchelheim berichtet; ob es auch in
Linnes zu Schäden kam, ist nicht erwähnt.
1966 wurde, vor der 100-Jahrfeier im Oktober, die Kirche renoviert und dabei der Chor erweitert. [Nach einem Artikel von Peter Weyrauch im Dez. 1977 im Gießener Anzeiger.]
Wegen des starken
Kraftfahrzeugverkehrs mußte die Frankfurter Straße in Klein-Linden erweiteret
werden. Im August 1967 wurde mit den Vorarbeiten begonnen. Zunächst
wurden etwa 40 bis 50 Chausseebäume gefällt, ....
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 33.]
[Auch die Baumgruppe mit einer schönen Kastanie an der Einmündung der Waldweide
in die Frankfurterstraße fiel dieser, bald wieder zurückgenommenen, Baumaßnahme
zum Opfer.]
Wegen des starken Verkehrs muß zu dieser Zeit auch die Frankfurter Straße im Ort
erweitert werden. Dabei fallen die Chaussebäume der Säge zum Opfer. [Rudolf
Weigel, Seite 71.]
Anfang September 1967 öffnete die neu errichtete große Mittelpunktschule
(Brüder-Grimm-Schule) für 450 Kinder aus Klein-Linden und Allendorf [ihre]
Pforten. [Die offizielle Einweihung erfolgte am 02.02.1968.]
In der alten "Roten Schule" wurde am 1. 7. 1968 der Kindergarten in
modernisierten Räumen in Betrieb genommen.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 33.]
Im Sommer 1969
setzt man die Spitzhacke an das alte Lehrerhaus und die beiden Schulsäle in der
Wetzlarer Str.
Am 8. Sept. d. J. soll das Türmchen der 1613 erbauten Kapelle mit einem
Kran von den alten Schulsälen genommen werden, um vielleicht auf dem Friedhof
eine neue Verwendung zu finden. Das Unternehmen mißlingt jedoch. Das Türmchen
kommt zwar gut vom Dach herunter, bricht aber dann über dem Lastwagen - wegen
einer kleinen Unvorsichtigkeit auseinander -. Es ist danach wohl auch zu alt, um
noch einmal renoviert werden zu können. [Rudolf Weigel, Seite 71.]
Am 20.06.1971 wird
der neue Fußballplatz, eine Aschenbahn und eine Leichtathletikanlage eingeweiht.
[Nach Erwin Watz, a. a. O., S. 35]
[Gießener
Allgemeine, 25.06.2011; Gießener Stadtgeschichte; Vor 40 Jahren:]
Der Regen hat es nicht vermocht, Sportenthusiasten und städtische Prominenz
von der Einweihung der neuen Sportanlage in Kleinlinden abzuhalten. Bei großer
Beteiligung findet das lokale Ereignis unter Regenschirmen statt, was den
Vorsitzenden des Turn- und Sportvereins Gießen-Klein-Linden, Hermann Hinterlang
zu der Bemerkung veranlasst: "Hier gehört noch eine überdachte Tribüne
hin."
04.07.1971: Das evangelische Gemeindehaus in den Schulgärten wird eingeweiht. [Siehe: 125 Jahre Kirche Kleinlinden, 1866-1991, Seite 25.]
20.10.1971: Die Dreschhalle wird durch ein Feuer vernichtet.
Der südliche Erweiterungsbau der Brüder-Grimm-Schule wurde bis zum Beginn des Schuljahres 1972 fertiggestellt. Er nimmt den Realschul- und Gymnasialzweig der damit zur schulformbezogenen Gesamtschule gewordenen Bildungsstätte auf. [Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27 Gießen-Klein-Linden"; Seite 35.]
Im Jahre 1973
wurden das Hanggelände hinter der Burg und das Gelände hinter der Gastwirtschaft
"Zur deutschen Eiche" (Hermann-Rau-Straße) als neue Wohngebiete erschlossen.
Nach dem Ausbau einer Radrennstrecke im Sportgelände wurde am 30. 9. 1973
erstmals nach vielen Jahren wieder ein Rundstreckenrennen durchgeführt.
[Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27
Gießen-Klein-Linden"; Seite 37.]
Am 8. Mai 1974 fand im "Frankfurter Hof" die Gründungsversammlung des Ortsverbandes Kleinlinden der CDU statt. [Backschießer Nr. 108,S. 39f.]
Mit dem Bau der Turnhalle bei der Brüder-Grimm- Schule im Jahre 1974 wurde der Trainings- in Spielbetrieb in die dortige Turnhalle verlegt und von nun an hatte man noch bessere Möglichkeiten. [Siehe: Hanfried Knapp in: 90 Jahre TSV Klein-Linden.]
17.10.1974: Erste Veranstaltung des Seniorenclubs Klein-Linden, später Seniorenteff.
Am 17. 8. 1975 wurde "In der Hell" in der Gemarkung Klein-Linden ein romatisch gelegener Grillplatz eingeweiht. [Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27 Gießen-Klein-Linden"; Seite 41.]
1975 findet am letzten Augustwochenende
nach 10jähriger Pause wieder eine Kirmes in Linnes statt. Ausrichter ist
der TSV.
[Gießener Allgemeine; 23.07.1975.]
Am 02.10.1976 berichtet die Gießener Allgemeine, daß die Kirche geschlossen werden mußte, da der Hausschwamm das Deckengebälk über dem Chor befallen hatte. Gottesdienste werden während der notwendigen Sanierung in der Friedhofskapelle gehalten.
Die Linneser waren vom 01.01.1977 bis Mitte 1979 Einwohner einer Großstadt. Diese Großtat der Politik und der Verwaltungsbürokratie scheiterte glücklicherweise am Widerstand der Bevölkerung. Schade, daß bei der Auflösung der "Großstadt Lahn" nicht auch gleich die Zwangseingemeindung von Linnes rückgängig gemacht wurde.
Etwa ab 1978 wird der "Südeingang" von Linnes von einer riesigen Betonkonstruktion "verziert". "Beste Möglichkeiten" für den Autoverkehr hatten hier noch Vorrang vor Wohnqualität, und ein Chronist nennt das Bauwerk sogar eine Attraktion für unseren Stadtteil. Trotz des nun geschlossenen Straßenrings um Gießen wurde die nun eigentlich unnötige Durchfahrt durch Linnes auf der Frankfurterstraße aber nie gesperrt.
Das Klein-Lindener Bürgerhaus, ein neues Zentrum örtlichen Gemeinschaftslebens, wurde am Samstag, dem 9. September 1978, unter starker Beteiligung der Bürger eingeweiht. [Erwin Watz, Stadtältester, in "75 Jahre Radfahrer- Vereinigung 1904/27 Gießen-Klein-Linden"; Seite 47.]
Am 06. September 1981 fand erstmals der "Tag der Ortsvereine" statt.
Am 28. Oktober 1983 wurde der neu erstellte Brunnen vor der evangelischen Kirche offiziell in Betrieb genommen. [Erwin Watz und Karl Volk in "Gechichte der Arbeiterbewegung in Kleinlinden"; Seite 53.]
1984: Beginn der Partnerschaft der ev. Kirchengemeinden Klein-Linden und Luthergemeinde Gießen mit der presbyterianischen Kirche im Distrikt Bawku in Ghana. Im Februar 2004 fand zum 20jährigen Bestehen der Partnerschaft eine Ausstellung im Gemeindehaus statt.
06.05.1984: Einweihung des neuen Gerätehauses der Freiwilligen Feuerwehr.
Im September 1987 erscheint die erste Ausgabe des "Linneser Backschießer".
Juli 1988 [Gießener
Allgemeine, 13.07.2013; Gießener Stadtgeschichte; Vor 25 Jahren:]
Das erste Gießener Wohngebiet mit einer flächendeckenden
Geschwindigkeitsbeschränkung wird das "Märchenviertel" in
Kleinlinden sein. Der Regierungspräsident hat soeben dem Antrag der Stadt
entsprochen, für alle Straßen zwischen Frankfurter Straß und Bahnlinie Tempo
30 zu verhängen. Bis zu einer entsprechenden Kennzeichnung aller Zufahrten
werden allerdings noch einige Wochen verstreichen, weil zunächst die
erforderlichen Schilder angeschafft werden müssen.
Zum Glück wurden später auch die Straßen auf der anderen Seite der
Frankfurterstraße zur Tempo 30 Zone.
Ich hoffe, daß meine Enkel noch erleben werden, daß sich
"menschenschonende verkehrspolitische Vernunft" weiter durchsetzt,
daß Frankfurter- und Wetzlarerstraße mit Tempo 30 befahren werden dürfen,
alle anderen Linneser Straßen aber zu für alle Verkehrsteilnehmer
gelichberechtigten "Spielstraßen" werden.
Im Herbst 1995 wird mit "Märchenland" der zweite Linneser Kindergarten in Betrieb genommen.
Im Jahr 1996 lebten in Klein-Linden 4690 Menschen in 1079 Häusern. 48 Kinder wurden geboren und 12 Männer und 19 Frauen starben. Es gab 2031 Pkw, 111 Krafträder, 69 Lkw und 23 Zugmaschinen. [Linneser Backschießer, Ausgabe 43, 01.04.1998; nach dem Statistischen Jahresbericht 1996.]
1997, im November(?), wird das Postamt Klein-Linden geschlossen; im Dezember besteht die Postagentur "beim Roland".
1998 hatte Linnes 4326 Einwohner, werden
auch mit Nebenwohnsitz gemeldeten dazu gerechnet, sind es 4766. Es gab
1101 bewohnte Gebäude.
[Linneser Backschießer, Ausgabe 53, Oktober 2000; nach dem Jahresbericht der
Stadt Gießen.]
1998 bis 2000: Das Kirchenasyl für eine
kurdische Familie in Kleinlinden kann nach genau zwei Jahren beendet werden. Wie
der Gemeindepfarrer mitteilt, hat die Familie soeben nach Vorlage einer Reihe
von medizinischen Gutachten eine dreimonatige Duldung durch den Landrat des
Kreises Gießen erhalten. Die Kirchengemeinde sei erleichtert, dass für die
Familie ein, wenn auch befristet, legaler Zustand erreicht worden sei, erklärt
der Pfarrer. Die Gemeinde hoffe, dass sich nun weitere Lösungsmöglichkeiten
fänden. [Gießener
Allgemeine, 04.09.2010; Gießener Stadtgeschichte; Vor 10 Jahren.]
Wie würde unsere Welt heute aussehen, wenn sich die christliche "Amtskirche" in
den vergangenen 2000 Jahren auch schon an die Vorgaben ihres Stifters gehalten
hätte?
Februar
2001: [Gießener
Allgemeine, 12.02.2011; Gießener Stadtgeschichte; Vor 10 Jahren:]
Die Selbstmorddrohung eines 42-jährigen Waffennarrs führt in der Nacht zu
einem Großaufgebot von Polizei und Rettungsdiensten in Kleinlinden. Die
Straße, in der der Mann lebt, wird komplett abgesperrt. Weil seine Frau ihn
verlassen hatte, wolle er sich erschießen, hatte der Familienvater seiner
Tochter gesagt und sich in der Wohnung verschanzt. Viele Medienvertreter bis hin
zu Kamerateams privater Fernsehsender sind in den Ortskern gekommen. Nachdem
sich die Polizeikräfte Zutritt ins Haus verschafft haben, finden sie den
42-Jährigen tot vor. Er hat sich erschossen.
Vom 28. Juli bis zum 5. August 2001 führt der TSV Gießen-Kleinlinden unter dem Motto "Fremde werden Freunde" sein erstes internationales Jugendcamp durch.
Seit dem 18.10.2002 hat Linnes wieder eine Burschenschaft. 21 Gründungsmitglieder riefen an diesem Tag in der Gaststätte "Zum Linneser" die Burschenschaft "Linneser Bierkehlchen" ins Leben. [Siehe "Linneser Backschießer", Ausgabe 62, Januar 2003.]
Ende August 2003 wurde auf dem Kirchenvorplatz der Historische Stein aus Linnes angebracht, dessen Ursprung bis heute noch nicht geklärt ist. [Siehe "Linneser Backschießer", Ausgabe 65, Oktober 2003, und mehrere frühere Ausgaben.]
Nach Auffinden der alten Fahne wurde die Burschaft "Burgundia" in 2003 auf Iniative von Ewald Klein wiederbelebt.
Am 28.02.2005 ging Roland Germer in Rente.
In 27 Jahren Dienstzeit bestand "beim Roland" nicht nur ein Lebensmittelmarkt
sondern eine "Linneser Institution".
Noch im Laufe des Jahre 2005 soll Linnes nun sein letztes innerörtliches
Lebensmittelgeschäft verlieren.
In meiner Kindheit und Jugendzeit konnte ich noch vier
Lebensmittelgeschäfte in 2 bis 5 Minuten zu Fuß erreichen (Häusersch;
Konsum; Fouriersch; Schepps), mindestens zwei weitere (Germer; Jung) gab
es in der Wetzlarer Straße und eins in Bernhardshausen (Adolphs).
Was ist nun eigentlich Fortschritt, und was Rückschritt?
Im Herbst 2006 stellten Linneser Frauen im Rahmen einer
sehr gut besuchten Ausstellung im ev. Gemeindehaus ihr erstes Buch
"Was könnt' man schreiben ..., Buch und Bibel! Auf den Spuren der
Kleinlindener Frauengeschichte" (Redaktion
Dagmar Hinterlang) vor.
November 2007:
Sehr erschreckend finde ich, daß der Ungeist der Naziverbrecher auch heute noch
in manchen Hirnen herumspukt; auch wenn es sich im hier dokumentierten Fall um
einen "Einzeltäter" handelt.
Hier zitiert nach Amadeu Antonio Stiftung im Internet; Chronik antisemitischer Vorfälle 2007:
Gießen (Hessen)
Jüdischer Küster angegriffen
Ein Mann hat den jüdischen Küster der evangelischen Gemeinde im Gießener
Stadtteil Kleinlinden (Hessen) am 3. November mit den Worten »Judenschwein, raus
aus Deutschland« beschimpft und auf ihn eingeschlagen. Der Küster wurde verletzt
und musste im Universitätsklinikum behandelt werden. Nach Informationen des
Gießener Anzeigers wurde er nicht zum ersten Mal angegangen. Es soll auch eine
Morddrohung gegeben haben. Bereits Mitte Oktober hatte der Mann Anzeige
erstattet. Der Pfarrer der Gemeinde erklärte dem Gießener Anzeiger, es handele
sich »um das Problem einer Person und nicht einer Gruppe oder irgendeiner
Bewegung«. Ein Streit zwischen Nachbarn sei vorausgegangen.
(Jungle World, 15.11.2007)
Leider setzte sich diese furchtbare Sache auch in 2008
fort; siehe unten:
Am 24.05.2008 gründet sich im Bürgerhaus der
inzwischen eingetragene Verein Arbeitsgruppe Orts- und Vereinsarchiv
Kleinlinden.
Gründungsmitglieder sind: Hans Hinterlang, Hartmut Klein, Otto Olbrich, Dr. Gerd
Steinmüller, Hans-Jürgen Volk, Helmut Volkmann, Hugo Weigel.
Dr. Gerd Steimüller wird zum 1. Vorsitzenden, Hans-Jügren Volk zum 2.
Vorsitzenden gewählt.
Die Arbeitsgruppe besteht seit dem 17.05.2005 und gestaltete inzwischen zwei
Ausstellungen in der Volksbankfiliale in Linnes.
September 2008:
Am 12. Februar 2009 wurde vor dem Haus
Weigelstraße 3 (früher Hintergasse 3) für Frau Anna Marie Markel, die
1941 in Hadamar ermordet wurde, ein Stolperstein verlegt.
[Einen Bericht über die Verlegung finden Sie
hier.]
Am 21. März 2009 wurde von der Linneser
Archivgruppe eine Stieleiche vor dem Bürgerhaus gepflanzt.
Am 19. November 2008 war die stark geschädigte, 450 bis 500 Jahre alte,
"Linneser Eiche" vom Gartenamt entfernt worden. Auf Iniative von Herrn Hugo
Weigel spendete das Gartenamt die Stieleiche als Ersatz für den alten Eichbaum.
Im Sommer 2009 wird die Brüder-Grimm-Schule integrierte Gesamtschule, nachdem das Kollegium mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen für diese Umwandlung gestimmt hatten. [Nach einer kurzen Notiz in der Gießener Allgemeinen vom 15.01.2009.]
Vom 28. bis zum 30. August 2009 feierte der Schützenclub Roland sein hundertjähriges Bestehen.
Am 3. Oktober 2010 fand im ev. Gemeindehaus die 2. Ausstellung und die 2. Buchpräsentation "Linneser FrauenGeschichte(n)" statt: "Der Lobeerduft in Omas Küche" von Dagmar Hinterlang unter Mitwirkung von Kornelia Claes.
Am 11. Mai 2012
werden die Neue Mensa und 6 neue Klassenräume der Brüder-Grimm-Schule
eingeweiht.
Die Gießener Allgemeine berichtet am 12. Mai darüber. In der gleichen Ausgabe
findet sich auch der Hinweis, daß vor 60 Jahren die "Burgschule"
in Linnes eingeweiht wurde, siehe unter dem Jahr 1952.
Gleichzeitig wurde zu Linnes aber leider auch noch berichtet, daß der Einsatz
vieler Linneser Bürger für den Erhalt der Tempo-30-Zone in der Wetzlarerstr.
(hoffentlich nur vorerst) vergeblich war.
So konnte Linnes gleichzeitig einen Schritt vorwärts zum Aufbau einer modernen
Schule und einen Schritt rückwärts, also ein Stück Abbau einer modernen,
menschenfreundlichen Verkehrsentwicklung tun. Noch einmal setzte sich die
europaweit lange überhholte Ideologie, nach der der "Fluß des
Verkehrs" wichtiger als menschliche Unversehrtheit ist, durch.
Ebenfalls im Frühjahr
2012 zeigte sich sehr deutlich, wie weit Linnes seinen dörflichen Charakter
schon eingebüßt hat. Während Forscher die letzten verbliebenen Kuhställe
aufsuchen, um ein Mittel gegen die stark zunehmenden Allergie-Erkrankungen zu
finden, siehe GEO, löst das Auftreten einer Schafskrankheit, die auch Menschen
befallen kann, in Linnes recht panische Reaktionen aus, die leider sogar zu
persönlichen Angriffen gegen den einzigen Linneser Schäfer führten.
Wenn es nicht so bedauerlich wäre, da der Schäfer, von dem ich seit Jahren
bestes Fleisch beziehe, in seiner Existenz bedroht wird, könnte man von einer
Provinzposse mit excellentem Beispiel der Psychopathologie des Politkerlebens
sprechen.
Nachdem der Linneser Ortsvorsteher viel von sich gab, um die Stimmung
aufzuheizen, versuchte ein Amtsvorgänger - zu meiner Übreraschung - mit viel
Vernunft auf die Tatsachen, wie es zu dem Q-Fieber in Linnes kam, hinzuweisen
und die Wogen zu glätten. Mit dem Erfolg, daß nun wohl bei dem amtierenden
Herrn alle parteipolitischen Scheuklappen fielen; nun sollte die Schäferei -
wohl samt Schäfer - aus Linnes verschwinden!
Ich kann nur hoffen, daß die Veranstaltung, in der dann Fachleute über das
Q-Fieber und die Entwicklung in Linnes referierten, wieder etwas zur Ausbreitung
der Vernunft beigetragen hat.
Trauriger Nachsatz: Der Schäfer gab auf.
Und so ging's vielleicht weiter - satirischer Ausblick. Klicken sie hier.
Am 24. Januar 2014 beendete
Heinz Schlosser nach 33 Jahren seine Zeit als Vorsitzender des
Schützenclubs "Roland", kandidierte aber für das Amt eines
Beisitzers. In einem GAZ-Gespräch berichtete Heinz Schlosser von seiner
erfolgreichen Aufbauarbeit in diesen Jahren.
Für seine ehrenamtliche Tätigkeit erhielt er den Ehrenbrief des Landes Hessen,
überreicht durch die Oberbürgermeisterin. (Nach Gießener Allgmeinen.)
Gibt es weitere Linneser Vereine, bei denen der Vorsitzende so langjährig aktiv
war?
Am 26. Januar 2014 eröffnet
der Linneser Posaunenchor um 18 Uhr sein Jubiläumsjahr zum 160-jährigen
Bestehen mit einem konzertanten Gottesdienst. (Nach Gießener
Allgmeinen.)
135-jähriges Bestehen feiert 2014 die Burschenschaft
"Burgundia" am 1 Juli 2014. (Nach Gießener
Allgmeinen.) Die Burschenschaft bestand aber nicht durchängig, in den 50er
Jahren "fand die Burschenherrlichkeit" ein Ende; wurde aber 2003
"wiederbelebt".
Am 5. Juli 2014 feierte der
Linneser TSV sein125-jähgriges Bestehen mit einem
"Sportfest für die ganze Familie.
Am 8. Mai 1974 fand im "Frankfurter Hof" die Gründungsversammlung
des CDU-Ortsverbandes Kleinlinden statt. Otto Olbrich und Egbert Schellhase
berichten im "Backschießer" Nr. 108 über die zurückliegenden 40
Jahre.
10 Jahre "sind die "Linneser Frauen" in Sachen
Ortsgeschichte aktiv." (Backschießer Nr. 108.)
Ein großes Ereignis wirft
seinen Schatten voraus:
Wenn nicht erneut, wie kurz nach Beginn der Planung einer 700-Jahr-Feier -
damals von Herrn Weitershaus - eine noch ältere Urkunde gefunden wird, kann
Linnes 2019 seine Ersterwähnung vor 750 Jahren
feiern.
Gerd Zörb, als Vorsitzender der Linneser Vereinsgemeinschaft, hat zu einer
ersten Vorbesprechung am 24. September eingeladen.
Am 06.12.2014
jährte sich der große Bombenangriff auf Gießen und Klein-Linden zum 70.
Mal. In der voll besetzten Kirche fand eine Gedenkstunde statt.
Lt. Gießener Allgemeinen stand "eine bewegende Rede von Helmut
Hillgärtner, der als Zeitzeuge den 6. Dezember 1944 in Kleinlinden miterlebt
hatte," im Mittelpunkt der Gedenkstunde. Seine Rede
"Bombensplitter" hatte er auch bei der zentralen Gedenkveranstaltung
der Stadt Gießen gehalten.
Am 31.12.2014 schließt die Bäckerei Lutz, die letzte eigenständige Bäckerei in Linnes. Die Bäckerei bestand seit 1925 und wurde in 4. Generation von Alexander Lutz geführt.
Jubiläen in 2015:
150 Jahre Gesangverein Eintracht, gegründet am 12.03.1865.
125 Jahre Gesangverein Arion,
gegründet am 21. Juni 1890. Erste Singstunde am 29. Juni 1890 im Lokal des Gastwirts Balthasar Hinterlang.
Im Dezember 2018 wird die letzte Ausgabe des Linneser Backschießers erscheinen. Ich muß es mit Bedauern zur Kenntnis nehmen und möchte hier meinen Dank und meine Anerkennung für die 31 Jahre aussdrücken, in denen ich mich 4mal im Jahr auf den neuen Backschießer freuen durfte.
Am 06.12.1219 jährt sich der
vernichtende Bombenangriff auf Linnes zum 75. Mal. Ich hoffe,
daß dieses Tages angemessen gedacht wird.
Am 13.12.2019 wird Linnes 750 Jahre alt, oder
genauer gesagt, liegt die erste bekannte Erwähnung unseres Ortes nun 750 Jahre
zurück.
Erstmalig wird unser Linnes ein Wappen erhalten.
Ein Buch zur
Geschichte unseres Ortes wird erscheinen und weitere Festlichkeiten und
Jubiläums-Veranstaltungen sind geplant.
>Linnes ist schon
sehr lange ein "Ein- oder Zuwanderungsort" und hat nach allem, was ich dazu
finden konnte, immer von den Zuwanderern profitiert. Egal ob sie aus Tirol oder
"nur" aus einem deutschen Kleinstaat kamen oder gar nur "üwer die Leh aus
Heuchelhem", wie viele der heute noch hier vertretenden Familien.
Die allermeisten der Zuwanderer, die Linnes größer gemacht
haben, würde man heute mit dem abschätzigen Wort "Wirtschaftflüchtlinge"
bezeichnen - sie wollten ihre Familie ausreichend versorgen - und dies war
zeitweise in Linnes mit der schnell wachsenden Eisenbahn und dem
Braunsteinbergbau gut möglich.
So werden
wir mit Sicherheit auch wieder von den heutigen Zuwanderern profitieren, egal ob
sie als Studierende, umworbene und gesuchte "Gastarbeiter" oder als Flüchtlinge
und Asylsuchende zu uns kamen. Oder als Wohnungsmieter und
Mitarbeiter von UNI und Stadt Gießen etc., die den Linnesern mit Grundbesitz
zum Zweithaus oder Ditthaus verhalfen.
Ich würde mich sehr freuen, wenn mir
Linneser "Neu-Bürger" Erfahrungsberichte zur Veröffentlichung auf dieser Seite
zur Verfügung stellen könnten. Wie kamen Sie nach Linnes? Wie wurden
Sie aufgenommen? Fühlen Sie sich wohl in Linnes und sind Sie vielleicht schon
ein Linneser?<
So
hatte ich am 02.12.2018 am Ende meiner Linneser Chronik geschrieben - ohne zu
wissen, daß die Linneser Frauen wirder einmal schneller waren!
Im letzten
Backschießer las ich, daß am 12.05.2019 das vierte Buch
der Linneser Frauen -Titel noch offen - erscheinen und von 11-17 Uhr im
Evangelischen Gemeindehaus vorgestellt wird.
Ich wünsche beiden Büchern, daß sie von den Linnesern gut angenommen
werden -
und ich wünsche beiden Forschungsgruppen weiterhin viele Erfolge
bei der Erforschung der Linneser Geschichte.
Vielleicht forschen sie in
zwei- oder dreihundert Jahren schon zusammen.
Nach einem von
eingeweihten Kreisen nicht bestätigten Gerücht, plant die Männergruppe in etwa
10 Jahren, nach gründlicher Aufarbeitung der Erfahrungen mit dem Jubiläumsjahr
2019, einen vereinsinternen Ausschuß einzusetzen, der in den folgenden 100
Jahren prüfen soll, ob so um 2250 ein Fachgutachten zu der Frage
"Ist eine gemeinsame Vorbereitung der Eintausend-Jahr-Feier von Linnes durch ein
paritätisch besetzten Planungsausschuß der beiden in Linnes ortsgeschichtlich
aktiven Gruppen denkbar? - wünschenswert? oder gar nicht konsens- und
mehrheitsfähig." Diskutiert werden muß auch noch, ob dem Gutachter
eine Zusatzfrage nach den Vorteilen der strikten Geschlechtertrennung gestellt
werden soll.
===============
Ich hoffe Sie hatten Spaß bei Lesen dieser Linneser Chronik.
Wenn Sie mit
meinen Bemerkungen zum Zeitgeschehen nicht einverstanden sein sollten, denken
Sie bitte daran, daß es meine persönliche Meinung ist. Ich bitte Sie, diese
genau so zu respektieren, wie ich Ihre Meinung respektiere, solange die
Grundlagen unserer Demokratie nicht infrage gestellt werden.
Leider mußte
ich beim Durchlesen meiner zwischen 2004 und 2015 erstandenen Arbeit
feststellen, daß die Zukunftsprognose heute deutlich düsterer ausfällt.
Gegen besseres Wissen habe ich immer gehofft, daß wir aus unserer Vegangenheit
lernen werden. Das war wohl nix!
Ich kann einfach nicht begreifen, daß heute
wieder faschistische und religiös-fundamentalistische Haßredner auftreten
dürfen.
Und daß es tatsächlich wieder Menschen gibt, die diesen fanatischen
Haßparolen folgen.
Haben wir
denn gar nichts gelernt aus den Greultaten der Nazizeit und den Untaten des
religiösen Fanatismus?
Ich beende diesen Versuch einer Linneser Chronik heute am 02.12.18 mit einem Stoßgebet
meines Enkels Kevin, dem ich sie gewidmet habe:
Herr, laß Hirn vom Himmel
regnen!
-t-
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Anhang:
Im Nachlaß von Herrn Weitershaus fand ich neben den Fotokopien der Schul- und Kirchenvisitationen noch folgende Abschrift aus dem KB 2 Kll:
Freiheiten
und Utilien der Kirchensenioren in Hessen.
§ I Freiheiten
Sollen
die Kirchensenioren befreit sein von den mit ihren Pflichten inkompatiblen
Diensten, als
1)
Von Tag- und Nachtwache, jedoch mit der Einschränkung, daß in dringenden Fällen
wo die wache zu verdoppeln nötig ist, die unter fünfzig Jahre stehende, der
Reihe nach dazu anzuhalten sind
2)
von Bottengängen
3)
vom Schützendienst und anderen gemeinen Ämter, jedoch sollen sie von dem eines
Vorstehers nicht befreit sein, aber das eines Burgermeisters und Geldhebers ....
sie solche nicht gutwillig übernehmen, nicht aufgebürdet werden.
4)
vom Feuerlaufen
5)
von Streifzügen
6)
von anderen Ausschußdiensten und von den dabei einschlagenden(?) Verrichtungen
7)
von Handarbeiten und gemeinen Anlagen
8)
von Herrschaftlichen Personal Diensten, namentl. der Jagd u. anderen
Handdiensten, die an Chausseen zu leisten ausgenommen.
Wogegen ihnen aber alle sowohl herrschaftlichen als gemeine Dienste, die sie als bespannte und begüterte Bauern zu leisten haben, so wie auch solche Lasten, die in der Gemeinde von älteren Zeiten her und nicht etwa durch neuere die Befreiung der Kirchen-Senioren beschränkende Einrichtungen in Geldbeiträge verwandelt sind zur Obliegenheit bleiben.
[Ja, die Behördensprache hat Tradition! Unter gemeinen Diensten sind hier immer Gemeindedienste, also Dienste die jeder vollwertige Gemeindsmann für die Gemeinde zu leisten hatte, zu verstehen. Der Ausschuß, unterteilt in einen jungen und alten, war eine Art Selbstverteidigungsmiliz, die bei Angriffen die Gemeinden und die Region schützen sollte. Der Ausschuß übte auch zeitweise regelmäßig in Gießen. Es gab auch einen Lieutenant und einen Haubtmann unter dem Ausschuß, daß ein solches Amt einmal von einem Linneser besetzt war, habe ich nicht feststellen können.]
§
II Utilien
An
dergleichen sollen ihnen zugestanden werden:
1)
Bei groben Excessen, namentlich
a) in unehelichen Schwängerungsfällen jeder Art;
b) in Ehedissidien Fällen;
c) bei Schlägerei auf Sonn- und Feiertagen;
d) bei Entweihung der Sonn- und Feiertage durch Tänze oder sonstige lärmende
Lustbarkeiten;
e) bei grosen Ungezogenheiten in der Kirche
für
den oder die anbringenden Kirchensenioren 30 Xer.
2)
Bei geringen Excessen, z. B. bei Verübten geringer Unordnung in der Kirche, als
Drängen in den Stühlen, oder auf der Bühne, lautes Reden, Lachen u.
dgl.,
ferner bei an Sonn- und Feiertagen getriebenem Handel: 10 Kreuzer.
3)
Bei Versäumnissen der Katechismus-Lehre von den (?)Ungligenten 1/3. Strafen
wohingegen sie ein genaues Verzeichnis zu führen haben.
Diese
sub 1. 2. und 3. bemerkte von den Excedenten zu bezahlende Gebühren sollen aber
auch alsdann wenngleich mehrere Kirchen-Senioren einen Excess anzeigen dennoch
nicht verdoppelt, sondern auch einfach angesetzt und hierauf lediglich unter die
anzeigenden Kirchen-Senioren verteilt werden.
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Interessante Kirchenbuch-Einträge zu Einzelpersonen.
In diesem Kapitel sind besonders interessante und hervorstechende Einträge zu einzelnen Personen zusammengestellt.
Im Pönitenzregister (Verzeichnis der Kirchenstrafen) findet sich 1670 dieser
Eintrag:
Johannes Eckhardt zu Lindes daß er seinen Schwieger-Vatter und Mutter
geschlagen.
den 6ten Aug. 1686 Johann Jacob Jung, mit Anna Eva, Johann Baltzer Lentz Tochter, auf Special consistorial Befehl, weil sie noch eine frische Kindbetterin war, im Hauß copuliert, sc servata poena et civil et occlefistica(?), pp Scortationem(?).
Dazu gehört der Pönitenzeintrag vom
27ten 7bris 1687 Johann Jacob Jung und Anna Eva Lentzin Kirchenpönitenz
getahn zu Lindes, welche vorigen Jahres den 6ten August im Hauß auf Special
Befehl waren copuliert worden.
1692 konnte eine Heirat nur nach dem Pönitenzregister
"aufgeklärt" werden. Im Copulationsregister stand nur:
den 3ten Apr. Johann Conrad Andermann mit Margaretha von Watzenborn nach
gethaner Kirchenpönitenz ehel. cop. worden.
Im Pönitenzregister ist von
Watzenborn gestrichen, und der Eintrag lautet dann:
den 3ten April 1692 Johann Conrad Andermann zu Lindes mit Margaretha, Marx
Rinnen Tochter von Heuchelheim Kirchenpönitenz getahn, sind zugleich ehelich
cop. worden.
1712 findet sich folgender Sterbeeintrag im ersten Kirchenbuch von
Klein-Linden:
den 29t Martz ist Philipps Lentz bey abbdachung Firstbau Inbesonirt(?), so
Lutwig Schleher becker gekaufft allhir Ver Weklagt(?) worden Daß ein Wandt auf
ihn gefallen, Und das er so beschätiget, daß wurde gedacht Er würde so gleich
todt sein, noch der wandt(?) von den anwesenden, Endletiget, Und bürden frei
gemacht, so ist ihm daß Knick. bein am Decke(?) von dem Kinn biß an den leib
gantzZerschmetert, weil(?) das ruckrath Enthezwey, daß die beide bein kein
leben gehabt; ist auch den 7. Tag gestorben alß den 5ten Apprilß, und begrab(en)
den 7t April 1712.
Im KB Großen-Linden steht dazu:
... ist eine Wand auff ihn gefallen
gewesen, welche ihn sehr beschädiget, daß er bald darauf gestorben ...
den 8. 8bris 1717 nach gehaltener Bettags Predigt ehelich copuliert Johann
Jacob, Johann Balthasar Andermanns nachgelassner Sohn zu Lindes mit Anna
Barbara, ehel. Tochter Henrich Fuhrbachs, eines armen Mannes, seines Hanwerks
ein Schuster, der sich hin und wieder aufhält, vormals aber zu Münster gewohnt
und vor jetzo sich in Launspach befindet.
N.B. wegen dieser Cop. ist vorher hochfürstl. Consistorial-verordtnung
eingeholt worden.
den 11ten Mertz 1718 begraben Anna Catharina, Joh. Melchior Lentzen Frau zu
Lindes, diese Frau ist einige Jahr lang sehr mit der Melancholie geplaget
gewesen, und hat sich allerhand Hertz quälende gedanken und Einbildungen
gemacht, welche endlich so heftig überhand genommen, daß sie am 25. Febr.
früh morgens gegen 4 Uhr auß dem Bette auffgestanden, und in eine Kammer
beyseyte gegen der Schlaft Stube übergegangen, und sich allda mit einem Messer
die Gurgel, also Kehle, durchgeschnitten, und obzwar die Medici und Chirurgi
verletzung so lethal gehalten, daß sie keine Churmittel bey ihr applicieret, so
hat doch gleichwohl die Frau noch bis in den 12. Tag hernach gelebt; weil aber
die Gurgel so hart verletzt geweßen, daß nicht das allergeringste an Speiß
und Tranck können bey sie gebracht werden, so ist sie von Hunger und Durst
ausgezehret am 8ten Mertz frühmorgens gegen 8 Uhr verschieden, nachdem sie
vorher ihre unglückselige That hertzlich bereuet auch von dem in ihrem Leben
sichß aufgeführet gehabt, daß sie ein gutes Lob hat.
Ist alt gewesen 30 Jahr weniger 1 Monath.
Das Begräbnuß ist nach gewöhnlichem christl. Brauch auf ergangenen
Consistorial-Befehl geschehen. (KB Großen-Linden)
Am 18. Junii, Dnca 11. p. Trin. 1719 Joh. Henrich Weygel zu Lindes begraben,
nachdem er 16ten ejgd. mittags zwischen 12 und 1 plötzlich auft folgende Weise
gestorben: Vormittag hat er noch Mist aufgeführt, darauft zu Mittag gegessen
und getruncken, und hat sich vorgenommen, in die Beicht zu gehen welche damahls
zu Lindes gehalten worden, als er aber vom Essen aufgestanden hat er gesagt, er
wolle, wie auch sonsten seine Gewohnheit gewesen, in den Stall auft die Bühn
gehen und ein wenig ruhen, alß man nun zur Kirchen geläutet, und er etwas
lange ausbliebet, läuft die Frau zum Stall und sieht ihn Kniend auff der Erde
und mit dem Kopf an der wand wieder eine da stehende Leyter angelehnt sitzen,
worauft die Frau ihm zu ruft, alß sie aber keine Antwort bekomt, läuft sie bey
Ihn und meinet er seye in einer ohnmacht, worauft sie alsobald ein Geschrey
macht, da aber die Leute hin zu kommen hat er noch etliche mahl den mund
aufgethan und die Augen veroemlet(?), und weiter keine Empfindung mehr spüren
laßen, nachgehends ist er auff der brust und gantzen lincken Seiten
blau worden, daß es also ein starker Schlag=fluß gewesen, wovon er
gestorben, etliche wochen aber zuvor hat er ofters über Hauptwehe und Taumelung
im Kopf geklaget, auch zu weilen einen halben oder gantzen Tag sich geleget
gehabt. Alt worden 33 Jahr. (KB Gr-L)
Am 4. Sept. 1719 Johann Caspar, Johann Jacob Schuppen Söhnlein zu Lindes begraben, so am 2. morgens zwischen 7 und 8 Uhr von der Mutter im Bett todt gefunden worden nachdem sie solches eine halbe viertel Stund zu vor gantz frisch und gesund hineingelegt gehabt, und währender Zeit von einem heftigen Schlagfluß so hart und plötzlich überfallen worden, daß es auch noch unverrückt auf der Stelle gelegen, wie die Mutter es gelegt gehabt. Alt 1 Jahr 5 Wochen 4 Tag. (KB Großen-Linden)
(Datensatznummer 5535)Eine Art Zwangshochzeit? Folgender Eintrag findet sich nur im KB
Großen-Linden:
den 6ten 8bris 1719 auf Consistorial Befehl Johann Peter Andermann zu Lindes
aufgesucht und alß Er zur Stelle gebracht worden ist Er als bald in seinem
Kittel mit Maria Catharina Weygelin im beysein des H(errn) Ambtsschultheißen
und derer Vorsteher copuliert worden.
Am 23. Febr. 1720 alß nacher Lindes kam (?)Crattennah vor der Thür Joh.
Hermann Lampes, Burger und Constabler von Gießen gegen mich sagend: er hätte
die traurige Bottschaft vernommen, daß seine Frau in der Lohn, genannt im
Heßler, todt gefunden und hieher gebracht worden wäre, und solle dieselbe
anitzo begraben werden, daher er sich melden und mit zur Leiche gehen wolle.
Weil mir nun hier von nichts bewußt, so fragte den Vorsteher Hn.Caspar
Reinhardt, welcher mich dann berichtete, es seye gemeldte frau gestern gegen 4
Uhr gefunden an benahmtem Ort gefunden und auff Befehl des Hn. Cammeraths gegen
7 Uhr Abends nach Lindes gebracht, auch alsobald von dem Land Physico und
behörigen Chirurgo im Beyseyn des Hn. Cammeraths und derer Lindeßer Vorsteher
geöffnet und besichtiget worden; da sich dann befunden daß sie im Wasser
ertrunk.(en) und hätte der H. Cammerath verleßen, sie könne nur bey meiner
Ankunft, weil man nicht wisse, was es vor eine frau seye, (alß welches gestern
noch unbekant gewesen) unter dem Kirchen Geläut begraben werden.
Alß ich nun weiter den Lampes fragte, ob er dann nicht wisse, wie die frau
ins wasser kommen, gab er zur Antwort: sie seye von Königsberg gebürtig, und
vor 14 Tagen seye er mit Ihr dahin zu ihren Brüdern und freunden gegangen, es
habe sich aber einiger Wiederwillen zwischen Ihnen Beyden ereignet, daß sie 0
wieder mit ihm zurück gehen wollen, und hätte er sich wiederumb allein müßen
nach Gießen begeben, da er dann den Verlauff dem H. Pfarrer Schilling
angezeiget, welcher darauff verschaffet, daß an den Hn. Pfarrer nach
Königsberg wäre geschrieben worden, und nun muthwahr er, die Frau würde sich
auff des Pfarrers Erinnerung wieder nach Gießen haben begeben wollen, und bey
jezigem grosen wassers Anlauff in die Gefahr gekommen seyn; er selbst hätte
nichts von der Sache gewußt, sondern erst vor einer Stunde solches von dem Hn.
Cammrath erfahren, welcher ihn dann=nach eilen heißen, wann er noch bey der
Begräbniß seyn wolte; wo mir nun gefällig die Begräbniß ordentl. vor sich
gehen zu laßen so wäre es ihme gar lieb, er wolle alles bezahlen, hierauf
resolvirte mich dazu, und liese die Schüler durch den Schuldiener beordern, und
wurde vorm Backhauß allwo die Tote lag das Lied angefangen, Herr Jesu Christ
ich weiß gar wohl etc: und biß auft den Kirchhoff continuirt, In der Kirche
ward gesungen: O Jesu Christ mein Lebens Licht, zum Text behielte den ordentl.
passions Spruch, und machte hier und da einige adplication, sagte auch vorher
auß des Mannes relation gantz Kurtz personalien auff.
(KB Großen-Linden)
Ein Heiratseintrag aus dem KB Großen-Linden:
den 10. 9bris 1722 Johann Wilhelm Lampus, Schuldiener zu Lindes und Anna
Maria, Johann Henrich Ackers Tochter daselbst nach gehaltener Hochzeitspredigt
copuliert worden.
NB. Weil der Bethtag in diese Woche eingefallen, so hat der Schuldiener bey
H(errn) Superintendenten umb Erlaubniß, die Hochzeit mit Spiel=Leuten zu
halten, angesucht, auch erlangt, nachgehends aber doch Straf geben müssen, weil
vcidict(??) war worden.
1743 ist in beiden Kirchenbüchern eine Taufe auf der Burg dokumentiert:
Dienstag, den 10. Xbr. zwischen 8 und 9 Uhr vormittags wurde H(errn) Ludwig
Leopold von Wrede, Ihro hochfürstl. durchl. zu Hessen Darmstadt bestellter
Lieutnant der Infanterie, und dessen Frau gemahlin, Maria Burckhardina, eine
geb. von Seebach, aus dem Hause Storndorff, eine junge Tochter gebohren,
Mittwochs, den 11. gedachten Monats auff der Burg getaufft worden. Tauff Zeugen
sind:
1. Frau wohl gebohrne von Waldheim, geb. von Schrautenbach
2. Frau von Seebach, geb. von Schenk zu Schweinsburg
3. Frau von Wrede, geb. von Merlau
4. Fräülein von Trillitz
5. Frl. von Schrautenbach
6. Frl. von Seebach
7. Frl. von Weiffenbach
8. Herr von Wrede Senior
9. Herr von Seebach, Ihro Churfürstl. durchl. zu Sachsen bestellter
Lieutnant
10. Herr von Lesch zu Mühlheim, Königl. Schwedischer Fähndrich Heßischer
Trouppen
11. Herr von Schwalbach, Hochfürstl. Heßendarmstättischer Fähndrich
Ists Kind genannt: Sophia, Louisa, Wilhelmina, Friderica.
den 19. Febr. 1745, die vener p. Dnic. Sptuag., copulierte zu Lindes in der
Stille, dimissio coctu, Joh. Philipp Diehl von Wisseck, einen geweßener
mousquetier, mit Anna Catharina, Joh. Melchior Kintzenbachs p. m. Tochter, mit
welcher er vor etl. Jahren auff der Burg gedienet und sie geschwängert hatte,
IX(?) Decret Consistor puod dctirt war Gieß(en) im Decembr.vorig Jahres, ego u.
d. 16. Febr. 1745 erhalten, da er die Regiments Straff ausgestanden, und Sie 5
fl. 10.alb civil straff dem H(err)n Rath Wittich gezahlet hatte C. q. u. vor der
Kirche coram conventu sich beyde bußfertig histi(sisti?) ...(?) in templo in
suit locir(locis?), consecto(confecto?) more, Ihre poenitentz gethan, doch u.
(?)prunciatis noib(us).
1751 gibt es die beiden folgenden Heiratseinträge:
Freytag, den 26ten Febr. Johann Conrad Küntzenbach, weyland Johann Conrad
Küntzenbachs, gewesenen Einwohner in Kleinlinden hinterlassener ehelicher 2.
Sohn, so als Mousquetier unter dem löbl. rothen Regiment gestanden, und
nachgehends das Maurer-Handwerk erlernt mit Maria Catharina, Joseph Größers,
Maurers und Beysaßen eheliche Tochter nach vorhergegangener stillen Kirchenbuß
ob praematurium concubitum, und erlangter Heuraths Concession in der Stille
ehelich eingesegnet.
den 10ten Apr. wurden nach erlangter gnädigster Concession von meinem Herrn Collegen Christoph Simon Runkel / qua Pfarrers in Allendorf / weinkäuflich copuliert: Johann Conrad Andermann, Johann peter Andermanns, Einwohners in Kleinlinden ehelich eintziger Sohn, und Catharina Elisabetha, Caspar Luhen, Einwohner in Allendorf, eheliche Tochter aus 1ter Ehe, nachdem dieselbe von einem hochfürstlichen Consistorio von ihrem ersteren Bräutigam, mit dem sie in Unehren ein Kind gehabt, vor einigen Jahren war losgesprochen worden, Dienstag, den 25ten May ehelich copuliert. (Datensatznummer 2646 & 4917)
Donnerstag, den 3. Febr. 1752, Abends zwischen 11 und 12 Uhr (in Großen-Linden) starb Andreas, Johannes Eiffens, Einwohner in Kleinlinden ehel. Sohn, welcher an eben dem Tag des morgens vor Tag zwischen 5 und 6 Uhr in der Scheune vom Gerüst herunter gefallen und sich sehr auf der Brust beschädiget hatte, da er als Knecht bey H(errn) Land-bereuter Schupp allhier gedient, alt 28 Jahr, 5 Monath weniger 9 Tage. Er ward begraben Samstag den 5ten.
(Datensatznummer 4888) (KB Gr-L)1752 findet sich im KB Gr-L ein Taufeintrag, der etwas über die Pflichten
der damaligen Kirchenvorsteher aussagt:
Donnerstag, den 4. May nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr, kam weyland Henrich
Weygels hinterlaßene älteste Tochter, deren Mutter ebenfalls vorlängst
gestorben, mit einem unehelichen Kind, einem Knäblein nieder. Sie hatte biß
daher in Gißen gedient und sich etwa bey 7 biß 8 Wochen her wieder nach Lindes
begeben, ohne daß sie oder ein Kirchen-Senior mir die geringste Nachricht von
Ihrer Schwangerschaft gegeben. Sie gibt zum Vater Ihres Kindes an Simon Herman,
von Maulbach bürtig, einen Soldaten unter dem weisen Regiment in Gißen.
Sonntag Rogate, als d. 7. ejusd. getauft, Gevattern:
1. Andreas Eckhardt, Einwohner in Lindes
2. Johan Ernst, Tobias Klingelhöfers, des Adel. Burgmanns ältester Sohn
3. Catharina Maria, weyland Joh. Adam Weygels jüngste Tochter.
Ist Kind gnt: Johann Andreas.
Den folgenden Eintrag habe ich hier aufgenommen, obwohl er nach
Großen-Linden gehört:
Montags den 31ten Octobr. (1757) wurde ein fündling in der Pastorey getauft,
welchen ungefähr vor einem Jahr seine Mutter treu- und gewissens loser weise
auf dem diesenbacher feld in einem Erbsen Acker Haissen(?Hausten?) nieder
gesetzt hatte, und sodann davon gegangen war. Nun hatte sich zwar der sogenannte
Amts Visitator im Amt Blanckenstein und bieden Kopf sich bey dem Burgermeister
und auch zu Gießen bey H. Rath Wittich anheischig gemacht, Er wolle die Dirne,
seine Mutter liefern. Hat auch zu dem Ende 3.fl. Geld vom hiesigen Stadt=Rath
empfangen Es ...lebte derselbe bey mir, das Kind wäre zu Breitenbach getauft,
und hieße Wilhelm, sein angebl. Vatter aber heiße mit seinem Zunahmen Becher.
Hierauf schrieb an H. Pfarrer Happel zu Breitenbach, der mir aber nicht wieder
geantwortet; weshalben dann auf Genehmhaltung Ihro Hochwürd. H. Superintend. D.
Benners das Kind getauffet, und den hiesig. Burgermeister, Stadt Rath und ganze
Burgerschaft zu Taufzeugen erbethen habe, in deren Namen H. Stadtschreiber,
Kirchen-Senior und Schöff, Wagner, erschienen, welcher dem Kind den Nahmen:
Ludwig Wilhelm in der h. Tauffe beygeleget, das Kind mag nunmehro so viel man
muthmaßen kann dritthalb Jahr alt seyn. Zum Zunahmen hat man Ihm den Nahmen: Diesenbach
gegeben.
+ 1763 d. 4. Januarj.
(Einen Sterbeeintrag habe ich unter dem Datum nicht gefunden.)
Am 24.4.1759 ertrinkt ein Müllerskind in Großen-Linden, ein anderes Kind
rettet ein Soldat aus der Bach vorm Ertrinken, der Pfarrer notiert dann
weiter:
An dem unseligen Tage geriet auch Johann Henrich Lenz zu Kleinlinden in
Lebens Gefahr im Wasser, als er durch die Lahn fahren wollte, und die Ochsen
unvermuthet den Strom hinunter liefen, da er sich kümmerlich noch erretten
können.
1762 findet sich dieser Copulationseintrag:
Dom. Sexages. öffentl. procl. Joh. Philipp Lenz, wittwer, und Maria
Catharina, weyland Eberhard Henrichs, gewesenen Einwohners zu Heuchelheim
hinterlassene ehel. Tochter, nachdem der bräutigam durch ein
Consistorial-Urtheil gegen Erlegung von 3 fl ad pias causas von Johannes Lenzen
Tochter, mit welcher er sich verlobt hatte, war losgesprochen worden. Weilen die
braut von Heuchelheim bürtig, so waren beyde Samstags vorher, den 13ten Febr.
von Herrn Pfarrer Steinberger zu Heuchelheim weinkäuflich copuliert worden.
Hierauf wurden sie ferner Dom. Estomihi, Innocauit zum 2ten und 3ten mahl
proclamirt und sodann Montags, den 1ten Merz 1762, weil ich zu Lindes wegen
einer Kindtauf war, und Er auf die Vorspann fort muste, auf sein Anhalten ehel.
copuliert.
Gegen Bezahlung konnte auch gelegentlich die Einhaltung des Trauerjahrs
umgangen werden:
VIII. p. Trin. 1762, den 1ten Aug., weinkäuflich cop. Conrad Lenz, wittwer,
nach erhaltener concession ob nondum finitum annum Nutus gegen Erlegung 2. fl.
laut Scheins von H(errn) Rath Wittich, mit ....
Streit um die Zuständigkeit bei weinkäuflicher und ehelicher/priesterlicher
Copulation ist öfters vermerkt, besonders mit Gießener Pfarrern, in
folgendem Beispiel scheint der Ärger so groß gewesen zu sein, daß sogar der
Name des Gießener Amtsbruders nicht genannt wird:
Dom. XXII, XXII, XXIV. p. Trin. 1762 öffentlich proclamiert Henrich
Musculus, wittwer und burger zu Gießen, mit Anna Maria, weyland Jacob Heepens
hinterl. ehel. Tochter, nachdem solche von einem H(errn) Pfarrer in Gießen
wieder die herrschaftliche Verordnung waren weinkäuflich copuliert worden,
wurden sodann hernachenwegs in Gießen ehelich zusammen gegeben.
Auflösungen von Verlobungen sind mehrfach erwähnt, es ist dabei nicht
ersichtlich, ob mit Verlobung oder Verlöbnis die weinkäufliche
Copulation gleichzusetzen ist, die in der Funktion eher der heutigen
standesamtlichen Heirat entsprach, meist in Anwesenheit des Pfarrers und des
Schultheiß mit einem ausführlichen Ehepacten vollzogen wurde. Ein
weiteres Beispiel:
Grl, Samstag, den 5ten Märtz 1763 wurden nach erhaltenem Urtheil des
Consistorio, daß die ältere Schwester ... als Braut, mit der er sich vorher
versprochen, nichts mehr an Ihn zu fordern habe, weink. cop. Caspar Kläber,
weyland Caspar Kläbers hinterl. ehel. Sohn und Catharina Elisabetha, Joh.
Melchior Lenzens, Einwohner zu Kleinlinden ehel. Tochter, Donnerstag, den 14ten
Apr. in der Stille ehel. cop.
Ein Linneser, der in eine Stadt heiratete, wie hier z. B. Großen-Linden,
mußte sich zuerst aus der Leibeigenschaft freikaufen:
Grl, Samstag, den 26ten März 1763, nach erhaltener Erlassung der
Leibeigenschaft von Darmstadt weinkäuflich copuliert Johann Peter
Klingelhöfer, weyland Tobias Klingelhöfers, gewesenen Hofmanns auf der
Adelichen Burg zu Kleinlindes, hinterl. ehel. 2. Sohn mit Christina Elisabetha,
Christoph Erbs, hiesig burgers, ehel. 2. Tochter, den 26. 4. ...
Die zu zahlenden "Gebühren" ratione aetatis (aus Gründen
des Alters) bei Heiraten scheinen eher willkürlich, abhängig vom jeweiligen
Pfarrer und der Zeit, verlangt worden zu sein. Solche Einträge finden sich
wiederholt. Im folgenden Beispiel sind die Brautleute 22 und 29 Jahre alt,
sollte hier die Frau "zu alt" gewesen sein?
XI. p. Trin., als den 14ten Aug. 1763, und XII. und XII. proclamiert, nach
Erlegung 3 fl ratione aetatis, weinkäuflich cop. zu Watzenborn, Johannes
Herbert, Zimmermeister zu Kleinlinden, Eberhard Herberts, Gemeindsmann daselbst
ehel. 4ter Sohn und Maria Elisabetha Happelin, Andreas Happels, Einwohners zu
Steinberg ehel. Tochter, den 1ten 7bris zu Kleinlinden ehelich cop.
Montag, den 25ten Sept. 1763 findet sich bei der Taufe von Johann Balthaser Klingelhöfer,
Datensatznummer 2009, der folgende Zusatz:Einer unehelichen Geburt folgte damals eine Kirchenstrafe (Poenitenz),
ein Civilstrafe, und, falls der Vater Soldat war, eine Militärstrafe.
(siehe 19.2.1745) Dazu noch ein Beispiel:
Montag, den 23. Julii 1764, morgens um 1 Uhr, kam Anna Elisabetha, Joh.
Balthasar Weygels / der Zeit Witt. / eheliche Tochter mit einem unehelichen
Töchterlein nieder. Sie hatte zum Vatter dieses ihres Kindes schon ein Viertel
Jahr vorher Johannes Weygel, welcher als Corporal unter dem Löbl. weißen
Regiment zu Gießen stehet, angegeben, welcher solches auch vltro vor mir
eingestanden, dahero die Sache auf das hochfürstl. Consistorium berichtet
worden. Gevattern ....
Aerzte von Gießen, insbesondere mehrfach der hier genannte Professor
Ahlefeld, treten in Lindes als Geburtshelfer bei Komplikationen auf, im
vorliegenden Fall allerdings vergebens:
Montags den 25ten May (1767) morgens zwichen 6. u. 7. Uhr starb Anna Maria
Winterin, Johann Melchior Winters, gebürtig von Wißmar im Weilburg(ischen)
dermahlen aber Einwohners zu KleinLindes, ehel(iche) Haußfraue, nachdem sie
vorher 4. Tage lang in Kindes-Nöthen gelegen, und H(err) D. u. Professor
Ahlefeld zu Gießen derselben assistiret und sie von dem Kinde, das schon 2.
Tage im Mutterleibe tod war, befreyet hatte. Sie wurde begraben dienstags den
26ten eiusdem; alt 29. Jahr 1. Monat und 22. Tage.
In den ersten ca. 20 Jahren sind im 2. Kirchenbuch von Klein-Linden, begonnen
1769, die Einträge oft ausführlicher als im KB Gr-L. Als Beispiel sei hier ein
Heiratseintrag aufgeführt:
Copulirte in Ao: 1771
Johannes Weygel, Ludwig Weygels Christophs Sohn, ehlr. ältester Sohn, läßt
sich mit Susanna Elisabetha, weyland Johann Jacob Amends, gewesenen Einwohners
zu Allendorf Amts Hüttenberg, hinterlaßenen ehl(iche)n. ältesten Tochter, bey
öffentl. Kirchgang, priesterlich copuliren und einsegnen. Geschehen
Donnerstags, am 20ten Juny 1771.
Text der Hochzeit Predigt war genommen aus Syrach XXVI, v. 3. ....: Ein
tugendsam Weib ist eine edle Gabe, und wird dem gegeben, der Gott fürchtet.
Eine Adelshochzeit liest sich dann so:
Copulirte in Ao: 1777
Der Hochwohlgebohrne Herr, Herr Ludwig Anton Friedrich August von Wrede,
Rußisch Kayserlicher Major und Ritter St. George, wurden mit der Hochwohlgeb.
Fräulein, Christiana Lousia Elenora Adelheid von Loewenfeld, des weiland
Hochwohlgeb. Herrn, Christian Georg Wilhelm von Loewenfeld, HochFürstl.
Hessen-Darmstädtischen Hochbestallt gewesenen Obristen, bey dem Lobl.
Infanterie Regiment zu Giessen, hinterlassenen ehel. Fräulein Tochter, auf der
Frey Adelichen Burg allhier, Priesterlich copuliren, Donnerstags den 28ten Aug.
1801 findet sich dann folgender Eintrag in beiden Kirchenbüchern:
den 2. Juni, Dienstag Nachmittag gegen 5 Uhr ist Johann Ludwig, Johannes
Theißen Söhnlein, auf der Tuchbleich in das sogenannte Weyher baden gegangen,
und ist bei sehr grosem Wasser ertrunken [fiel an der Tuchbleiche
unglücklicherweise in einen Teich und da niemand zugegen war, so mußte er
ertrinken], es wurden zwar allerlei Versuch von H(errn) Professor Müller,
H(errn) Amtsfisicus Schwabe und Amtschirurgus Keller gemacht, um daselbe wieder
zum Leben zu bringen, da es aber über zwei Stunden im Wasser gelegen, und lange
dauerte bis die Doctors herbei kamen, so war alle Mühe vergeblich. Sein Alter
war 4. Jahr 2. Monath und 1. Tag. Den 4. Juni ist es beerdigt worden.
1803 findet sich folgender Eintrag im KB Großen-Linden:
Adam Henrich Herbert, Feldschütz in Kleinlinden, kam unglücklicherweise
unter 4. Wilde Fuhrmanns Pferde, welche er aus dienstfertigkeit aufhalten wollte
und wurde elendiglich zertreten, und zu Tode gestoßen, den 8.July starb er den
nemlichen Tage, da ihm das Unglück begegnete, jedoch bey gutem Verstand und
Gebät endigte er sein Leben. Atat. 65 Jahr 8 Mon. und 7 Tage. Er wurde den
10ten July begraben.
1873:
Im Jahre Christi Achtzehnhundert Drei und Siebzig den zehnten April gegen
Abend um sieben Uhr starb einen schnellen gewaltsamen Tod zerschmettert durch
einen auf ihn gefallenen Baumstamm Ludwig Viehmann, hiesiger Ortsbürger und
Taglöhner, alt vier und dreißig Jahre, zehn Monate und vier Tage und wurde den
Zwölften desselben Monats Nachmittags um fünf Uhr christlichem Gebrauche nach
zur Erde bestattet in Gegenwart
des hiesigen Ortsbürgers und Leichenbeschauers Johannes Weigel Vierten
des hiesigen Ortsbürgers und Taglöhners Philipp Holler,
welche
gegenwärtiges Protocoll nebst mir dem Pfarrer unterschrieben haben.